Sexarbeiterinnen warnen vor “Hurenausweis“

  04 März 2016    Gelesen: 2559
Sexarbeiterinnen warnen vor “Hurenausweis“
Der Widerstand gegen das geplante Prostituiertenschutzgesetz formiert sich. Sexarbeiterinnen warnen: "Ein Hurenausweis wäre eine Katastrophe, wenn ich den immer in der Tasche tragen muss." Das erinnere an den "Bockschein", den es früher gab.
Aufruhr in deutschen Rotlichtvierteln: In Hamburg haben Prostituierte gegen die geplante Anmelde- und Beratungspflicht protestiert. Passanten und Prostituierte ließen sich dafür symbolisch ein Papier mit dem Titel "Hurenausweis" ausstellen.

Darin werde vorweggenommen, was es bedeuten könnte, wenn Prostituierte künftig einen Nachweis ihrer Anmeldung bei sich tragen müssten, sagte Friederike Strack von der Berliner Beratungsstelle Hydra. "Zwangsregistrierung wurde 1927 auf Druck der Frauenbewegung abgeschafft", heißt es in dem "Hurenausweis". Sie führe zu Stigmatisierung und unterstütze ein ungewolltes Outing. Seit Mittwoch findet in Hamburg ein dreitägiger bundesweiter Fachkongress der Sexarbeiter statt.

Auch Undine de Rivière, Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, ist empört. "In Österreich gibt es diese Meldepflicht schon. In den letzten Jahren waren alle Opfer des Menschenhandels ordnungsgemäß registriert." Der Nachweis der Anmeldung als Prostituierte gefährde das Inkognito: "Ein Hurenausweis wäre eine Katastrophe, wenn ich den immer in der Tasche tragen muss." Das erinnere an den "Bockschein", den es früher gab.

Kondompflicht ist nicht überprüfbar

Die Kondompflicht werde nicht viel bringen, ist sich de Riviére sicher. "Sie ist nicht unter menschenwürdigen Bedingungen überprüfbar." Und außerdem überflüssig, weil die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten unter Prostituierten nicht höher sei, als im Rest der Bevölkerung. "Im Schnitt arbeiten wir gesünder und sicherer als jemand, der sich am Wochenende betrunken durch die Discos vögelt und dabei die Kondome vergisst."

Zu einem ganz anderen Segment der Branche gehört Josefa Nereus. Die 29-Jährige sagt selbstbewusst: "Ich bin Prostituierte, aber ich muss nicht geschützt werden." Die Frau mit dem Künstlernamen ist Escort-Dame, arbeitet also eher im hochpreisigen Segment. Das Gesetz werde den Prostituierten, die fremdbestimmt oder aus blanker Not anschafften, nicht helfen. "Im Gegenteil: Sie werden noch mehr ins Abseits gedrängt."

Auch die Zwangsberatung lehnt Nereus ab. Viele Prostituierte würden sich ohnehin mehrmals im Jahr anonym auf Geschlechtskrankheiten testen lassen. "Mein Körper ist mein Kapital. Wenn ich ausfalle, habe ich kein Einkommen." Zudem könne sie dort sicher sein, dass ihre Daten nicht in falsche Hände geraten. "Wenn man den Menschen helfen will, dann sollte man sie nicht stigmatisieren."

"Anmelden ist ok."

Einige der Prostituierten, die ihre Dienste in Kleinanzeigen anbieten, sehen das neue Gesetz eher entspannt. Die 45-jährige Rosi sagt: "Anmelden ist ok. Die Behörde weiß das doch, denn ich zahl` ja ordentlich Steuern." Auch die "Hanseatin" Sonja will sich darüber nicht aufregen. Sie kennt die Anmeldepflicht aus Österreich. Gut sei zudem die Kondompflicht, auch wenn die niemand kontrollieren könne.

Das Gesetz wird voraussichtlich am 23. März im Bundeskabinett beraten. Bislang sind nur Eckpunkte bekannt. Demnach müssen Prostituierte künftig einmal im Jahr zum Gesundheitsamt gehen und sich beraten lassen. Zudem müssen sie sich im Zwei-Jahres-Rhythmus bei einer Behörde anmelden. Für 18- bis 21-Jährige gelten noch kürzere Intervalle.

Dazu kommen eine Kondompflicht und das Verbot von Flat-Rate- Angeboten. Die Betreiber von Prostitutionsbetrieben brauchen künftig eine Genehmigung und müssen sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. So soll verhindert werden, dass ein vorbestrafter Menschenhändler ein Bordell führt.

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