Die Bestellungen zogen im Mai um 10,4 Prozent zum April an und damit so stark wie noch nie seit Beginn der Datenerhebung 1991, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Volkswirte hatten sogar mit einem Plus von 15,0 Prozent gerechnet, nach minus 26,2 Prozent im April. “Die jüngsten Daten zu den Auftragseingängen sprechen dafür, dass die Industrierezession ihren Tiefpunkt durchschritten hat”, erklärte das Ministerium. Das immer noch niedrige Niveau zeige aber auch, dass der Aufholprozess noch lange nicht abgeschlossen sei. “Die guten Daten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise längst noch nicht abgeschüttelt ist”, sagte auch Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank.
Im Vergleich zum Mai 2019 gab es gut 29 Prozent weniger Aufträge. Die Bestellungen lagen auch noch gut 30 Prozent unter dem Niveau von Februar 2020 - also dem Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland. “Die deutsche Industrie wird noch geraume Zeit an den Folgen des Virus knabbern”, betonte Gitzel. Dies zeigt der Blick auf die wichtige Autoindustrie: Von April auf Mai stiegen die Aufträge um 44,4 Prozent, lagen aber noch gut 47 Prozent niedriger als im Februar. Auch der Chefvolkswirt vom Bankhaus Lampe, Alexander Krüger warnte trotz der positiven Zahlen: “Zu beklatschen gibt es auch deshalb nichts, weil das Insolvenzrisiko hoch und die Zeichen neuer Infektionswellen weltweit derzeit zunehmen.”
IFO: JEDE FÜNFTE FIRMA SIEHT EXISTENZ WEGEN CORONA GEFÄHRDET
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, die Hälfte der Betriebe rechne “frühestens im nächsten Jahr mit einer Rückkehr zur geschäftlichen Normalität”. Ein gutes Fünftel der Unternehmen sieht einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge sogar sein Überleben durch die Krise gefährdet. Demnach bezeichneten 21 Prozent der Betriebe die Beeinträchtigungen durch Corona im Juni als existenzbedrohend. “In den kommenden Monaten könnte sich eine Insolvenzwelle anbahnen”, warnte Ifo-Forscher Stefan Sauer. Das betreffe vor allem die Dienstleister, von denen sich 27 Prozent als gefährdet eingestuft hätten. Im Handel seien es 18 Prozent, in der Industrie 17 Prozent und auf dem Bau nur 2 Prozent.
Besonders schwierig beurteilten Reisebüros und Reiseveranstalter die Lage, von denen 85 Prozent ihre Existenz bedroht sehen. Bei den Hotels seien es 76 Prozent und bei den Gaststätten 67 Prozent. Aber auch 55 Prozent der Kreativen, Künstler und Unterhalter sorgten sich um ihre Zukunft. Es folgten die Schifffahrt mit 50 Prozent und die Filmbranche mit 48 Prozent. In der Industrie sind es laut Ifo vor allem die Metallerzeuger und -bearbeiter, die sich zu 53 Prozent für gefährdet hielten. Es folgten die Textilhersteller (38 Prozent), das Druckgewerbe (28 Prozent), die Lederbranche (27 Prozent) und die Autohersteller und ihre Zulieferer (26 Prozent). Im Handel seien vor allem die Einzelhändler mit 21 Prozent betroffen, der Großhandel mit 15 Prozent weniger.
Die Industrie-Aufträge aus dem Inland kletterten im Mai um gut zwölf Prozent zum Vormonat und die Bestellungen aus dem Ausland um knapp neun Prozent. Dabei legten die Aufträge aus der Euro-Zone um fast 21 Prozent zu, während die aus dem restlichen Ausland nur um zwei Prozent zulegten. Der vergleichsweise geringe Zuwachs aus dem nichteuropäischen Ausland deute darauf hin, “dass das weltwirtschaftliche Umfeld zunächst schwierig bleibt”, erklärte das Wirtschaftsministerium.
Die Wirtschaft der Euro-Zone erholt sich weiter, steht aber nach Ansicht vieler Investoren noch auf wackligen Beinen. Die Investment-Beratungsfirma Sentix meldete den dritten Anstieg ihres Konjunktur-Barometers in Folge: Es kletterte im Juli um 6,6 Punkte auf minus 18,2 Zähler. “Dennoch scheint zu großer Optimismus fehl am Platze”, sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner zur Umfrage unter 1109 Anlegern.
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