Die größte WM-Geschichte - ganz ohne Corona

  17 Januar 2021    Gelesen: 476
  Die größte WM-Geschichte - ganz ohne Corona

Gauthier Mvumbi ist ein ganz besonderer Handballspieler: Der Kreisläufer von WM-Neuling Demokratische Republik Kongo ist ein Koloss - und stellt am ersten Spieltag diverse Weltstars nicht nur körperlich in den Schatten.

Nein, das, was die offizielle Website zur Handball-WM in Ägypten zu Gauthier Mvumbi, verrät, kann nicht stimmen: 110 Kilogramm soll der Kreisläufer der Demokratischen Republik Kongo auf 192 Zentimeter Körpergröße verteilen. Für Kreisläufer durchschnittliche Maße. Schaut man auf die Bilder vom Auftaktspiel seiner Mannschaft gegen Argentinien, muss man dem Weltverband Gewichtsklitterung unterstellen. Mvumbi dürfte deutlich schwerer sein. Geschenkt. Denn am augenscheinlichsten ist etwas anderes: Der Mann, der im Alltag in der vierten französischen Liga unterwegs ist, ist ein erfolgreicher Handballprofi.

Viermal traf der 26-Jährige gegen Argentinien - bei vier Versuchen. Eine Quote, von der Weltstar Uwe Gensheimer bei diesem Turnier bisher nur träumen kann: Der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft vergab in der Auftaktpartie des DHB-Teams gegen international bestenfalls drittklassige Uruguayer vier Würfe und zog sich dafür den Unmut seines Trainers Alfred Gislason zu. "Uwe hat für meinen Geschmack ein bisschen viel verworfen", grantelte der Isländer nach dem 43:14-Sieg seiner Mannschaft.

Probleme, die Mvumbi, der unter Pressevertretern und Fans die ganz große Geschichte außerhalb der Corona-Blase des ersten Spieltags schrieb, nicht hat. Mit überraschender Wendigkeit bewegte sich der Koloss am Kreis, bisweilen flog er Argentiniens Torwart sogar noch ein paar Meter entgegen - und versenkte seine Versuche absolut konsequent. Ein Video mit seinen Highlights aus dem Argentinien-Spiel wurde auf Mvumbis Instagram-Account bereits mehr als 55.000-mal geliket.

"Schönste Zeit in meinem Leben"

"Spaß haben und einige Teams ärgern", wolle "El Gigante" mit seinem Team, das dank der Aufstockung des Teilnehmerfeldes auf 32 Mannschaften zum ersten Mal bei einer WM dabei sein darf. Gegen Argentinien gelang das noch nicht, trotz der Treffer Mvumbis verlor die Demokratische Republik Kongo 22:28. Auch, weil der am gegnerischen Kreis starke Mvumbi doch sichtbare Probleme in der Rückwärtsbewegung hat. Im Handball wird das auch von Teams unterhalb der Weltklasse bestraft.

Ob das mit dem Ärgern im zweiten Vorrundenspiel klappt, muss auch angezweifelt werden: Heute Abend geht es ab 20.30 Uhr gegen Titelverteidiger Dänemark. Bei denen steht Welttorhüter Niklas Landin, frischgebackener Champions-League-Sieger mit dem THW Kiel, zwischen den Pfosten. Wenn Mvumbi an seinen Aufgaben wächst, wird er auch die Geschichte des zweiten Vorrundenspieltags schreiben. An einen Sieg oder einen Punkt denkt bei den Afrikanern im Spiel gegen die mit Weltstars gespickten Dänen natürlich niemand.

Für das Spiel gegen die Übermannschaft dieser Tage haben Mvumbi und seine Kollegen aber dennoch ein buchstäblich greifbares Ziel: Das ikonische Stirnband von Dänemarks Superstar Mikkel Hansen. In der kongolesischen mannschaft sei ein Wettbewerb entstanden, wer Hansen sein Stirnband mopsen könnte, erzählte Mvumbi. Und er wolle doch sehr gerne gewinnen. "Ich weiß nicht, was derjenige gewinnen wird, wenn er Erfolg hat, aber das ist die Herausforderung", so Mvumbi.

"Ich verstehe noch nicht ganz, was gerade passiert"

Egal, was passiert: Der gigantische Kreisläufer erlebt in Ägypten "die schönste Zeit meines Lebens". Und das ist eben auch eine Geschichte dieser WM, die mit ihren 32 aus aller Welt eingeflogenen Mannschaften so gar nicht in diese Zeit passt. Die Begeisterung der Teilzeit-Profis oder Amateure darüber, dabei zu sein.

Eine Erfahrung, die auch die deutsche Mannschaft mit ihrem heillos überforderten Gegner Uruguay machen durfte. Die Südamerikaner bejubelten bis zum Schluss jede einzelne erfolgreiche Aktion - ungeachtet dessen, dass sie "ein bisschen Probleme mit dem Arbeitsgerät" hatten und der ein oder andere auf der Mittelposition "auch ein bisschen übergewichtig" schien, wie Bob Hanning, Vizepräsident des DHB in der Halbzeit etwas unnötig despektierlich analysiert hatte. Gauthier Mvumbi hatte Hanning da noch gar nicht gesehen.

Später fing der mächtige Funktionär seine Aussage aber schnell wieder ein: Wichtig sei es, die kleineren Nationen mitzunehmen, sagte Hanning im Interview mit ntv. "Genau so ist es", dass sie die große Bühne bekommen sollen. Die große Bühne hat der Größte optimal genutzt. Die schönste Zeit seines Lebens, sie erreicht heute Abend im größten Spiel in der Geschichte des kongolesischen Handballs ihren Höhepunkt. Und niemand wird es verhindern, nicht Niklas Landin, nicht Mikkel Hansen, keine gewaltige Klatsche und auch nicht - wie Mvumbi es nennt - "ein scheiß Virus".

Ein Traum ist ohnehin schon wahr geworden: Auf seiner Instagram-Seite postete "El Gigante" eine Nachricht von Shaquille O´Neal. Dem einstigen Basketball-Superstar, selbst ein Koloss und eigentlich eher unverdächtig, ein Handball-Experte zu sein, war die Leistung Mvumbis in den fernen USA nicht verborgen geblieben. "Ein Traum wird wahr", kommentierte Mvumbi. "Ich glaube es nicht. Mein Idol Shaq, mein Star. Ich verstehe noch nicht ganz, was gerade passiert, aber ich sage euch: Lebe deinen Traum und kämpfe für das, was du bist." Was ein bisschen Übergewicht und vier Treffer alles auslösen können.

Quelle: ntv.de


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