AKK zu KSK: „lax“, „extremistisch“, „toxisch“ - Was die Regierung säte und nun erntet

  03 Juli 2020    Gelesen: 721
AKK zu KSK: „lax“, „extremistisch“, „toxisch“ - Was die Regierung säte und nun erntet

Das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) soll wegen rechtsextremistischer Vorfälle reformiert, die skandalträchtige 2. Kompanie aufgelöst werden. Was dort schiefgelaufen ist und welchen Einfluss die Politik auf diese Entwicklung hatte, erklärt ein einstiges Opfer rechtsradikaler Drohungen aus dem KSK – ein Ex-Bundeswehroffizier.

Zumindest in Teilbereichen habe sich das Kommando Spezialkräfte in den letzten Jahren verselbstständigt - „abgeleitet aus einem ungesunden Eliteverständnis einzelner Führungskräfte“, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch vor Journalisten. Dadurch seien im KSK Bereiche entstanden, in denen sich „toxic leadership“ (zu Deutsch: toxische Führung – Anm. d. Red.), extremistische Tendenzen sowie ein laxer Umgang mit Material und Munition entwickelten, „die in keiner Weise mit den geltenden Vorschriften der Bundeswehr im Einklang stehen, betonte die Ministerin. 

Keine Parlamentsarmee?
Die deutsche „Geisterarmee“, wie sie oftmals in den Medien bezeichnet wird, ist seit ihrer Gründung am 20. September 1996 hochumstritten. Bereits damals sorgte eine Aussage des Inspekteurs des Heeres Generalleutnant Helmut Willmann während der offiziellen Pressevorstellung des Kommandos in Calw für Irritationen. Eher zufällig erwähnte er, dass bei einem eventuellen Evakuierungseinsatz der Bundestag möglicherweise nicht rechtszeitig in Entscheidungen eingebunden werden könnte. Und das obwohl die Bundeswehr und damit das KSK eigentlich eine Parlamentsarmee ist. Eigentlich.

Im Jahr 1996 kam es in Calw zu Demonstrationen der Friedensbewegung gegen die Spezialeinheit des Heeres. Später wurde im Verlauf der Ostermärsche regelmäßig Kritik am KSK und seiner Ausrichtung laut. Federführend engagierte sich hier die „Tübinger Informationsstelle Militarisierung e.V.“ (IMI). Sie wurde gar als Reaktion auf die Aufstellung des KSK am selben Tag gegründet und stufte die Einheit als „undemokratisch“ sowie als Instrument für „weltweite deutsche Machtpolitik“ ein.

IMI-Gründer Tobias Pflüger sprach bereits damals der Eliteeinheit die Verfassungsmäßigkeit ab und fordert auch heute noch als Verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag die „Gesamtauflösung“ der Truppe: „Die Verteidigungsministerin drückt sich um den dringend notwendigen Schnitt. Die Enthüllungen über rechtsextreme Netzwerke der letzten Wochen haben gezeigt, dass das KSK nicht reformierbar ist“, so der Politiker.

Es sei ein „demokratiepolitischer Skandal“, dass diese Truppe von einer „totalen Geheimhaltung“ umgeben sei, sagt Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr Jürgen Rose im Sputnik-Interview. Sie sei der parlamentarischen Kontrolle weitestgehend entzogen.

„Es ist kein Teil der Parlamentsarmee der Bundeswehr. Sie ist praktisch eine Exekutive, zugespitzt eine Exekutionstruppe der Bundesregierung. Was dort gemacht wird, unterliegt der Willkür des jeweiligen Verteidigungsministers“, bemängelt der Militärexperte vom „Arbeitskreis Darmstädter Signal“.
Der Arbeitskreis versteht sich als „kritisches Sprachrohr“ der Soldaten und macht sich für friedenspolitische Haltungen in der Bundeswehr stark.

„KSK verfassungsfeindlich“

Eine solche Spezialtruppe sei mit einem entwickelten, demokratischen Staat unvereinbar, moniert Rose. Und das erweise sich zum wiederholten Mal: „Viele, viele Einzelfälle offenbarten eine Serie rechtsextremistischer, verfassungswidriger oder gar -feindlicher Aktivitäten innerhalb dieser Truppe.“

Jürgen Rose selbst blickt auf unangenehme persönliche Erfahrungen mit der Elitetruppe. Um genauer zu sein, mit dem KSK-Hauptmann Daniel K., der ihn in einer Hassmail bedroht habe, erinnert sich der ehemalige Offizier. „Der wurde eben nicht entlassen, obwohl der Wehrbeauftragte da interveniert hat, obwohl Bundestagsabgeordnete interveniert haben, obwohl kleine Anfragen im Bundestag dazu gestellt worden waren. Nein, der damalige Verteidigungsminister Franz-Joseph Jung hat das gedeckt - der damalige Generalinspekteur Hans-Otto Budde auch.“ K. sei gar zum Oberstleutnant befördert worden, empört sich Rose. „Er konnte zwölf Jahre lang sein Unwesen in dem Kommando treiben an herausgehobener Stelle und die Köpfe seiner Untergebenen vergiften mit seinem rechtsradikalen Gedankengut bis er dann endlich vom Dienst suspendiert wurde aufgrund seiner Aktivität im Bereich der Reichsbürger-Vereinigung.“

Wen haben wir da herangezogen?
Rose verweist zudem auf die nicht zeitgemäßen Vorstellungen von einem Bundeswehrsoldaten, die jedoch offenbar beim KSK Anwendung fanden. In seinem Artikel „Töten für Deutschland“ auf der Internetseite des „Freidenkerverbands“ zitiert er den Ex-KSK-Kommandeur Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel, der ein Motivationsprofil eines KSK-Soldaten beschreibe: „Wir wollen ihn bis an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit bringen, um zu sehen, ob er bereit ist weiterzumachen, wo andere aufhören. Ist er es nicht, schicken wir ihn heim. … Wir verlangen von dem Mann Dinge, die ihn schier wahnsinnig machen. … Er muss sich quälen können, teils bis zur Selbstaufgabe. Der Kopf aber muss Herr über den Körper bleiben. Er muss sagen: ‚Du machst weiter!’, selbst wenn das Blut in den Stiefeln steht. Den Satz ‚Ich gebe auf!’ gibt es nicht.“

Diese Anforderungen seien nicht mehr kompatibel mit dem Bild vom Staatsbürger in Uniform, betont der Oberstleutnant a.D. Rose.

„Was da gefordert wird, entspricht eher einem Postulat, das auch der ehemalige Inspekteur des deutschen Heeres, General Otto Budde, uns gegeben hat, als er den archaischen Kämpfer gefordert hat. Diese archaischen Kämpfer, diese Spezialkrieger, die wollen wir da offenbar heranziehen.“

Rose erinnert an einen politischen Skandal um Günzel – die sogenannte Hohmann-Affäre. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) versetzte den Brigadegeneral 2003 in den vorzeitigen Ruhestand, weil Günzel im Jahr 2003 eine anlässlich des Tags der Deutschen Einheit gehaltene antisemitische Rede des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann (damals CDU; heute AfD – Anm. d. Red.) in einem Brief gelobt hatte. Günzel bedankte sich bei Hohmann in dem Schreiben, welches auf Bundeswehr-Briefpapier verfasst wurde, für dessen „Mut zur Wahrheit“. Hohmann habe „der Mehrheit unseres Volkes eindeutig aus der Seele“ gesprochen, so der KSK-Kommandeur.

„Da zeigt sich wieder, wie der Fisch vom Kopf anfängt zu stinken - bis in die Führungsspitze des deutschen Heeres. Auch das hat der Generalinspekteur Budde gedeckt und Günzel konnte sein Unwesen treiben“, kritisiert der Militärexperte.

Zum Schutz der demokratischen Grundordnung
Rose fordert verstärkte Anstrengungen in der politischen Bildung, um dem Extremismusproblem Herr zu werden. Die Vorgesetzten seien dazu verpflichtet. „Da liegt der Hund begraben seit vielen Jahren und Jahrzehnten. Das wird eben nicht als Priorität in der Gruppe erkannt. Die Truppe geht davon aus, dass es viel, viel wichtiger ist, den Soldaten das Marschieren und Schießen beizubringen, als ihnen überhaupt zu erzählen, warum sie Soldat geworden sind.“ Dieses Problem habe sich mit der Umstellung auf eine Freiwilligenarmee noch weiter verstärkt, glaubt der Abrüstungsexperte. Eine Freiwilligenarmee ziehe, seiner Ansicht nach, vor allen Dingen Leute an, die „in ihren Denkstrukturen militäraffin“ seien. „Diesen Leuten muss man erklären, dass sie zum Schutz der demokratischen Grundordnung da sind. Dass der Soldat für die Sicherung des Friedens da ist - nicht um weltweit Krieg zu führen. Diese Dinge werden einfach viel zu wenig berücksichtigt. Und man sieht mit welchen desaströsen Konsequenzen. In der übrigen Bundeswehr, da muss man sich keine Illusionen machen, sieht es nicht wahnsinnig besser aus“, warnt der Ex-Soldat.

Gleichzeitig zeigt er sich über die Maßnahmen des Verteidigungsministeriums hinsichtlich einer Umstrukturierung der Elitetruppe erfreut. Es sei ein „deutliches Zeichen“ an den Bundeswehr-Verband und seine Angehörigen, „dass sie unter skrupulöser Beobachtung stehen“, kommentiert Rose.

„Jeder, der sich in dieses radikale rechtsextremistische Milieu begibt, muss ab sofort damit rechnen, dass aufgeklärt und rigoros durchgegriffen wird. Ich bin froh, dass die Politik da endlich aufgewacht ist. Es bedurfte offenbar erst der Ermordung eines CDU-Abgeordneten, des Regierungspräsidenten Walter Lübcke, bis endlich in der Republik und an den dafür zuständigen Stellen das Bewusstsein dafür entstanden ist, dass die Gefahr von rechts und nicht von Links kommt.“

Kramp-Karrenbauer kündigte am Mittwoch an, die KSK-Elitetruppe wegen einer Serie rechtsextremistischer Vorfälle radikal zu reformieren und die 2. Kompanie aufzulösen. Sie setzte ein Ultimatum: Wenn das Spezialkommando sich bis zum 31. Oktober nicht bessere, soll dieses gar komplett aufgelöst werden. Das Verteidigungsministerium hatte die Reformpläne bereits am Dienstag bekanntgegeben. Sie sehen die Einstellung aller Übungen und internationalen Kooperationen der Elitetruppe sowie den weitgehenden Abzug aus laufenden Einsätzen vor. Dem KSK soll zudem die Oberhoheit über die Ausbildung genommen werden.

sputniknews


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