Diese Flüchtlings-Roadmap soll das Chaos beenden

  04 März 2016    Gelesen: 731
Diese Flüchtlings-Roadmap soll das Chaos beenden
Mit einem neuen Plan will die Europäische Kommission wieder Ordnung in der Flüchtlingskrise herstellen. Die "Politik des Durchwinkens" soll beendet werden. Ein Land steht besonders in der Pflicht.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn beklagte jüngst, Europa steuere in eine Anarchie hinein. "Wir haben keine Linie mehr", saget er. Niemand scheint sich mehr an die bestehenden Regeln zu halten. Die EU-Staaten handeln im Alleingang. Das Resultat sind Kontrollen an Europas Binnengrenzen.

Die Europäische Kommission wird heute einen Plan vorstellen, wie wieder Ordnung in das Chaos gebracht werden kann. Das Papier liegt der "Welt" vor. Demnach sollen spätestens bis Jahresende alle Grenzkontrollen innerhalb Europas aufgehoben werden. Das sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Was ist das Ziel des Plans?

Die bisherige "Politik des Durchwinkens" soll beendet werden, also EU-Staaten sollen Flüchtlinge nicht mehr einfach an die nächste Grenze bringen, um das Problem auf die Nachbarn abzuwälzen. In den vergangenen Monaten war das noch der Normalfall. Diese Politik widerspricht allerdings den europäischen Regeln. Die sehen vor, dass Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragten müssen, in dem sie zuerst den europäischen Boden betraten.

Wie soll das geschehen?

Vor allem Griechenland steht in der Pflicht. Das Land hatte in den vergangenen Monaten viel Zeit verstreichen lassen, ohne die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Im vergangenen November inspizierten Beamte der Europäischen Kommission das Land und machten erhebliche Defizite aus. So wurden etwa nur von wenigen Flüchtlingen die Fingerabdrücke genommen und ihre Namen mit den entsprechenden Datenbanken abgeglichen.

Wie lange hat Griechenland Zeit?

Griechenland wird verpflichtet, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Schon Mitte Februar hatten die Innenminister der Europäischen Union Griechenland einen Maßnahmenkatalog nahegelegt. "Am 12. Mai ziehen wir Bilanz", kündigte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos gegenüber der "Welt" an. Das Land soll bis dahin etwa von allen ankommenden Flüchtlingen die Fingerabdrücke nehmen und ihre Namen mit den Datenbanken abgleichen.

Was passiert, wenn Griechenland das nicht gelingt?

Dann wird es noch längere Zeit Grenzkontrollen geben. Insgesamt acht Staaten des Schengen-Raums haben im Zuge der Flüchtlingskrise Kontrollen wieder aufgenommen. Eigentlich ist das nur bis zu acht Monate lang möglich. Sollte die Kommission allerdings erhebliche Defizite beim Schutz der Außengrenzen nachweisen, können die Kontrollen um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Man sei "vorbereitet" und "ohne zu zögern" zum Handeln bereit, schreibt die Kommission. Weitere Kontrollen würden sich allerdings auf die Grenzen beschränken, an denen sie "nötig und verhältnismäßig" seien.

Was wird von den anderen Staaten erwartet?

Die Staaten sollten sich solidarisch zeigen und Griechenland unterstützen. Griechenland soll Hilfe beiseite gestellt werden, die das Land benötigt. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll etwa zügig Personal von den EU-Staaten gestellt bekommen. Spätestens im August soll der neue EU-Grenzschutz einsatzbereit sein, der auch gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten aktiv werden kann.

Was passiert mit all den Flüchtlingen in Griechenland?

Die Kommission hofft, dass nun die Verteilung von Flüchtlingen aus Griechenland endlich in Schwung kommt. "Der Ansatz des Durchwinkens (…) ist einer der Gründe, warum die bisherigen Beschlüsse so langsam umgesetzt wurden", beklagt die Europäische Kommission. Im Klartext: Wenn die Flüchtlinge keine andere Perspektive mehr sehen, Griechenland zu verlassen, werden sie sich auch auf eine Verteilung einlassen. Die EU hatte schon im vergangenen Sommer vereinbart, 160.000 Flüchtlinge unter anderem aus Griechenland und Italien umzuverteilen. Bislang verteilt wurden aber nur 660 Flüchtlinge.

Werden weitere Flüchtlinge von Griechenland aus über die Balkanroute nach Deutschland kommen?

Wenn alles funktioniert: Nein. Die Europäische Kommission ermahnt alle Schengen-Staaten, Flüchtlinge nicht mehr einfach durch das Land zu winken, sondern die vorgesehenen Prozesse zu starten: Wer etwa in Griechenland ankam, dort aber kein Asyl beantragte, obwohl er die Chance dazu hatte, muss dann auch zurückgeführt werden können. Das heißt allerdings nicht, dass die Staaten die Flüchtlinge durch Zäune abhalten dürfen oder wie Österreich Tageskontingente einführen.

Was passiert dann mit den Flüchtlingen, die es in andere Länder der EU geschafft haben?

Das ist noch nicht fest entschieden. Die Regeln des EU-Asylsystems Dublin sehen vor, dass sie eigentlich in das Land gebracht werden müssen, in dem sie erstmals den EU-Boden betreten haben. Solche Transfers sollten je nach Fortschritten in Griechenland sowie nach Empfehlungen des Rats sowie Organisationen wie dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR erfolgen. Die Europäische Kommission kündigt einen Bericht bis Juni an.

Ist damit der Plan gescheitert, mit einem Abkommen mit der Türkei den Zustrom der Flüchtlinge nach Europa zu unterbinden?

Nein. Die Europäische Kommission ermahnt alle Beteiligten, das Abkommen schnell umzusetzen. "Die Umsetzung des EU-Türkei-Aktionsplans (…) sollte zu einer Reduzierung der Ankünfte in Griechenland führen", steht in dem Kommissionspapier. Die Behörde ruft die EU-Staaten, der Türkei dann auch Kontingente abzunehmen. "Je mehr Mitgliedstaaten sich beteiligen, desto besser sind die Aussichten, der illegalen Migration in der Ägäis entgegenzutreten."

Welche Fortschritte wurden bei der Umsetzung des Abkommens mit der Türkei gemacht?

Nicht ausreichend. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel, auf dem eine Bilanz der Bemühungen gezogen werden sollte, ist noch kein Durchbruch zu erkennen. EU-Innenkommissar Avramopoulos spricht zwar gegenüber der "Welt" von "positiven Resultaten", betont allerdings auch: "Der vereinbarte Aktionsplan wurde noch nicht vollständig umgesetzt." EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte bei einem Besuch in Ankara, dass es "Geduld und Zeit" brauche.

Was passiert mit den illegalen Immigranten in Griechenland, die kein Anrecht auf Asyl haben?

Sie sollen zurück in ihre Heimatländer oder in die Türkei gebracht werden. In der Praxis gestaltet sich das allerdings schwierig. Als positives Signal wurde es daher aufgenommen, dass die Türkei diese Woche rund 300 illegale Immigranten aus Griechenland akzeptierte. Allerdings muss weit mehr getan werden. "Griechenland sollte die Abschiebungen beschleunigen, insbesondere mit der Türkei", mahnt die Kommission.

Wird Europa stärker auftreten?

Das ist der Plan. Im August soll die EU-Küstenwache aktiv werden. Die Pläne sehen vor dass dieser robuste Grenzschutz auch gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten aktiv werden kann. Bis Juni sollen die EU-Staaten sich auf entsprechende Regeln verständigt haben. Ob das so gelingen wird, ist offen. Das robuste Mandat ist für viele EU-Grenzstaaten nur schwer zu akzeptieren. Widerspruch kam zuletzt etwa auch von osteuropäischen Staaten.

Wann sollen die Grenzkontrollen innerhalb Europas spätestens abgeschafft werden?

Bis Jahresende, so der Plan, soll man innerhalb des Schengen-Raums wieder ohne Grenzkontrollen reisen dürfen.

Tags:  


Newsticker