Das perfekte Versteck - Urlaub

  23 Juni 2020    Gelesen: 890
  Das perfekte Versteck -   Urlaub

Abgeschiedenheit in absolut zentraler Lage: Von der Quinta da Bouça d’Arques aus ist Geschichte überall zum Greifen nah.

Wenn „kontaktlos“ und „distanziert“ nun die obersten Maximen beim Ferienmachen sind, dann ist ein altes Landgut im Norden Portugals vielleicht der ideale Ort für den Sommer und den Herbst, der in Portugal bis weit in den Oktober hinein warm sein kann. Die Quinta da Bouça d’Arques bei Viana do Castelo ist abgelegen, aber doch in anderthalb Stunden vom Flughafen Porto aus zu erreichen. Wer dort mit der Abendmaschine landet, erreicht das Weingut im letzten Licht des Tages: Das Tor öffnet sich, der Kies knirscht unter den Reifen, die letzten Schwalben jagen ihrem Abendessen hinterher. Die Hügel färben sich, als wären sie reife Aprikosen, die Korkeichen hätten viel zu erzählen, etwa warum und in welchem Jahrhundert sich die gigantischen Risse im Stamm gebildet haben. Der Gast spaziert unter Weinreben hindurch in ein fast 400 Jahre altes Reich; die Gemäuer wurden so klug und dezent, wie das leider selten zu finden ist, um einige versteckte moderne Bauten ergänzt. Dort sinkt man hinter großen Fenstern in hellen Zimmern in ein ausladendes Bett, und über allem liegt der metallische Sound der Zikaden.

Am nächsten Morgen, der mit einem warmen Wind die Hitze des kommenden Tages ankündigt, sieht man hohe Bäume und in der Ferne ein verschlafenes Dorf, das sich in die hügelige Landschaft duckt. Das Gelände der Quinta ist so weitläufig, dass man mitunter überhaupt niemandem begegnet, auch wenn alle acht Zimmer belegt sind. Die Ruhe in den Hügeln des Minho erscheint unendlich, es weht immer ein leichter Wind, und man hört nur Kirchenglocken, Vogelgezwitscher und ab und zu einen Hund, der in der Ferne bellt.

Frühstück mit Kamelie

Das Frühstück kann man mit Blick auf eine sehr ausladende, jahrhundertealte Kamelie einnehmen – oder unter brasilianischen Florettseidenbäumen, die sich rechtzeitig vor den Baumumarmern des 21. Jahrhunderts gewappnet und Dornen am Stamm ausgebildet haben. Es gibt neben Saft und Brötchen auch Käse und Goiabada, eine Art schnittfeste Guavenmarmelade, wie man sie in Brasilien gern isst. Im 18. Jahrhundert gab es im Minho, wie die nördlichste Region Portugals genannt wird, etliche Auswanderungswellen, vor allem nach Brasilien. Das hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt: Portugal ist das gelobte Land betuchter Einwanderer, die aus den Metropolen Brasiliens auf der Suche nach sozialem Frieden und der sicheren Sonnenseite des Lebens nach Europa fliehen.

Das Frühstück wird in einem Korb zu genau der Zeit auf der Terrasse serviert, die man mit dem Verwalter vereinbart hat. Dessen Mobilnummer ist die Hotline für Wünsche aller Art: Fahrräder, um die Gegend zu erkunden, Weinverkostungen, Restaurant- und Einkaufstipps. Die Zimmer und Cottages verfügen alle über kleine Küchenzeilen; fast alles, was einen auf den Märkten der Gegend anstrahlt, kann mit nach Hause genommen werden, außer den dort auch zu kaufenden lebenden Küken, was die Kinder sehr bedauern. Aber die kann man dafür zum Zitronenpflücken schicken; so gibt es selbstgemachte Limonade und Ablenkung direkt am Poolrand.

Die Quinta öffnet am 1. Juli wieder; lediglich die „honesty bar“ und das gemeinschaftliche Kaminzimmer sind den Maßnahmen gegen Covid-19 zum Opfer gefallen – es ist jetzt in ein weiteres Ferienhäuschen auf dem sieben Hektar großen Anwesen verwandelt worden. Von der Quinta aus kann man den Norden Portugals und Galizien im benachbarten Spanien erkunden, Santiago de Compostela ist zwei Fahrstunden entfernt, auch ein paar Strände sind in Reichweite. Guimarães ist nicht weit, hier soll die Wiege des ersten portugiesischen Königs gestanden haben. In Braga sind die älteste Kathedrale Portugals und eine der schönsten Barocktreppen der Welt zu besichtigen; den schönsten Blick Nordportugals hat man von der Kirche Santa Luzia, die auf einem Hügel über der Altstadt von Viana do Castelo thront. Die 90 000 Einwohner große Stadt ist keine 20 Minuten entfernt, man erreicht sie über die Eiffel-Brücke, die der französische Ingenieur Ende des 19. Jahrhunderts über den Rio Lima genietet hat. Auch die Hafenpromenade ist eine Zier – der portugiesische Pritzkerpreisträger Souto de Moura hat das dortige Kulturzentrum entworfen.

Aber genau genommen muss man die Quinta gar nicht verlassen, wenn man architektonische Perlen sucht: Die Architektin Paula Sousa Pinheiro, die aus der Gegend stammt, hat hier einen kleinen leisen Coup gelandet: Sie schafft es, die alten Mauern der Quinta im Vordergrund zu lassen und im Hof das Ensemble durch einen ebenso modernen wie zeitlos schlichten und damit zum Alten passenden Einbau zu ergänzen. Nackter Beton rückt plötzlich die steinalten Bäume der Quinta ins Licht, als wären sie Skulpturen: Korkeichen, Hunderte von Jahren alt, knorrig und gewunden wie die Landschaft.

FAZ.net


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