Erst kommt die Freude über einen Studienplatz, dann die Ernüchterung: Wohnen entwickelt sich für Studierende zunehmend zu einem echten Luxus. Eine bezahlbare Bleibe sei kaum noch zu finden, schreiben das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und der Finanzdienstleister MLP in ihrem Studentenwohnreport für 2020.
Die Analyse der Wohnkosten in 30 Universitätsstädten liefert überraschende Einblicke in dieses spezielle Segment des Wohnungsmarktes. Denn es zeigt sich, dass die Lage im Lockdown noch einmal prekärer geworden ist. In 29 von 30 Hochschulstädten sind die Mieten für Studentenwohnungen gestiegen. Gerade noch in drei Städten deckt der Wohnzuschlag im Bafög-Höchstsatz die Kosten von Wohnungen, die kleiner als 40 Quadratmeter und in der Nähe der Hochschule sind, ab. In München reicht das gerade mal für 15 Quadratmeter kalt - das ist sogar ein Quadratmeter weniger, als die Studienautoren im Vorjahr ermittelt hatten.
Auf der Mietskala für Studentenbuden ist und bleibt München damit unangefochtener Spitzenreiter. 724 Euro muss ein Student oder eine Studentin hier inzwischen für eine Wohnung zahlen. Allein im zweiten Quartal ist der Preis damit noch einmal um 24 Euro gestiegen. Auf dem zweiten Platz kommt Freiburg mit 550 Euro. Frankfurt und Heidelberg teilen sich den dritten Platz mit jeweils 508 Euro.
Besonders große Sprünge nach oben machten die Universitätsstädte Bochum, Tübingen und Jena - allerdings kommen die Mieten hier auch von einem niedrigeren Niveau. Gesunken sind unterdessen die Mietpreise für Studentenwohnungen in Berlin, die sich immerhin um ganze 14 Prozent verbilligt haben - was die Autoren aber allein dem eingeführten Mietendeckel zuschreiben: "Dieser entlastet den Wohnungsmarkt nur scheinbar, was die in diesem Jahr erstmals analysierte Angebotssituation verdeutlicht. In Berlin sind die Angebote im letzten halben Jahr um fast 30 Prozent zurückgegangen - der mit Abstand stärkste Rückgang aller Standorte."
Am günstigsten wohnt es sich laut der Studie in Magdeburg und Leipzig. Hier liegen die Mieten bei rekordniedrigen 245 und 275 Euro. Neben den reinen Mietkosten berücksichtigt die Studie auch Wohnnebenkosten in Höhe von 20 Prozent, sodass die ausgewiesenen Preise Warmmieten sind.
Andrang bei billigem Wohnraum nimmt zu
Laut der Analyse hat sich im vergangenen Jahr auf dem Studentenwohnungsmarkt eine Entwicklung umgekehrt. Wie die Autoren schreiben, habe es zum Jahresende 2019 noch so ausgesehen, "als ob die Entwicklung stetig anziehender Mietpreise gestoppt wäre". Offenbar hat Corona die Situation für Studierende nun aber wieder verschlimmert. Viele hätten sicherlich das Gegenteil erwartet, dass der Markt sich wegen des Online-Semesters entspannen würde, heißt es. Weil der Andrang auf das kleine Segment an Billigwohnraum jedoch gestiegen sei, sei das Gegenteil der Fall. "Eine Erklärung für den Corona-bedingten Wiederanstieg ist, dass die durch das Online-Semester entstandene Nachfragelücke nun von anderen Mieterschichten geschlossen wurde - insbesondere von Haushalten, die ohne die Corona-Auswirkungen auf ihre Einkommenssituation sonst eher andere Wohnungen nachfragen", sagt der Immobilienexperte am IW, Michael Voigtländer.
Für Studierende ergibt sich daraus eine doppelt schwierige Situation. Die Mieten sind gestiegen, zeitgleich hat sich die Einkommenssituation verschlechtert, denn viele haben Corona-bedingt ihre Nebenjobs verloren. Studien zufolge war das bei mehr als einem Drittel der Fall. Weil die Miete in der Regel der größte Block im studentischen Budget sei, ergebe sich daraus eine prekäre Lage, schreiben die Autoren. "Waren die Mietkosten schon vor der Pandemie für viele Studenten schwer zu stemmen, sind die nun für immer mehr unbezahlbar geworden."
Auf den Nebenverdienst können auch deshalb viele Studierende nicht verzichten, weil der im Bafög enthaltene Wohnzuschlag von 325 Euro pro Monat fast nirgendwo in den 30 untersuchten Städten für die Miete einer klassischen Studentenwohnung ausreicht. Dies ist nur in Magdeburg, Leipzig und Aachen der Fall.
Niedrige Mietpreise als Standortvorteil
Erschwert werde die Lage noch dadurch, dass staatliche Hilfen für Studierende mitunter nur temporär wirkten, heißt es weiter. Aktuell stelle sich die Frage, ob die Politik im Rahmen ihres Corona-Konjunkturpakets die richtigen Prioritäten gesetzt habe, sagt MLP-Chef Uwe Schroeder-Wilberg. "Die bereitgestellten Notfall-Unterstützungen waren zwar wichtig, aber gleichzeitig nur ein Rettungsboot für kurze Strecken - und eines, in dem längst nicht jeder Platz gefunden hat. Wir brauchen deutlich mehr Investitionen in unseren akademischen Nachwuchs - in Krisenzeiten und darüber hinaus."
Darüber hinaus bieten die Unterschiede im Wohnpreisniveau aus Sicht der Autoren aber auch Chancen. "So können beispielsweise Hochschulstandorte günstige Mieten regionalpolitisch als Standortvorteil nutzen." Dafür müssten allerdings "über weitere Infrastrukturmaßnahmen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden; auch, um über den Studienabschluss hinaus ein attraktiver Arbeits- und Wohnstandort zu sein".
Einen Lichtblick gibt es in der diesjährigen Sonderauswertung der Studie: Die Perspektive für junge Akademiker wird nach dem Eintritt ins Berufsleben besser. Die Wohnzufriedenheit ist demnach bei unter 30-jährigen Studierten hoch und mit zunehmendem Alter wird sie sogar nochmals besser. Der Grund liegt auf der Hand: Ihr Einkommen entwickelt sich deutlich besser als das von jungen Menschen, die nicht studiert haben.
Quelle: ntv.de
Tags: