Ex-Wirecard-Chef Braun wegen mutmaßlicher Marktmanipulation festgenommen

  23 Juni 2020    Gelesen: 495
Ex-Wirecard-Chef Braun wegen mutmaßlicher Marktmanipulation festgenommen

Im Wirecard-Bilanzskandal ist der zurückgetretene Chef des Finanzdienstleisters, Markus Braun, wegen des Verdachts der Marktmanipulation festgenommen worden.

Braun habe sich am Montagabend bei der Staatsanwaltschaft München I gestellt, teilte diese am Dienstag mit. Er werde noch am Dienstag der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die über die Haftfortdauer entscheide. Braun war erst am Freitag im Skandal um fehlende 1,9 Milliarden Euro in der Unternehmensbilanz zurückgetreten.

Die Staatsanwaltschaft München I hatte nach eigenen Angaben bereits am Montag bei der zuständigen Ermittlungsrichterin des Amtsgerichtes München einen Haftbefehl gegen Braun beantragt und erhalten; der Ex-Unternehmenschef sei aus Wien angereist und habe sich der Staatsanwaltschaft gestellt. Braun ist gebürtiger Österreicher.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nach eigenen Angaben vor, zusammen mit weiteren mutmaßlichen Tätern die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen des Dax-Konzerns durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben. Ziel sei es gewesen, das Unternehmen finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver darzustellen.

Im Fokus der Ermittlungen stehen den Angaben zufolge angebliche Bankguthaben auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken in Höhe von mehr als 1,9 Milliarden Euro. Der Wirecard-Vorstand hatte in der Nacht zu Montag erklärt, dass dieses Guthaben wahrscheinlich gar nicht existiere. Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt Braun deshalb der unrichtigen Darstellung jeweils in Tateinheit mit Marktmanipulation in mehreren Fällen.

Der stellvertretende Linken-Fraktionschef Fabio De Masi begrüßte die Festnahme als "überfällig". De Masi forderte angesichts der jüngsten Entwicklungen im Wirecard-Skandal, die Finanzaufsicht in Deutschland "vom Kopf auf die Füße stellen". Auch personelle Konsequenzen an der Spitze der Aufsichtsbehörde Bafin seien zu prüfen, forderte De Masi.

Danyal Bayaz, Leiter des Grünen-Wirtschaftsbeirats und Mitglied im Finanzausschuss, forderte Konsequenzen aus dem Fall. "Sollten Wirecard und seine Spitze aktiv in einen Betrug verwickelt sein, müssen sowohl die Praxis der Wirtschaftsprüfung als auch mögliche Versäumnisse der Bafin auf den Prüfstand", erklärte er. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müssten sich hinterfragen, "ob eine bessere Regulierung diesen Scherbenhaufen hätte verhindern können".

Altmaier sagte dem Nachrichtenportal T-Online, "Wirecard ist verpflichtet aufzuklären und etwaige Missstände abzustellen". Es müsse ermittelt werden, "wie es dazu kommen konnte, dass sich offenbar Milliardenbeträge in Luft aufgelöst haben, oder möglicherweise nie da waren."

Zudem müsse herausgefunden werden, ob die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden - "oder ob jemand dafür auch juristisch zur Rechenschaft gezogen werden muss", sagte Altmaier weiter. Der Vorgang sei "alles andere als banal". Wegen des Bilanzskandals war am Montagabend auch der Wirecard-Vorstand Jan Marsalek vom Aufsichtsrat entlassen worden.

Wirecard stand seit seiner Gründung 1999 immer wieder im Zentrum von Aktienspekulationen. Im vorigen Jahr schrieb die britische "Financial Times" wiederholt über angeblich vorgetäuschte Umsätze und gefälschte Verträge bei Wirecard in Singapur. Wirecard wies die Anschuldigungen stets als verleumderisch zurück.

Wirecard war 1999 gegründet worden und konzentrierte sich schnell auf den Zahlungsverkehr im Internet. Seit September 2018 ist die Firma an der Börse, sie ersetzte damals im Deutschen Aktienindex die Commerzbank. Die Firma bekommt eine Provision dafür, dass sie Geld vom Endkunden an den Anbieter weiterleitet. Dabei übernimmt sie eine Garantie für Zahlungsausfälle.

AFP.com


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