Lokale Ausbrüche werden zum Problem

  23 Juni 2020    Gelesen: 461
  Lokale Ausbrüche werden zum Problem

Am Wochenende steigt der Virus-Reproduktionsfaktor "R" in Deutschland deutlich über den kritischen Wert von "1" an. Der eher auf kurzfristige Änderungen reagierende "4-Tage-R" wird dem Lagebericht des Robert-Koch-Institutes zufolge nun auf 2,88 geschätzt, der ausgeglichenere "7-Tage-R" auf 2,03. Rechnerisch stecken damit 100 Infizierte im Schnitt 288 beziehungsweise 203 neue Personen an. Die Zahl der Erkrankten nimmt insgesamt zu.

Was ist die Ursache für die steigenden Zahlen?

Das RKI führt die Entwicklung vor allem auf lokal begrenzte Ausbrüche zurück. Da die Fallzahlen in Deutschland insgesamt auf niedrigem Niveau liegen, beeinflussen die lokalen Ausbrüche den Wert der Reproduktionszahl relativ stark.

Wo gibt es derzeit lokale Ausbrüche?

Aktuell berichtete das RKI von einer hohen Zahl an Neu-Infektionen in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf sowie in Magdeburg und dem Berliner Stadtteil Neukölln.

Wie kommt es zu diesen hohen Zahlen an einigen Orten?

Der Anstieg im Kreis Gütersloh ist auf einen Ausbruch in der Firmenzentrale der Tönnies Unternehmensgruppe in Rheda-Wiedenbrück zurückzuführen. In dem fleischverarbeitenden Betrieb wurden mehr als 1000 Mitarbeiter positiv getestet. Damit stehen auch die Zahlen in Warendorf in Verbindung, weil Mitarbeiter der Firma ihren Wohnsitz in dem benachbarten Landkreis haben. In Magdeburg gibt es einen Ausbruch, von dem mehrere jetzt geschlossene Schulen betroffen sind. In mehreren Häusern in den Stadtteilen Neue Neustadt und Salbke wurden knapp 800 Menschen für 14 Tage unter Quarantäne gestellt. Allein in Neue Neustadt wurden laut Oberbürgermeister Lutz Trümper in rumänischen Familien bereits 80 Corona-Fälle bestätigt. In Berlin-Neukölln geht es um Fälle im Umfeld einer Glaubensgemeinschaft. Mit Stand Freitag 16.00 Uhr gab es dort dem Bezirksamt zufolge 94 positive Testergebnisse. Am Dienstag waren es noch 57. Neue Zahlen werden erst am Nachmittag vorliegen, wenn die Laborergebnisse des Wochenendes eingetroffen sind.

Wie sind denn inzwischen die Zahlen in Göttingen?

In Göttingen sind rund 120 Bewohner eines Häuserkomplexes positiv auf das Coronavirus getestet worden. Bereits seit Donnerstag dürfen die insgesamt rund 700 Bewohner die Gebäude nicht mehr verlassen. Nach Angaben der Stadt leben die Menschen unter prekären Verhältnissen, die Wohnungen sind nur 19 bis 39 Quadratmeter groß - teils sind hier Familien mit vier Kindern untergebracht. Es handelt sich um andere Häuser als den bisher als Corona-Hotspot bekannten Iduna-Komplex.

Was unternehmen die Behörden gegen die Ausbrüche?

Es wird versucht, alle mit dem jeweiligen Ausbruch in Verbindung stehenden Menschen zu testen. Das erweist sich vor allem dann als schwierig, wenn nicht alle Betroffenen deutsch sprechen. Inzwischen stellen die Behörden deshalb die informierenden Flyer in mehreren Sprachen zur Verfügung und setzen Dolmetscher ein. In Göttingen versucht der örtliche Krisenstab, die Regelungen für mehrfach negativ getestete Bewohner zu lockern. Sie sollen wieder zur Arbeit gehen können. In Berlin-Neukölln sind inzwischen alle Menschen auf dem betroffenen Wohnblock getestet worden. Vor allem im Umfeld des Tönnies-Fleischbetriebs ist die Lage noch etwas unübersichtlich, weil offenbar nicht alle Mitarbeiter mit ihrem genauen Wohnort bekannt sind. Inzwischen werden dort, wo die Quarantäne verhängt wird, auch Lebensmittel ausgegeben und medizinische Versorgung angeboten.

Wie reagieren die Menschen auf die Quarantäne?

Zum Teil stoßen die deutschen Behörden auf Unverständnis und auch auf Widerstand. In Göttingen versuchten am Wochenende Menschen die Absperrungen zu durchbrechen, die um das Haus errichtet worden waren, und griffen dabei auch Polizisten an. Im Umfeld der Schlachtbetriebe sollen sich möglicherweise Infizierte den Quarantäne-Maßnahmen entzogen haben. In Magdeburg fordern Bewohner der abgeriegelten Häuser, dass diejenigen, die negativ getestet sind, die Quarantäne verlassen dürfen. Besonders wird kritisiert, wenn der Eindruck erweckt wird, dass bestimmte Ethnien die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus wissentlich missachten.

Gibt es bei den Ausbrüchen erkennbare Gemeinsamkeiten?

Die deutlichste Gemeinsamkeit sind wahrscheinlich die beengten Wohnbedingungen, in Göttingen sprechen die Behörden von prekären Verhältnissen, unter denen viele Menschen nur wenig Wohnraum teilen. Auch die Arbeiter der Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe leben oft in sehr engen Gemeinschaftsunterkünften.

Quelle: ntv.de, sba


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