Ist er an? Schwer zu sagen, vielleicht einfach mal probieren. Ja, ein leichter Tritt aufs Gaspedal setzt den neuen VW Golf GTE sanft und nahezu lautlos in Bewegung. Nur ein fremdartiges Brummen dringt leise an des Fahrers Ohr - es ist aber eigentlich nicht für ihn gedacht, sondern soll Fußgänger darauf aufmerksam machen, dass sich ein Elektrofahrzeug nähert. Moment mal, Elektrofahrzeug, ist das nicht der VW ID.3?
Ja und nein. Vom ID.3 ist dieser Tage viel die Rede, doch kann VW natürlich nicht auf die Milliardenumsätze mit dem Golf verzichten. Und so versucht man, das langjährige Brot-und-Butter-Modell zum Besten aus beiden Welten zu machen und startet für den Golf eine Elektrifizierungs-Offensive.
Der erste GTE war halbherzig
Ein Plug-in-Hybridmodell unter dem Namen Golf GTE gab es schon in der Vorgängergeneration, doch war es vielleicht etwas halbherzig geraten: zu wenig sportlich, um die Buchstabenkombination GT mit Stolz zu tragen, außerdem mit zu wenig Reichweite ausgestattet, um die Menschen wirklich vom Segen des elektrischen Fahrens zu begeistern.
Denn das ist ja der Sinn des Plug-in-Hybriden. Man fährt ihn im Alltag, etwa auf dem Weg zur Arbeit, so konsequent wie möglich mit dem Strom der Batterie und erst auf wirklich großer Fahrt lässt man den Benzinmotor mithelfen. Um diesen automobilen Spagat glaubwürdiger als zuvor zu bewältigen, haben sich die Ingenieure für ein größeres Akkupaket entschieden: 13 Kilowattstunden Kapazität stehen den 8,7 kWh des Vorgängers gegenüber und damit gibt VW nun eine elektrische Reichweite von 62 statt bisher 47 Kilometern an.
Wie groß dieser Wert im Alltag sein wird, müssen ausführlichere Tests zeigen, doch bei einer ersten Probefahrt beeindruckte der fast 42.000 Euro teure Golf GTE immerhin mit sehr konsequenter Nutzung des elektrischen Antriebs. Selbst bei zügiger Beschleunigung bis auf 140 km/h schaltete sich der 1,4-Liter-Benzinmotor nicht dazu, denn die neue E-Maschine kommt bei 330 Newtonmetern Drehmoment und 80 Kilowatt (110 PS) Spitzenleistung ganz gut allein zurecht mit dem Auto. Erst wenn der Fahrer einen im Gaspedal fühlbaren Widerstand überwindet, ist der Vierzylinder ruckfrei zur Stelle und wirft weitere 150 PS und 250 Newtonmeter in die Waagschale.
Die Mathematik des Hybridantriebs
Die spezielle Mathematik der Hybridantriebsentwicklung verbietet leider die simple Addition der Leistungswerte, aber die sogenannte Systemleistung im Golf GTE beträgt immerhin 245 PS - VW weist gern darauf hin, dass der aktuelle Golf GTI auch nicht mehr zu bieten hat. Beim Drehmoment übertrifft der GTE den GTI sogar um 30 Newtonmeter. Er hat es aber auch mit 185 Kilogramm mehr Gewicht zu tun, wovon allein 135 Kilo auf das Konto der Akkus gehen.
Trotz dieses Gewichtsnachteils ist der neue Golf GTE ein beeindruckender Plug-in-Hybrid, der sich auf längeren Fahrten nicht nur sportlich, sondern auch sehr vernünftig verhalten kann. Wenn die Elektronik den Kraftfluss regelt und jederzeit geschmeidig zwischen den verschiedenen Fahrmodi wechselt. Wenn dank der Daten aus dem Navigationssystem der Fahrer ermahnt wird, vor tempolimitierten Abschnitten vom Gas zu gehen. Wenn der Grad der Rekuperation, also der Rückgewinnung von Energie beim Abbremsen und Ausrollen, an Verkehrszeichen (zum Beispiel Ortsschilder) angepasst wird - in all diesen Situationen erkennt man, dass es beim Plug-in-Hybrid eben nicht nur um Fahrspaß geht, sondern auch um größtmögliche Effizienz.
Golf eHybrid besser als der GTE?
Wer diese Seite der Benzin-Elektro-Mischtechnik stärker ausleben möchte, der kommt mit dem ebenfalls neuen VW Golf eHybrid möglicherweise noch besser klar. Dieses Modell kostet knapp 2000 Euro weniger als der GTE, trägt aber dieselben Motoren unter der Haube. Dank anderer Software-Auslegung drückt hier die E-Maschine nicht so sehr auf die Tube. Insgesamt stehen "nur" 204 PS und 350 Newtonmeter zur Verfügung, was den Golf eHybrid immer noch zu einem recht agilen Fahrzeug macht, dem dank des etwas geringeren Leistungsabrufs sogar 80 Kilometer Elektro-Reichweite zur Verfügung stehen.
Das ist stattlich, dennoch fordert der Einsatz eines Plug-in-Hybriden vom Besitzer eine gewisse Konsequenz: Der Wagen muss häufig nachgeladen werden, um seine Vorteile auch ausspielen zu können, sonst wäre er einfach nur ein sehr teurer Vollhybrid, der rein elektrisch nichts Nennenswertes zu bieten hat. Also sollten GTE-Besitzer und auch künftige Eigner eines Golf eHybrid in der Lage sein, auch mal drei Stunden und 40 Minuten ohne das Auto auszukommen - so lange dauert es, die Akkupakete vollständig zu laden, sofern man eine Wallbox mit 3,6 Kilowatt Leistung installiert hat. An der normalen Steckdose beträgt die Ladedauer fünf Stunden.
Für Ladefaule gibt es den Mildhybrid
Weil das Hantieren mit Ladekabel und Steckdose nicht jedermanns Sache ist (und weil Plug-in-Autos so teuer sind), hat VW für den Golf auch noch drei sogenannte Mildhybrid-Varianten im Programm, mit Leistungen von 110 PS, 131 PS und 150 PS. Sie alle fahren allein mit Benzinmotoren, aber es hilft ihnen ein integrierter Riemen-Startergenerator. Das ist ein kleiner Elektromotor, der die Funktionen von Anlasser und Lichtmaschine ersetzt. Der 48-Volt-Motor speist also das 12-Volt-Bordnetz, startet den Benzinmotor und - das macht ihn so interessant - hat auch noch die Kraft, das Auto beim Anfahren zu unterstützen.
Damit überbrückt der Golf eTSI elegant das sogenannte Turboloch, also die leichte Anfahrschwäche, die entsteht, weil ein Turbolader immer eine kurze Zeit braucht, um auf Touren zu kommen. Überdies verhilft der Startergenerator dem Golf eTSI zum Segeln, er schaltet also bei gleichmäßig entspannter Fahrt für kurze Zeit den Motor automatisch ab und weckt ihn ebenfalls automatisch auf, wenn der Fahrer wieder Leistung braucht - man bemerkt das gar nicht, höchstens vielleicht an der Tankstelle. Der Normverbrauch des stärksten eTSI mit 150 PS liegt laut VW um etwa zehn Prozent unter dem eines vergleichbaren Modells ohne das kleine "e" im Namen.
Für eine erste Probefahrt stand der mit knapp 27.000 Euro günstigste eTSI zur Verfügung, angetrieben von einem 1,0-Liter- Dreizylinder, der eine entsprechend knurrige Geräuschkulisse lieferte. Wie alle elektrifizierten Modelle ist auch der eTSI mit einem Doppelkupplungsgetriebe ausgestattet, und der Riemen-Startergenerator harmoniert mit dieser Art der Kraftübertragung: Der VW Golf eTSI kommt sehr gut aus den Startlöchern.
Nicht übermäßig sportlich, aber doch souverän macht er das, und er gibt dem Fahrer dabei das Gefühl, einen guten Fahrstil entwickelt zu haben. Vielleicht wird dem Menschen hinterm Steuer später sogar klar, dass er hier ja mit 110 PS unterwegs ist - die magische Leistung des allerersten GTI. Was 1976 die Krone der (Golf-)Schöpfung darstellte, ist heute immerhin noch gut für 202 km/h und ein lässig-gönnerhaftes Gesamturteil: Ja, damit kann man leben.
Quelle: ntv.de, Stefan Anker, spx
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