Die BMW M GmbH hat es, Mercedes-AMG bietet sie an und jetzt will auch Hyundai mit einer Driving Experience die Potenz seiner N-Modelle für alle Interessierten auf dem Rundkurs unter Beweis stellen. Klar, die Range startet und endet momentan mit einem i30N. Das ist deutlich weniger, als die oben genannten Sportabteilungen der Premiumhersteller zu bieten haben, aber darum geht es auch gar nicht. Erstens wird dem i30N in absehbarer Zeit ein i20N folgen und warum könnte in Zukunft nicht auch ein Santa Fe oder Tucson mit N-Power fahren?
Fahrtraining im Hyundai i30N
Doch bis es so weit ist, reicht tatsächlich der i30N, der sich bereits zu seinem Marktstart im Jahr 2018 klar als Gegner des Golf GTI profilierte. Und das gilt nicht nur für die Leistungswerte, sondern auch für die ausgesprochen sportlich ausgelegten Fahreigenschaften. Nur zur Erinnerung: Unter der Haube arbeitet ein 2.0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit vergrößerten Turboladern. In der Einstiegsvariante leistet der 250 PS, mit dem Performance-Modell gibt es noch einmal 25 Pferdestärken obendrauf.
Bereits damals überraschte der i30N nicht nur mit einer beachtlichen Kraftentfaltung, sondern auch mit einer unglaublich präzisen Lenkung und einer enormen Kurvenstabilität. Technisch liegt das daran, dass die Servounterstützung nicht an der Lenksäule, sondern direkt am Lenkgetriebe platziert ist, was dazu führt, dass wesentlich höhere Kräfte übertragen werden können. Zudem reagiert die Lenkung schneller und gibt sich ungemein direkt in der Rückmeldung. Beim Performance-Modell kommt ein sogenanntes "N Corner Caving Differential" hinzu, das für eine optimale Kraftverteilung auf die Antriebsräder sorgt. Das Ergebnis: kaum Unter- oder Übersteuern in der Kurve.
Bilsterberg und Nürburgring
Aber das ist am Ende alles graue Theorie, wenn man es nicht selber ausprobiert hat. Und eben das soll die Hyundai Driving Experience der Kundschaft ab dem 20. Juli bieten. Zuerst auf dem Bilsterberg, einer der wohl anspruchvollsten Rennstrecken in Deutschland, und dann auch auf der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings. Während man zum Nürburgring wohl nichts mehr sagen muss, ist die Rennstrecke am Bilsterberg nicht jedem ein Begriff. Nur so viel: der Track ist 4,2 Kilometer lang, hat 19 Kurven und 26 Prozent Gefälle. Ja, meine Damen und Herren, da geht was.
Allerdings muss man die Enthusiasten mit dem schweren rechten Fuß an dieser Stelle etwas bremsen. Denn prinzipiell ist eine Driving Experience kein Rennstreckentraining. Klar gibt es auch die schnelle, je nach Leistungsvermögen sehr schnelle Runde über den Kurs, aber prinzipiell wirbt Hyundai-Deutschland-Chef Jürgen Keller natürlich auch damit, dass man "mehr Sicherheit und Spaß in den Straßenalltag bringen will". Und genau so sind die einzelnen Kurse auch aufgebaut. Die N-Experience ist für die Einsteiger, also für jene, die einen 275-PS-Boliden noch nie unter den Füßen hatten. Denn tatsächlich ist es schon etwas anderes, wenn man mal abseits der in Deutschland durchschnittlich gefahrenen 158 PS unterwegs ist.
Die "Agentenwende"
Aber da das Training auch immer mit Spaß verbunden sein soll, gibt es bereits in der N-Experience, die 99 Euro kostet und einen Tag dauert, dann auch so etwas wie "Auto-Akrobatik". Nein, da muss man nicht auf zwei Rädern fahren, aber man kann unter professioneller Anleitung das machen, was in einem Film wie "The Italian Job" pausenlos zu sehen ist: eine "Agentenwende". Und das ist mehr als Spaß: 275 PS im Rückwärtsgang eine bewässerte Schräge runterjagen, Gang raus, durch einen leichten Zug am Lenkrad nach rechts oder links den Wagen aufschaukeln und dann, durch eine folgende scharfe Gegenbewegung des Volants um 90 Grad, die Kiste um 180 Grad auf der Stelle drehen. Wer dabei keinen Spaß hat, dem ist echt nicht mehr zu helfen.
Im öffentlichen Verkehr empfiehlt sich ein solches Manöver eher nicht. Auf den Auto-Spielplätzen am Bilsterberg oder Nürburgring schon. Ebenso wie Bremsübungen, Slalomfahrten mit Zeitmessung oder auch nur das Trainieren des richtigen Fahrens im öffentlichen Verkehr - mit 275 PS wohlgemerkt. Denn, und hier hält es der Autor mit Till Wartenberg, dem Chef von Hyundai Motorsport: "Die Rennstrecke ist der beste Ort, um die Präzision zu trainieren, die es braucht, um jede Fahrsituation im Alltag zu meistern." Im Level-1-Kurs, der übrigens über anderthalb Tage geht, gibt es dann auch mehr. Neben der theoretischen Einführung in die Fahrdynamik, die es übrigens bei den folgenden Bremsübungen in Kurven, verbunden mit Spurwechseln und schnellen Ausweichmanövern, auch braucht. Und, ja, hier gibt es dann auch die ersten geführten Runden auf dem Treck. Wohl eines der eindringlichsten Erlebnisse der Driving Experience.
Die Ideallinie der Rennstrecke
Nirgendwo auf öffentlichen Straßen hat man, selbst wenn die Kurven noch so schön sind, die Möglichkeit die Ideallinie zu fahren. Die ist ausschließlich der schnellen Runde auf der Rennstrecke vorbehalten. Und dabei braucht es hier nicht mal die im i30N mögliche Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h. In der sogenannten Mutkurve am Bilsterberg reichen am Anfang 140 km/h, um zu spüren, wie die physikalischen Kräfte auf Mensch und Auto wirken. In der "Mausefalle" geht es in einer nicht einsehbaren Linkskurve bergab und am Kurvenausgang ebenso steil hinauf. Da wird der eine oder andere schon merken, wie es ihm in die Magengrube fährt. Natürlich ist hier mit den 99 Euro des Einstiegskurses kein Blumentopf zu gewinnen. Für dieses Vergnügen braucht es den Kurs Level 1. Aber selbst der ist mit 529 Euro pro Person inklusive Übernachtung und Frühstück ein Schnäppchen.
Das mag sich nach viel Geld anhören, ist es aber im Vergleich mit ähnlichen von den Premiumherstellern angebotenen Veranstaltungen nicht. Bei denen kann man für so eine anderthalb Tage dauernde Veranstaltung schon noch mal 300 Euro draufrechnen. Die gilt es dann auch bei dem zweieinhalb Tage dauernden Level-2-Kurs bei Hyundai zu berappen. Dieses Training ist dann noch angereichert mit Doppelspurwechsel, Sektionstraining und den schon erwähnten schnellen Runden auf der Rennstrecke. Allerdings muss hier wohl der Nachweis erbracht werden, dass man bereits Level 1 erfolgreich absolviert hat. Eingepreist ist bereits die Übernachtung mit Frühstück in einem 4-Sterne-Hotel.
Die Kunden "emotionalisieren"
Die Idee für die Hyundai Driving Experience stammt übrigens unter anderen von Thomas Schemera. Einigen sagt der Name vielleicht etwas. Richtig, der Mann kommt von BMW und war, bevor er Leiter der "High Performance Vehicle" bei Hyundai wurde, Leiter von BMW M und BMW Individual für den nordamerikanischen Markt. Da ist es kein Wunder, dass der Mann das, was bereits 2016 im koreanischen Namyang nahe dem Entwicklungszentrum von Hyundai für die Kunden eingeführt wurde, jetzt globalisieren will. Gerade in Deutschland dürfte das Konzept auf fruchtbaren Boden stoßen. Denn 23 Prozent aller seit 2017 verkauften i30 sind N-Modelle.
"Mit der Hyundai Driving Experience gehen wir den nächsten Schritt, um unsere Marke für die Kunden weiter zu emotionalisieren", so Schemera. Und deshalb ist in Deutschland noch nicht Schluss. Auch in Frankreich, England, Italien und Spanien will man das Programm in Zukunft anbieten. Anschließend folgen die USA und, wie könnte es anders sein, China. Nun wäre es aber falsch zu glauben, Hyundai hätte bei dem Krach der 275 PS den Ruf der Zeit nach einer neuen Art der Mobilität überhört. Im Rahmen der Driving Experience wird nämlich auch ein E-Experience Training angeboten.
Auch was für Freunde der E-Mobilität
Und wie der Name schon sagt, geht es hier um die emotionalisierte Fahrt im Elektroauto. Im Speziellen stehen hier der Kona Elektro und der Ioniq Plug-in-Hybrid für den Fahrspaß bereit. Neben einer Einweisung in die Fahrzeuge gibt es für 99 Euro ein Experten-Tutorial, Fahren im öffentlichen Verkehr, Bremsen und Ausweichen und Slalom-Fahrten auf Zeit. Ja, auch einen Kona kann man dynamisch bewegen. Auch wenn diese Gangart nicht die ihm angestammte ist. Was richtig deutlich wird, wenn man i30N und Kona nacheinander fährt.
Aber irgendwann werden sich die zwei Welten treffen. Ob der Sportwagen dann mit einem Super-Akku 1000 Kilometer fährt und der in drei Minuten geladen ist oder eine Brennstoffzelle für den Vortrieb sorgt, wird die Zeit zeigen. Schön wäre halt nur, wenn die Mobilität, wenn diese mit dem Automobil geschaffene Symbiose zwischen Mensch und Maschine, sich etwas von den Emotionen bewahren könnte, die sie über Jahrzehnte auf und teilweise auch abseits der Rennstrecken dieser Welt tonal aus den Endrohren entlassen hat.
Quelle: ntv.de
Tags: