Grölende Krokodile, störende Kaugeräusche und narzisstische Augenbrauen

  18 September 2020    Gelesen: 629
Grölende Krokodile, störende Kaugeräusche und narzisstische Augenbrauen

Der Ig-Nobelpreis soll "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren". Doch bei der diesjährigen Preisverleihung ging es ungewöhnlich politisch zu - und auch die Corona-Pandemie war Thema.

Sie sollen "erst zum Lachen und dann zum Denken anregen": Zehn wissenschaftliche Studien sind in den USA mit "Ig-Nobelpreisen" ausgezeichnet worden (gesprochen "ignoble", was übersetzt etwa unwürdig heißt). Wegen der Coronavirus-Pandemie wurde die traditionell schrille Gala in der Nacht zum Freitag diesmal erstmals ausschließlich im Internet veranstaltet. Die bereits zum 30. Mal verliehenen undotierten Auszeichnungen sollen nach Angaben der Veranstalter "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren".

So bekamen unter anderem Wissenschaftler aus Kanada und den USA die Auszeichnung in der Kategorie Psychologie für die Entwicklung einer Methode, Narzissten anhand der Untersuchung ihrer Augenbrauen zu identifizieren. Ein Forscher aus den USA bekam den Preis für die Sammlung von Beweisen dafür, dass Insektenforscher Angst vor Spinnen haben. Wissenschaftler aus Österreich, Schweden, Japan, den USA und der Schweiz erhielten eine Ehrung in der Kategorie Akustik dafür, dass sie einen weiblichen chinesischen Alligator dazu bewegen konnten, in einer mit Helium gefüllten luftdichten Kammer zu grölen.

Die weiteren Preisträger:

Wissenschaftler aus den Niederlanden und Belgien haben einen Namen dafür gefunden, wenn Menschen das Schmatzen anderer nicht aushalten können: Misophonia heißt die Verzweiflung beim Hören der Kaugeräusche von anderen Menschen, ein bislang nicht anerkannter medizinischer Befund. Dafür gab es den Preis in der Kategorie Medizin.

In der Kategorie Wissenschaft wurden Wissenschaftler aus Schottland, Polen, Frankreich, Brasilien, Chile, Kolumbien, Australien und Italien für den Versuch ausgezeichnet, die Beziehung zwischen der Einkommensungerechtigkeit eines Landes und der durchschnittlichen Häufigkeit von Küssen auf den Mund zu quantifizieren.

Die Regierungen von Indien und Pakistan lassen ihre Diplomaten heimlich die Türklingeln der jeweils anderen mitten in der Nacht betätigen und sie dann wegrennen, noch bevor jemand die Tür öffnen kann. Für diesen Klingelstreich erhielten sie den Preis in der Kategorie Frieden.

Auch ein Forscher aus Deutschland ist unter den Preisträgern - er bekam einen Preis in der Kategorie Physik: Er hatte gemeinsam mit Kollegen aus der ganzen Welt erforscht, was mit einem lebenden Regenwurm passiert, wenn man seinen Körper mit hoher Frequenz vibrieren lässt.

Ungewöhnlich politisch wurde es in diesem Jahr in der Kategorie Medizinische Bildung: Die Staatsoberhäupter von Brasilien, Großbritannien, Indien, Mexiko, Belarus, den USA, der Türkei, Russland und Turkmenistan wurden dafür geehrt, dass sie die Coronavirus-Pandemie dafür genutzt haben, der Welt beizubringen, dass Politiker einen unmittelbareren Einfluss auf Leben und Tod haben können als Wissenschaftler und Ärzte.

Normalerweise verfolgen mehr als 1000 Zuschauer die Gala live in einem Theater der Elite-Universität Harvard. "Wo zur Hölle sind denn alle?", fragte die Wissenschaftlerin Jean Berko Gleason gleich zu Beginn bei ihrer traditionellen Willkommensansprache - alleine vor ihrem Computer. Die Ticketeinnahmen finanzieren das Spektakel, weswegen die Veranstalter diesmal um Spenden baten. Aber auch bei der rund anderthalbstündigen Online-Preisverleihung, die diesmal unter dem Oberthema "Insekten" stand, flogen Papierflieger, es gab Sketche und bizarre Kurz-Opern.

"Wir hoffen, dass die Pandemie bis nächstes Jahr gezähmt ist und wir unsere 31. Verleihung wieder auf einer Bühne machen können", sagte Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung - bevor er die Gala wie immer mit seinen traditionellen Abschlussworten beendete: "Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!"

spiegel


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