Die Corona-Krise gibt stärkere Impulse für Digitalisierung als für Nachhaltigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung, des TUM Campus Heilbronn und des "Münchner Kreis". Die Erhebung ist den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Arbeitswelt nachgegangen, mehr als 200 Experten wurden dazu befragt.
Einig sind sich die Befragten darin, dass die digitale Transformation in Unternehmen durch die Krise beschleunigt wird. Ebenso erwarten sie dauerhafte Veränderungen für einige Branchen und Betriebsabläufe. Aktuelle Tendenzen hin zu mehr Nachhaltigkeit seien aber nur vorübergehender Natur, hieß es weiter.
Nur 17 Prozent der Experten erwarten demnach, dass die Menschen auch nach Überwindung der Krise einem nachhaltigeren Lebensstil folgen. Mit einem geringeren Verkehrsaufkommen rechnen gerade einmal 13 Prozent, mit einem Andauern der Stadtflucht lediglich 9 Prozent. Entschleunigung und solidarische Unterstützung sehen nur 22 Prozent beziehungsweise 30 Prozent als dauerhafte Erscheinungen.
Gleiches gilt übrigens für die staatlichen Eingriffe: Trotz der massiven Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung prognostiziert nur knapp ein Viertel der Befragten eine langfristig höhere Regulierung. An eine veränderte Wirtschaftsordnung glaubt ebenfalls nur eine Minderheit von 23 Prozent.
Digitales Arbeiten wird zur Regel
"Es ist auffällig, dass die Befragten die Corona-bedingten Entwicklungen hin zu mehr Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag offenbar eher als ein Strohfeuer und weniger als fortbestehendes Umdenken werten", sagt Ole Wintermann, Arbeitsexperte der Bertelsmann Stiftung. Es werde viel davon abhängen, ob wirtschaftliche und politische Entscheider das Nachhaltigkeitspotenzial des digitalen Arbeitens erkannt haben und entsprechende Initiativen künftig fördern.
Dass die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten oder ausgebauten digitalen Anwendungen die Arbeitswelt langfristig verändern werden, darin stimmen die Experten überein. 92 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass die Krise die digitale Transformation in Unternehmen beschleunigen wird.
Vor allem digitale Dienstleistungen und Kundenkommunikationskanäle sowie Arbeitsmodelle außerhalb des Büros werden ihrer Einschätzung zufolge auch nach der Pandemie verstärkt zum Einsatz kommen. Bis zu 85 Prozent der Befragten erwarten, dass mobiles Arbeiten und digitale Konferenzen zur Regel werden. Die Ausübung des Berufs erfolge nicht nur digitaler, sondern auch räumlich und zeitlich flexibler, so die dominierende Auffassung. Zudem sind sie überwiegend der Meinung, dass im Homeoffice mehr gearbeitet werde als im Büro.
Helmut Krcmar, Gründungsdekan des TUM Campus Heilbronn und Co-Autor der Studie, appelliert an die Unternehmen, jetzt die Weichen für die Zeit nach Corona zu stellen: "Viele Tendenzen, die wir derzeit in den Betrieben erleben, werden auch nach dem Abflachen der akuten Krisensituation Bestand haben. Vor allem der Trend zum Arbeiten außerhalb des Büros wird die zukünftige Organisation von Arbeitsprozessen erheblich verändern. Das bedeutet besonders für traditionelle und hierarchisch aufgestellte Unternehmen eine riesige Umstellung, speziell was die Mitarbeiterführung betrifft."
Auto-Industrie zählt zu den Verlierern
"Der Erfolgsfaktor Digitalisierung bekommt in der Corona-Situation und darüber hinaus noch mehr Gewicht", ergänzt Wintermann. "In vielen Organisationen werden wir ganz neue und vielfältige Konzepte erleben, in denen Präsenzzeiten und mobiles Arbeiten im Idealfall fließend ineinandergreifen. Unternehmen, die vor der Krise noch keine digitale Arbeits- und Vertrauenskultur aufgebaut haben, drohen nun weiter zurückzufallen." Insbesondere die nicht-produzierenden Gewerbe hätten momentan große Herausforderungen zu bewältigen, da sie in kürzester Zeit Arbeitsabläufe digitalisieren müssten, so der Experte der Bertelsmann Stiftung.
Ein recht eindeutiges Bild gibt es bei der Einschätzung, welche Wirtschaftsbereiche von der Covid-19-Krise auf lange Sicht profitieren. Als klaren Gewinner sehen 98 Prozent der Befragten die Telekommunikations- und IT-Branche. Mit 94 Prozent gehen die Befragten zudem beinahe einstimmig von positiven Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen sowie die Chemie- und Pharmaindustrie aus. Zu den langfristigen Verlierern zählen sie neben Tourismus, Gastronomie und Luftfahrt auch die Automobilindustrie.
Quelle: ntv.de, jga
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