Hausschwein-Infektion wäre fatal

  14 September 2020    Gelesen: 894
Hausschwein-Infektion wäre fatal

Die Afrikanische Schweinepest erreicht Deutschland. In Brandenburg wurde vergangene Woche ein infiziertes Wildschwein gefunden. Wie wird die Tierseuche jetzt bekämpft? Und was passiert, wenn sich auch Hausschweine infizieren?

Ein Wildschweinkadaver auf einem Maisfeld im Brandenburger Spree-Neiße-Kreis schreibt deutschlandweit Schlagzeilen. Das tote Tier nahe der polnischen Grenze trägt die Afrikanische Schweinepest in sich. Für den Menschen ist die Tierseuche ungefährlich, selbst wenn wir kontaminiertes Fleisch essen. Für Schweine aller Art ist das Virus aber in den allermeisten Fällen tödlich. Genauso wie bei der Klassischen Schweinepest, erklärt Paul Becher, Direktor des Instituts für Virologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt": "Das sind zwei sehr unterschiedliche Erreger. Es sind beides Viren, aber nicht miteinander verwandt. Beide haben aber gemeinsam, dass sie eine sehr ähnliche Krankheit im Schwein auslösen."

Übertragen wird das Virus über alle möglichen Körperflüssigkeiten. Am effektivsten über Blut, da reichen bereits kleinste Tropfen. Auch verwesende Kadaver sind ansteckend - deshalb besteht die Sorge, dass sich an dem infizierten Wildschwein in Brandenburg schon viele andere Wildschweine angesteckt haben könnten.

Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, hat das Landwirtschaftsministerium in Brandenburg in Absprache mit dem Bund verschiedene Maßnahmen verkündet. In einem Drei-Kilometer-Radius rund um den Fundort nahe der polnischen Grenze wurde eine Sperrzone mit Elektrozaun errichtet. In einem Radius von 15 Kilometern gelten weitere Einschränkungen, zum Beispiel gibt es ein striktes Jagdverbot für alle Tierarten, um "kein Schwarzwild aufzuschrecken", wie Brandenburgs Umweltministerin Ursula Nonnemacher erklärt hat. Außerdem dürfen keine Maisfelder abgeerntet werden, weil sich Wildschweine dort gerne aufhalten und nicht unnötig aufgeschreckt werden sollen. "Mich persönlich hat es nicht überrascht, dass die Afrikanische Schweinepest jetzt erstmalig in Deutschland aufgetreten ist. Viele meiner Kollegen hatten damit gerechnet, dass das schon früher passiert. Das kann man als ein Indiz werten, dass wir gut vorbereitet sind", sagt Becher.

Wurstbrot "am besten komplett aufessen"

Das erste Mal ist die Afrikanische Schweinepest schon vor fast 100 Jahren aufgetaucht: 1921 in Kenia. Den ersten Fall außerhalb Afrikas hat man 1957 in Portugal festgestellt. Danach gab es weitere lokale Ausbrüche in Spanien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und in Italien. Außerdem wurde die Tierseuche in Brasilien und auf Kuba festgestellt. Für das aktuelle Seuchengeschehen müssen wir den Blick aber wahrscheinlich Richtung Osten wenden. 2007 haben sich Schweine in Georgien infiziert. Schuld war vermutlich ein Frachtschiff aus Afrika. Der Müll des Schiffes wurde in Georgien auf eine Deponie gebracht, darunter waren auch Speisereste. Die wurden wahrscheinlich von frei laufenden Schweinen gefressen. Von Georgien aus breitete sich das Virus schließlich nach Russland, ins Baltikum und nach Tschechien aus.

Bei der Verbreitung des Virus spielt der Mensch meist die Hauptrolle, erklärt Paul Becher. Schon ein achtlos weggeworfenes Wurstbrot kann die Seuche weiterverbreiten. "Man muss sehr darauf achten, dass man solche Lebensmittel, gerade wenn sie aus Ländern stammen, wo es die Afrikanische Schweinepest gibt, am besten gar nicht mitbringt", sagt der Virologe. Falls doch, müsse man die Lebensmittel so entsorgen, dass sie nachher nicht zu einem Schwein gelangen. "Am besten komplett aufessen", lautet die Devise.

Wie weit sich die Afrikanische Schweinepest in Deutschland schon ausgebreitet hat, wird jetzt untersucht. Als nationales Referenzlabor für die Tierseuche steuert das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) die Ermittlungen. Institutspräsident Thomas Mettenleiter sagt bei "Wieder was gelernt", das gefundene Wildschwein sei möglicherweise aus Polen nach Deutschland gewandert. Der Kadaver wurde etwa sechs Kilometer entfernt von der deutsch-polnischen Grenze gefunden. Wenn man das im etwas größeren Rahmen betrachtet, also auch die Fälle in West-Polen in Betracht zieht, ist das eine naheliegende Interpretation. Dabei hatte Deutschland auf 120 Kilometern entlang der polnischen Grenze einen Wildschutzzaun errichtet, um die Afrikanische Schweinepest nicht ins Land zu lassen. "Der Zaun ist keine absolute Garantie. Es gibt auch Unterbrechungen", erklärt Mettenleiter.

Keulung als letzte Option

Ganz sicher ist der FLI-Präsident, dass zumindest noch kein Hausschwein infiziert ist. Es gebe darauf keinerlei Hinweise, zumal man das sehr schnell merken würde, sagte er. Infizierte Tiere sterben in der Regel nach sieben bis zehn Tagen. Damit die Hausschweine weiter verschont bleiben, erinnert Mettenleiter die Schweinebauern an die Grundsätze der Schweinehaltungshygieneverordnung. "Ich empfehle jedem Schweinehalter, noch einmal sehr genau zu schauen: Wo gibt es denn mögliche Eintrittspforten, wie wird das Futter gelagert, wie werden die Fahrzeuge desinfiziert und wie ist der Personenverkehr? Es wäre ein GAU, wenn wir den Eintrag in die Nutzschweine hätten." Dann müssten nämlich sämtliche infizierten und ansteckungsverdächtigen Tiere gekeult werden, wie die vorsorgliche Tötung der Tiere heißt.

Schon jetzt drohen den Schweinebauern große finanzielle Einbußen. Weil Deutschland seinen Status als "seuchenfrei" verloren hat, haben mehrere Länder, darunter China und Japan, Importstopps für deutsches Schweinefleisch verhängt. Insofern heißt es jetzt: Hygienemaßnahmen beachten, Wildschweine fernhalten und geduldig sein. Die Schilder, die in Brandenburg und anderswo vor der Afrikanischen Schweinepest warnen, werden so schnell nicht verschwinden. "Wir wissen noch gar nicht, ob sich diese Seuche ausgebreitet hat und wie sie sich ausgebreitet hat", sagt Mettenleiter. Man könne als Maßstab nur die Maßnahmen in anderen Ländern nehmen. Deshalb sei davon auszugehen, dass uns die Afrikanische Schweinepest nicht nur wenige Tage, sondern "eher über Monate und Jahre" beschäftigen werde.

Alle Folgen von "Wieder was gelernt" finden Sie in der ntv-App, bei Audio Now, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden. Kopieren Sie die Feed-URL und fügen Sie "Wieder was gelernt" einfach zu Ihren Podcast-Abos hinzu.

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Was bringt eine Vier-Tage-Woche? Warum verliert Deutschland bald 20 Millionen Einwohner? Und wie funktioniert Nordkoreas Youtube-Propaganda? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker