Die in den Himmel emporgereckte Black-Power-Faust ist heute eine auch von Weißen gebrauchte und weithin willkommene Geste der Solidarität gegen Rassismus. Wenn sich darüber hinaus Stars und Personen des öffentlichen Lebens politisch gegen die Ungleichbehandlung von Schwarzen und anderen Minderheiten engagieren, wird es allgemein begrüßt, wenn nicht sogar im Sinne eines gesellschaftlichen Wandels zum Guten abgefordert.
Wer allerdings in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts berühmt war und sich aktiv als Unterstützerin der Schwarzen in den USA outete, musste damit rechnen, ins Visier der geheimen und illegalen Beschattungs- und Diffamierungskampagne "Cointelpro" von FBI-Chef J. Edgar Hoover zu geraten. So erging es Muhammad Ali, John Lennon, Jane Fonda - und auch der US-Schauspielerin Jean Seberg, als sie 1968 aus Frankreich in ihre Heimat zurückkehrte und sich auf eine politische und private Affäre mit dem Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal einließ.
Im Film "Jean Seberg", der jetzt mit perfektem Zeitgeist-Timing im Kino anläuft, stellt sich Seberg (Kristen Stewart) nach der Landung in Los Angeles kurzerhand zwischen einige auf dem Rollfeld versammelte Black-Panther-Mitglieder. Erst reckt sie zögerlich ihre Faust in die Höhe, dann vehement: die zarte, weiße Schauspielerin zwischen den martialisch anmutenden Schwarzen mit ihren paramilitärischen Baretten, ein Fest für die Fotografenmeute.
Und ein Ärgernis für den FBI-Direktor. Er erklärt die Causa Seberg zur Chefsache und setzt ein Abhörkommando ein, um den Filmstar bis ins Privateste zu überwachen und mit allen manipulativen (und illegalen) Mitteln zu "neutralisieren". "Es herrscht Krieg gegen Schwarze in Amerika", mahnt Hakim (Anthony Mackie) seine neue Verbündete und Geliebte, "und Du gerätst gerade mitten ins Kreuzfeuer".
Doch Seberg ignoriert die Warnungen. Als ihr Agent eine lukrative Rolle in dem Musical "Westwärts zieht der Wind" vorschlägt (die sie später dann auch annimmt), rümpft sie die Nase: Das sei doch belanglos! Sie wolle lieber etwas Relevantes machen. Schon als Teenager im Provinzkaff Marshalltown im US-Bundesstaat Iowa unterstützte die reale Jean die Schwarzenorganisation NAACP. In ihrer Wahlheimat Frankreich wurde sie ab 1960 zum Star der französischen Nouvelle Vague, als Jean-Luc Godard sie an der Seite von Jean-Paul Belmondo in "Außer Atem" besetzte. Ihr kurzer, blonder Pixie-Haarschnitt wurde zur Ikone - und Seberg zu einer vom europäischen Kino- und Salondiskurs inspirierten Schauspielerin, die mehr sein wollte als nur ein schönes Hollywoodgesicht.
Zu Beginn des Films wird Seberg als Märtyrerin gezeigt. "Die heilige Johanna" war 1957 ihre erste Hauptrolle, sie hatte sich in einem Talentwettbewerb durchgesetzt, musste aber die tyrannische Regie Otto Premingers erdulden und erlitt in der finalen Scheiterhaufen-Szene echte Verbrennungen. Eine traumatische Erfahrung. Doch tiefer als mit diesem emblematischen Bild dringt der Film nicht in die inneren Beweggründe Sebergs vor.
Stattdessen verschwendet Regisseur Benedict Andrews viel Zeit auf einen Nebenplot, der sich um zwei fiktive FBI-Agenten dreht, die Seberg überwachen: ein von Vince Vaughn gespieltes Charakterschwein und ein junger, ehrgeiziger Abhörspezialist (Jack O'Connell), den Gewissensbisse plagen, je fieser die fragile Schauspielerin in den Abgrund getrieben wird. Im Versuch, nicht nur Biopic zu sein, sondern zugleich auch ein Gesellschaftspanorama der Sechzigerjahre und eine Hommage an klassische Paranoia- und Polit-Thriller, gerät die Hauptfigur und ihr berührendes Schicksal immer wieder aus dem Fokus. So bleibt Jean Seberg, die sich 1979 mit nur 40 Jahren das Leben nahm, auch in der filmischen Aufarbeitung ihres Lebens eine tragische Figur.
Einzig Hauptdarstellerin Kristen Stewart bewahrt diesen leider zu unentschlossenen Film vor dem Scheitern: Kristen Stewart brilliert in nahezu jeder Szene mit der intensiven, ewig angespannten Feinnervigkeit, die sie in den vergangenen Jahren zu einer der besten Darstellerinnen ihrer Generation werden ließ. Wie Seberg erlebt auch der "Twilight"-Star seine größten künstlerischen Erfolge im europäischen Kino, zuletzt etwa in "Personal Shopper" unter der Regie von Olivier Assayas. Stewart engagiert sich für Geschlechtergerechtigkeit in der Filmbranche und will in ihren Filmen "konfrontative" Geschichten erzählen, wie sie in einem Interview sagte.
Gegen das Image des süßen "Sweethearts" setzt sie sich mit ihrer Rollenauswahl und ihrem oft betont unsexualisierten Styling aktiv zur Wehr. So erzählt allein ihre brillante Verkörperung Jean Sebergs, ständig schwankend zwischen Selbstbehauptung und Verletzlichkeit, viel über die Dilemmata von weiblichen Stars, die gegen den Strom schwimmen und dabei mit mächtigen Männern kollidieren. Ein Thema, so aktuell wie die in den Himmel geballte Black Panther-Faust.
spiegel
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