Drosten nimmt Kollegen Streeck in Schutz

  16 September 2020    Gelesen: 589
  Drosten nimmt Kollegen Streeck in Schutz

Christian Drosten verteidigt Hendrik Streeck gegen heftige Kritik, nachdem dieser in einem Interview einen Corona-Strategiewechsel gefordert hat. Dieser sei stark verkürzt und missverständlich wiedergegeben worden, sagt Drosten. Er rät Streeck indirekt aber auch, künftig vorsichtiger zu sein.

Charité-Virologe Christian Drosten schüttelt den Kopf darüber, was manche Wissenschaftler und Politiker in Sachen Corona derzeit "herausposaunen." Er fragt sich, ob diese Personen im Winter, "wenn wir eine andere Situation auch in Deutschland haben, darauf zitiert werden möchten, was sie jetzt im Moment so von sich geben", sagte Drosten in der jüngsten Ausgabe seines NDR-Podcasts.

Auf Hendrik Streeck angesprochen, der teils heftig kritisiert wird, nachdem er in einem Interview einen Strategiewechsel im Umgang mit dem Coronavirus gefordert hat, nimmt er seinen Kollegen in Schutz. Das Interview sei stark verkürzt wiedergegeben worden, vieles sei nur aus der Überschrift und der Unterzeile entnommen worden, so Drosten. Dadurch sei ein falscher Eindruck entstanden. Er kenne so etwas nur zu gut aus eigener Erfahrung.

Natürlich zählen nicht nur die Neuinfektionen

"Was er ansonsten sagt in dem ganzen Interview, ist ja eigentlich ziemlich logisch. Und viele würden das auch so sehen und damit übereinstimmen", sagt der Berliner Wissenschaftler. Das betreffe auch Streecks Kernaussage, "die auch in der Verkürzung komplett falsch verstanden wurde." Streeck fordert in dem Interview, nicht ausschließlich auf die Zahl der Neuinfektionen zu blicken. "Das macht ja auch keiner", sagt Drosten. Je weiter man vom Fach weg sei, desto mehr scheine man sich auf solche Dinge zu verlegen", vermutet Drosten. Die Leute, die näher dran am Inhalt seien, machten das gar nicht. "Die schauen natürlich auf zusätzliche Parameter."

Dass Streeck gefordert habe, jetzt vor allem auf die Krankenhausbelegung zu schauen, sei ebenfalls verkürzt dargestellt worden. Das sei auch gefährlich, da das eher ein nachlaufender Effekt sei, warnt Drosten. "Man muss schon aufpassen, dass nicht zu viele Leute ins Krankenhaus kommen, weil da einfach gewisse Dinge dann schon in der Natur entschieden sind, die man nicht mehr rückgängig machen kann."

Strategien müssen immer wieder überdacht werden

Ein von Streeck vorgeschlagenes Ampelsystem, nach dem man regional entscheiden könnte, Maßnahmen zu lockern oder zu verschärfen, findet Drosten grundsätzlich gut. Das sei eigentlich auch schon im März der Fall gewesen. So habe er und andere beratende Wissenschaftler damals in der Ministerpräsidentenrunde gesagt, man müsse regional schauen, ob Schulen vorsorglich geschlossen werden müssen. "Danach sind wir rausgegangen aus der Sitzung, und die Politik hat daraus einen deutschlandweiten Schulschluss gemacht." Das habe man dann den Wissenschaftlern zugeschrieben, was nicht stimme.

Grundsätzlich sieht Drosten wie Streeck die Notwendigkeit, die Strategie immer wieder zu überdenken und anzupassen. Vieles von dem, was man im Frühjahr gemacht habe, würde man mit dem heutigen Wissen sicher anders tun, sagt er. Und man könne die Pandemie auch nicht ausschließlich aus virologischer Sicht betrachten. So wäre es epidemiologisch richtig, jetzt nochmal starke Maßnahmen zu ergreifen, um Zeit für den Winter zu gewinnen. Dies sei gesellschaftlich aber nicht tolerabel. Andererseits sei es auch falsch zu sagen, man sei im Frühlings übers Ziel hinausgeschossen und müsse jetzt gar nichts mehr machen.

Und nicht nur an Streeck gerichtet, sagt Drosten, man müsse einfach auch ein zweites und drittes Mal darüber nachdenken, "was man so in verkürzter Form von sich geben will", sagt er. Das gelte auch für schriftliche Stellungnahmen, wobei man sich überlegen sollte, ob man Aussagen "in Stein meißeln möchte", die auch später noch zitiert werden können.

Quelle: ntv.de, kwe


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