Was Allergiker jetzt wissen müssen

  23 Dezember 2020    Gelesen: 756
  Was Allergiker jetzt wissen müssen

Einige wenige Menschen hatten direkt nach der Corona-Impfung schwere allergische Reaktionen. Allergologe Ludger Klimek erklärt, wie man am besten mit diesem Risiko umgeht.

SPIEGEL: Herr Klimek, in Großbritannien erlitten zwei Menschen nach der Covid-19-Impfung von Biontech einen sogenannten anaphylaktischen Schock, auch in den USA gibt es erste Fälle. Müssen sich Menschen mit Allergien jetzt Sorgen machen, dass sie die Impfung nicht vertragen?

Klimek: Die allergischen Reaktionen sind die bisher schwersten Nebenwirkungen bei dem Impfstoff. In den allergologischen Praxen in Deutschland ist in diesen Tagen die Hölle los, weil sehr viele Patientinnen und Patienten Fragen dazu haben. Was ganz wichtig ist: Zwar haben schätzungsweise 24 Millionen Menschen in Deutschland eine Allergie, aber nur ein Bruchteil von ihnen hat eine schwere Allergie, die möglicherweise einer Impfung entgegensteht. Es betrifft also eine kleinere Gruppe, nicht jeden mit einer Allergie.

SPIEGEL: Haben Sie ein paar Beispiele?

Klimek: Wenn Sie etwa Heuschnupfen oder eine Hausstauballergie haben, aber keine weiteren Allergien, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Wenn Sie aber mehrere Nahrungsmittelallergien haben oder auf mehrere Medikamente allergisch reagieren, dann sollten Sie abklären lassen, ob die Impfung für Sie infrage kommt. In einer Stellungnahme, die ich mitverfasst habe, gehen die allergologischen Fachgesellschaften davon aus, dass etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung Anaphylaxie-gefährdet sind, sodass sie nicht oder nur mit Schutzmaßnahmen geimpft werden sollten.

SPIEGEL: Welche Allergien haben denn die Menschen, die einen anaphylaktischen Schock nach der Impfung hatten?

Klimek: Bei den beiden Betroffenen in Großbritannien lagen mehrere Allergien gegen Nahrungsmittel und Medikamente vor. In den USA gibt es aber auch einen Fall bei einer Frau, bei der bisher keine Allergie bekannt war. Auch so etwas passiert.

SPIEGEL: Weiß man schon, was die allergische Reaktion ausgelöst hat?

Klimek: Wir wissen noch nicht, was zu den anaphylaktischen Schocks führte. Das muss dringend geklärt werden. Wir haben allerdings einen Hauptverdächtigen, weil wir ihn kennen: PEG, Polyethylenglykol. Im Impfstoff ist PEG in der Schutzhülle enthalten, die die Impf-RNA zu den Zellen bringt. Die Substanz wird in Medikamenten und Kosmetika verwendet, es sind Allergien dagegen bekannt.

SPIEGEL: Kann man sich durch die Impfung gegen PEG sensibilisieren, also eine Allergie gegen diesen Stoff entwickeln?

Klimek: Ja, das ist grundsätzlich möglich. Das ist immer so, wenn Sie bioaktive Substanzen zufügen, und keineswegs ein spezielles Problem dieser Impfung. Aber es wird bestimmt Menschen geben, die sich durch die Impfung gegen PEG sensibilisieren.

SPIEGEL: Wie kann man mit dem Risiko eines anaphylaktischen Schocks am besten umgehen?

Klimek: Der Vorschlag von uns Allergologen ist, die Menschen vor der Impfung anhand ihrer Angaben zu Allergien in eine Art Ampelsystem einzuteilen. Wer grün ist, kann sich bedenkenlos impfen lassen. Wer gelb ist, sollte zur Sicherheit nach der Impfung eine halbe Stunde im Impfzentrum bleiben. Im Fall eines anaphylaktischen Schocks ist dann sofort medizinisches Personal da, das helfen kann. Wer rot ist, muss vor der Impfung testen lassen, ob eine Allergie gegen PEG oder andere Substanzen im Impfstoff vorliegt. Besteht die Allergie, wäre das ein Ausschlusskriterium, man sollte sich diesen Impfstoff nicht verabreichen lassen. Besteht sie nicht, können sich auch schwere Allergiker impfen lassen.

spiegel


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