Audi SQ7 - Schwergewicht im Trainingsanzug

  17 September 2020    Gelesen: 658
  Audi SQ7 - Schwergewicht im Trainingsanzug

Bislang befeuerte den Audi SQ7 ein Diesel, jetzt kommt ein Benziner. Und weil das anscheinend so gut passt, zieht der Otto auch gleich in das SUV-Coupé Q8 ein. Das ist weder effizient noch preiswert, hat aber seinen Reiz beim Fahren.

Da soll noch einer durchblicken: Vor rund einem Jahr hat Audi dem A4 ein Facelift spendiert - und damit, zumindest in Europa, das bisherige Sportmodell S4 ersetzt. Der Name ist geblieben, doch statt des Sechszylinder-Benziners sorgt nun ein V6-Diesel für Dynamik in der Mittelklasse. Bei seinen großen SUV, dem bulligen Q7, geht Audi jetzt genau den umgekehrten Weg: Der TDI fliegt aus dem SQ7 raus und wird durch einen Benziner ersetzt. Und der hält gleichzeitig auch noch im Coupé-Ableger Q8 Einzug. In den USA, wo das Gros der Kundschaft wohnen dürfte, sind die beiden Wuchtbrummen bereits erhältlich, hierzulande gehen sie jetzt an den Start, für mindestens 93.287 beziehungsweise 101.086 Euro.

Gerade weil die Nachfrage nach hochmotorisierten Dickschiffen in den USA am stärksten ist, hat sich Audi für die Rochade entschieden. Der Diesel spielt dort traditionell keine große Rolle, und die Diesel-Gate-Affäre hat dem Ruf des Selbstzünders nicht gerade gutgetan. Und für Europa allein lohnt sich das Diesel-Modell auch nicht, also musste er weichen. Immerhin: Gleich geblieben sind die Zylinderzahl, derer acht, der mit vier Litern ordentlich bemessene Hubraum und die doppelte Turboaufladung. Einen ordentlichen Sprung macht das S-Modell bei der Leistung, statt 435 werden jetzt 507 Pferdchen eingespannt. Gestiegen ist allerdings auch der Verbrauch: Statt unter zehn Liter Diesel veranschlagt Audi jetzt über zwölf Liter Benzin pro 100 Kilometer.

Das Drehmoment ist gefallen

Federn lassen musste das S-SUV dagegen beim Drehmoment. Fielen einst bärenstarke 900 Newtonmeter bei nur 1250 Umdrehungen über die Kurbelwelle her, liegen nun, bauartbedingt, bei 2000 Touren "nur noch" 770 Newtonmeter an. Das sorgt für einen interessanten Umstand: Mit 4,1 Sekunden sprintet der neue SQ7 TFSI zwar acht Zehntel schneller auf Tempo 100 als sein Vorgänger. Und doch fühlt er sich irgendwie weniger durchzugsstark an.

Das liegt eben daran, dass einem etwas weniger Kraft erst bei etwas höherer Drehzahl ins Kreuz tritt. Heißt konkret: Wer zum Überholen ansetzt und voll aufs Gas tritt, muss eine kleine Gedenksekunde hinnehmen, bis sich Turbolader und Achtgang-Automatik arrangiert haben. Danach freilich kennen beide 2,3-Tonner kein Halten mehr und brausen wie von der Tarantel gestochen davon. Nicht ohne der Umwelt durch tiefes Achtzylinder-Grummeln davon Kund zu tun. Der Fahrer wird übrigens postwendend über den Verbrauch über seinen Fahrstil informiert. Audi gibt im Drittelmix 12 Liter über 100 Kilometer an. Dieser Wert gehört natürlich ins Reich der Legenden. Sportfahrer dürfen gerne vier bis fünf Liter aufschlagen.

Bessere Fahrstabilität

Während sich der Spritverbrauch mit dem Gasfuß beeinflussen lässt, kann der Sound über das Fahrprogramm geregelt werden, wie beispielsweise auch die Sport-Luftfederung. Die ist ebenso serienmäßig an Bord wie die Allradlenkung, die bei niedrigem Tempo durch gegenläufiges Einschlagen der Hinterräder für besseres Handling und einen kleineren Wendekreis sorgt. Bei höheren Geschwindigkeiten ab circa 60 km/h werden die hinteren Räder parallel zu den vorderen gelenkt, dadurch erhöht sich die Fahrstabilität.

Wem das noch nicht reicht, der kann das Fahrwerkspaket "Advanced" ordern und sich über ein Hinterachs-Sportdifferenzial freuen, das die vom Allradantrieb nach hinten geschickte Kraft zusätzlich zwischen den Rädern verteilt und so dem kurvenäußeren Rad, das mehr Grip hat, mehr Drehmoment zukommen lässt. Außerdem spendiert Audi den SQ-Modellen von Nummer 7 und 8 dann auch noch eine aktive Wankstabilisierung, die sich das 48-Volt-Bordnetz zunutze macht und mithilfe von E-Motoren an Achsen die Seitenneigung der Schwergewichte reduziert, was der Kurvendynamik zuträglich ist.

Braucht man das alles? Sicher nicht. Aber um es kurzzumachen: Es ist faszinierend, welche Agilität sich dank moderner Technik selbst solchen Kolossen mit auf den Weg geben lässt. Überraschend kommt das freilich nicht, schließlich war zum einen schon das TDI-Modell hervorragend durchtrainiert, zum anderen gibt's vom SQ8 ja auch ein noch sportlicheres RS-Modell mit 600 PS. Das hat bereits gelehrt, dass die Audi-Ingenieure durchaus in der Lage sind, die Grenzen der Physik ein wenig zu verschieben.

Am Ende bleibt das Gewicht

Ein ums andere Mal ist es faszinierend, wie nachdrücklich die Blech-Masse vom Motor - wenn das Turboloch einmal überwunden ist - nach vorne und man selbst in die großen Ledersessel gedrückt wird. Und auch die Leichtigkeit, mit der so ein SQ7 und erst recht der wie üblich noch einen Tick straffer abgestimmte SQ8, durch die Kurven tänzeln, ist beeindruckend.

Dass sich das Gewicht am Ende doch nicht ganz kaschieren lässt, merkt, wer es in den beiden Sportmodellen zu stürmisch angeht. Dann kommt nämlich der Punkt, wo die Masse zum äußeren Kurvenrand drängt, recht plötzlich.

Freilich greifen sofort die entsprechenden Assistenzsysteme ein und regeln den Übermut runter - und auch man selbst wird schnell wieder zurück in die Realität geholt: Die besagt nun mal, dass ein sackschweres Fünfmeter-SUV eigentlich kein Sportwagen ist - auch wenn man ihm einen schicken Trainings-Anzug anzieht.

Quelle: ntv.de, Michael Gebhardt, sp-x


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