Erste Länder haben bereits Interesse an Russlands Corona-Impfstoff "Sputnik V" bekundet - dem ersten zugelassenen weltweit. Der brasilianische Bundesstaat Paraná kündigte an, ein Abkommen mit Russland zu schließen, um den Impfstoff selbst zu produzieren. Der Vertrag dazu solle im Laufe des Tages unterschrieben werden, sagte Jorge Callado, Präsident des federführenden Technologie-Instituts Tecpar in Curitiba, im brasilianischen Fernsehen.
Die Impfung soll voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 verfügbar sein. "Wir werden in Etappen arbeiten", sagte der russische Konsul in Curitiba, Acef Said. "Die technisch-wissenschaftliche Kooperation öffnet die Möglichkeit, Impfstoff-Tests zu machen und die Impfung hier für die brasilianische Bevölkerung zu produzieren."
Die Kooperation war nach einem Medienbericht schon im Juli Thema von Gesprächen zwischen dem russischen Botschafter in Brasilien, Sergey Akopov, und dem Gouverneur des Paraná, Carlos Roberto Massa Júnior, gewesen. Auch die brasilianische Regierung und der Bundesstaat São Paulo haben Abkommen mit Unternehmen (Astrazeneca, Sinovac), die Impfstoff-Tests in Brasilien durchführen und Zugang zu einer eventuellen Impfung für die brasilianische Bevölkerung ermöglichen.
Offiziell hieß es vom Gesundheitsministerium, man verfolge aufmerksam alle Impfstoffe in der Entwicklung. Hinter vorgehaltener Hand geben sich Beamte nach einem brasilianischen Medienbericht im Hinblick auf "Sputnik V" zurückhaltender. Nach der mit einer immensen Korruption verbundenen Beschaffung von Atemgeräten wird nun ein Ansturm der Bundesstaaten auf den Impfstoff befürchtet - ohne Garantie für deren Wirksamkeit.
Anfragen für mehr als Milliarde Dosen
Der Chef des russischen Investmentfonds, Kirill Dmitrijew, sagte: "Wir sind offen für eine internationale Zusammenarbeit." Nach seinen Angaben haben mehrere Länder Interesse bekundet, den Impfstoff selbst zu produzieren. Er nannte außer Brasilien die Philippinen und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit diesen Ländern arbeite Russland zusammen, sagte er russischen Medien zufolge. Nach russischen Angaben haben schon mehr als 20 Länder Interesse angemeldet. Es gebe darüber hinaus auch Interesse aus dem Ausland, an der dritten und damit entscheidenden Testphase für eine mögliche Zulassung teilzunehmen. Die neue Testphase sollte mit der Zulassung des Impfstoffes beginnen.
Russland habe bereits international Anfragen für mehr als eine Milliarde Dosen erhalten. Der vom Kreml gegründete Fonds finanziert die Produktion und Entwicklung des Impfstoffs. Auch Israel teilte mit, grundsätzlich an "Sputnik V" interessiert zu sein. Es gebe bereits Beratungen über den neuen Impfstoff, hatte der israelische Gesundheitsminister Juli Edelstein am Dienstag gesagt.
Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Zulassung des Impfstoffs zur breiten Verwendung in der Bevölkerung bekannt gegeben. Sie erfolgte damit vor dem Vorliegen der Ergebnisse großer klinischer Studien - ein Vorgehen, das dem international üblichen Ablauf widerspricht. Weder die Wirksamkeit noch die Nebenwirkungen lassen sich derzeit fundiert beurteilen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO reagierte zurückhaltend. Die WHO sei sich bewusst, dass Russland ein Vakzin registriert habe, und begrüße alle Fortschritte bei der Forschung und Entwicklung zu Covid-19-Impfstoffen, teilte das WHO-Regionalbüro Europa auf Anfrage mit. Zugleich wies das Büro darauf hin, dass die beschleunigte Impfstoffforschung in jedem Entwicklungsschritt gemäß bewährter Prozesse vonstattengehen sollte.
Trump prahlt mit eigenem Impfstoff
Derweil versprach US-Präsident Donald Trump dem amerikanischen Volk schnelle Fortschritte bei der Entwicklung eines eigenen Impfstoffes. "Wir sind auf dem besten Weg, schnell 100 Millionen Dosen zu produzieren, sobald der Impfstoff zugelassen ist, und kurz danach bis zu 500 Millionen", sagte Trump im Weißen Haus. Mehrere aussichtsreiche Stoffe seien in der letzten Erprobungsphase und stünden vor einer Zulassung.
Der Name für den russischen Impfstoff "Sputnik V" soll an den ersten Satelliten im All erinnern, den die Sowjetunion 1957 vor den USA gestartet hatte. Der Impfstoff wurde vom staatlichen Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt. Erst wenige Menschen haben ihn im Rahmen einer Studie erhalten. Der Chef des russischen Investmentfonds hatte erklärt, die Phase-III-Studie solle nun beginnen. Zehntausende Freiwillige sollen demnach innerhalb eines Monats geimpft werden. Massenimpfungen in der Bevölkerung seien dann für den Herbst geplant, hieß es. Zugleich schaltete der Fonds zu seinem Impfstoff eine eigene Internetseite mit Informationen frei - in insgesamt sieben Sprachen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, erklärte, es sei ein "hochriskantes Experiment am Menschen", wenn ein Impfstoff wie der in Russland ohne entscheidende dritte Testphase zugelassen werde. "Es ist unverantwortlich, ganze Bevölkerungsgruppen bereits in diesem Stadium der Entwicklung zu impfen", sagte er der "Rheinischen Post".
Laut einer Liste der Weltgesundheitsorganisation vom Montag werden derzeit sechs andere Impfstoff-Kandidaten in einer Phase-III-Studie getestet. Nur ein gut wirksamer Impfstoff kann Experten zufolge eine rasche deutliche Wende in der Corona-Pandemie bringen, ohne dass strenge Lockdown-Regeln nötig sind.
Quelle: ntv.de, ara/dpa
Tags: