Die Welt brennt und keiner schaut hin

  04 September 2020    Gelesen: 563
  Die Welt brennt und keiner schaut hin

Die Corona-Pandemie überlagert gerade vieles andere. So lässt es sich vielleicht erklären, warum vor Monaten das Entsetzen über die verheerenden Buschbrände in Australien groß war, jetzt aber niemand hinschaut. Dabei brennen sogar Gebiete, in denen es bis vor Kurzem als unmöglich galt.

Die diesjährige Brandsaison der Nordhalbkugel hat zwar gerade erst begonnen, trotzdem wüten in vielen Regionen der Welt schon seit Wochen verheerende Brände. Neben typischen Brandgebieten wie Savannen in Afrika oder dem US-Bundesstaat Kalifornien, sind auch Wälder betroffen, in denen Brände vorher nicht möglich waren. Dazu gehören das eigentlich zu kalte Sibirien und die feuchten südamerikanischen Tropenwälder. Und der Trend wird sich fortsetzen, sagen Experten. Auch in Deutschland drohen Brände in ungewöhnlichen Gebieten.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom spricht bereits von "historischen Waldbränden" in diesem Jahr. Dabei liegen noch gut drei Monate Brandsaison vor ihnen. Doch schon jetzt sind mehr als 5000 Quadratkilometer in dem US-Staat verbrannt. Das ist etwa eine Fläche mehr als sechsmal so groß wie New York City. Mehrere Menschen starben seit Ausbruch der Feuer bereits, Zehntausende mussten ihre Häuser verlassen. Feuerwehrleute kämpfen seit Wochen gegen die Flammen und sind am Ende ihrer Kräfte, sagt Einsatzleiter Jake Hess.

Neu sind die Waldbrände in Kalifornien nicht, sagt Waldbrand-Experte Alexander Held vom European Forest Institute ntv.de. Ungewöhnlich sei jedoch der Zeitpunkt des Ausbruchs. Der verschiebe sich im Jahr immer weiter nach vorne und starte schon vor der eigentlichen Saison, sagt Held. Ausgelöst wurden die Feuer durch einschlagende Blitze, ein für die Region nicht untypisches Phänomen. Tatsächlich habe in Kalifornien in der Vergangenheit schon mehr Fläche gebrannt.

Brände in Sibirien extrem "beunruhigend"

Auch die Brände im brasilianischen Amazonas-Regenwald erreichen im August ihren zweithöchsten Wert in zehn Jahren. Das geht aus Auswertungen von Satellitendaten der brasilianischen Weltraumagentur Inpe hervor. Diese Brände seien jedoch nicht auf das Klima, sondern auf den Menschen zurückzuführen, sagt Biologe Pierre Ibisch von der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung ntv.de. Auslöser für die Brände sind oft illegale Rodungen, um neue Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. "Es ist kein Zufall, dass sehr viele Feuer entlang von Straßen entfachen", sagt Ibisch. "Das geht schon seit Jahrzehnten so". Ein anderer durch den Menschen verursachter Brandbeschleuniger sind Monokulturen. Eukalyptusplantagen führen dazu, dass die Feuer ein leichteres Spiel haben.

Entscheidend sei zudem nicht die Anzahl der Brände oder wie viel Fläche abgebrannt ist, sondern wann die Wälder brennen und mit welcher Intensität, sagt Waldbrand-Experte Held. Das sei aussagekräftiger um Folgeschäden bewerten zu können. Lodern die Feuer früh in der Saison, wo noch alles grün und feucht ist, richten sie weniger Schaden an. Brennt es dagegen am Ende der Trockenzeit, werden die Feuer sehr heiß und intensiv. Eine große Anzahl von Bränden sei zwar ein Alarmzeichen, liefert aber keine zuverlässigen Daten, da sie auch saisonale Schwankungen sein können, sagt Held.

Dazu kommt auch ein neues Phänomen: Gebiete, die früher nicht brennbar waren, stehen heute in Flammen. Schuld ist der Klimawandel. "Die Wärme zieht immer weiter nördlich", sagt Held. Das passiert bereits in Sibirien: Mit Spitzenwerten von 38 Grad erlebt die Stadt Werchojansk in Jakutien, die als einer der kältesten bewohnten Orte der Welt gilt, im Juni einen beispiellosen Stresstest. Die Folge: Permafrostböden tauen rasant und entlassen tonnenweise klimaschädliches CO2 und Methan. Dadurch erhitzen sich die Regionen noch mehr und die Feuchtigkeit verschwindet. Auch Biologe Ibisch nennt die Entwicklungen in der arktischen Tundra "beunruhigend". Durch die Hitze und Trockenheit brennen nicht nur Bäume, sondern auch die oberste Bodenschicht, die reich an Kohlenstoff ist. "Natürlich hat es in Sibirien schon immer gebrannt. Aber nicht in den Bereichen, wo es jetzt brennt", sagt Held.

Katastrophale Feuer werden weiter zunehmen

Das sehe man auch in Deutschland: Waldbrände treten nicht mehr nur in Brandenburg auf, wo es schon immer warm und trocken war. Auch in anderen Regionen wie Hessen oder im Schwarzwald nehmen die Feuer zu. Dazu kommen noch Monokulturen in Form von Nadelbäumen. Blitze können wie auch in Kalifornien schneller Feuer entfachen, wenn die Wälder und Böden ausgetrocknet sind, sagt Ibisch. Das führe auch zu einem Wandel der Ökosysteme. Kalifornien und Australien zählen zu den feuerangepassten Ökosystemen. Zwar werden sie durch die vielen Brände erheblich geschädigt, kommen mit Feuer im Grunde aber klar, sagt Held. Savannen in Afrika sind sogar feuerabhängige Systeme, da sie nur stabil bleiben, wenn es regelmäßig brennt.

In Regionen, die nicht an Feuer angepasst sind, treten durch die Häufigkeit und Intensität neuer Brände dagegen Veränderungen des Systems auf. Langlebige Organismen wie Bäume können dann von anderen schneller anpassungsfähigen Arten ersetzt werden, erklärt Ibisch. Bestimmte Gebiete, wie beispielsweise ein Buchenwald in Mitteleuropa oder Tropenwälder in Brasilien, mussten sich Millionen von Jahren nicht auf solche Feuer vorbereiten. Deshalb sei noch völlig unklar, wie die Wälder nach der Störung zurückkommen werden, sagt Held.

Held befürchtet, dass sich der Trend fortsetzen werde. Die Messreihen der letzten hundert Jahre zeigen, dass die Temperaturen immer weiter steigen. Das führe zu einer geringeren Luftfeuchtigkeit, was sowohl extremen Niederschlag als auch extreme Trockenheit bewirke - ideale Voraussetzungen für mehr Brände. "Verstärkt auftreten werden katastrophale Feuer, die unter Umständen viel mehr Menschenleben kosten", prophezeit Held. Auch in Gebieten, die zuvor als "unbrennbar" galten.

Quelle: ntv.de


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