Beim Video-Telefonat für dieses Interview ist zu sehen, das auf einer Kommode hinter seinem Schreibtisch ein Buch von Huazhu-Gründer Ji Qi steht. Der 53-jährige Multimilliardär, Gründer des chinesischen Hotelkonzerns Huazhu und Eigentümer der Deutschen Hospitality, hat ein Buch mit seinen Erfahrungen als Gründer und Unternehmer publiziert: "The Founder's Notes".
Während dessen Hotels in China nach der Pandemie-Pause längst wieder auf Hochtouren laufen, verharrt Europa im zweiten Shutdown. Es gelten strikte Reisebeschränkungen. Die Deutsche Hospitality hält in ihren rund 120 Häusern einen Notbetrieb aufrecht und zehrt von ihren Reserven.
Capital: Sie haben Ihr Amt bei der Deutschen Hospitality im November zu Beginn der zweiten Corona-Welle angetreten, als auch alle Hotels ihren Betrieb wieder herunterfahren mussten. So hatten Sie sich den Start wohl kaum vorgestellt?
Marcus Berhardt: Jeder kann bei schönem Wetter segeln, aber wenn der Sturm aufkommt, zeigt sich, wer noch die Taue in der Hand hat. Wir haben ein gutes Team und stellen uns der Herausforderung. In den vergangenen Wochen konnten wir schon neue Topexperten ins Unternehmen holen. Dabei sind wir noch am Anfang des Transformationsprozesses der Gesamtorganisation. Wir sind sehr aktiv und spüren trotz der derzeitigen Situation eine Aufbruchstimmung.
Viele andere Hotels kämpfen durch den abrupten und langanhaltenden Buchungsstopp ums Überleben. Das wird doch an ihrem Unternehmen nicht spurlos vorbeigehen?
Rund zehn Prozent unserer Häuser sind aufgrund der gesetzlich verordneten Corona-Maßnahmen geschlossen. Über 100 Hotels sind derzeit geöffnet, fast alle davon sind im so genannten Sleep Modus mit einem Minimum an Mitarbeitern, die den Betrieb aufrechterhalten für die Gäste, die für erforderliche Geschäftsreisen bei uns buchen. Dazu zählen zum Beispiel Airline-Crews und medizinisches Personal. Auch die Bundesregierung ist ein sehr wichtiger und langjähriger Geschäftspartner.
Reicht das denn für einen kostendeckenden Betrieb, für den nach Branchenschnitt eine Auslastung von mindestens 50 Prozent nötig ist?
2020 hatten wir eine durchschnittliche Auslastung von 30 Prozent. Jedes einzelne Haus, das einen Beitrag dazu leisten kann, dass wir unsere Fixkosten reduzieren können, hilft unserer Bilanz. In den vergangenen Jahren wurde gut gehaushaltet, aber irgendwann ist jedes Sparschwein einmal leer. Wir haben das Glück, dass Ende 2019 kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie der Huazhu-Konzern als neuer Investor bei uns eingestiegen ist. Huazhu-Chef Ji Qi glaubt an uns, unterstützt uns, fordert uns aber auch und ist nicht bereit, einfach nur so Geld zu überweisen. Wir sind definitiv auch auf staatliche Unterstützung angewiesen. Wir sind ein Unternehmen, das seit neunzig Jahren in Deutschland ansässig ist und hier Steuern zahlt.
Sie profitieren mit ihren rund 11.000 Mitarbeiter bereits vom staatlich geförderten Kurzarbeitergeld. Sind weitere Kompensationen bei Ihnen angekommen?
In der Hotellerie kommen die versprochenen Ausgleichszahlungen leider noch nicht im erforderlichen Maße an. Da sehen wir großen Nachholbedarf. Die Hotelbranche beschäftigt in Deutschland über zweieinhalb Millionen Menschen, findet aber offensichtlich leider nicht so viel Gehör bei der Regierung wie die Automobilindustrie oder die Airlines. Die Entscheidung der Europäischen Union (Anmerkung der Redaktion: Genehmigung von Beihilfen für große Unternehmen) ist nun ein Lichtblick. Wir hoffen, dass dies politischen Zusagen auch zeitnah umgesetzt werden.
Wie lange müssen Sie denn noch durchhalten? Auf welche Krisenszenarien stellen Sie sich ein?
Für unsere Branche gibt es zumindest für das nationale Geschäft ein unheimlich großes Potential. Die Menschen wollen reisen sobald das wieder möglich sein wird. Aber viele werden voraussichtlich zunächst im sicheren Umfeld, innerhalb des Landes zu Zielen fahren, die sie mit der Bahn oder mit dem Auto erreichen. Geschäftsreisen und internationale Langstreckenflüge werden sich nicht so schnell erholen. Ich denke, dass wir frühestens erst 2022 einen Aufschwung in unserem Geschäft sehen werden. Das hängt natürlich auch davon ab, wie sich die Impfstoffverteilung entwickelt und ob sich daraus auch Konsequenzen für Geimpfte und Nichtgeimpfte ergeben.
Sie meinen die Diskussionen um Impfnachweise, wonach geimpfte Bürger künftig mehr Privilegien und Freiheit haben könnten als nicht geimpfte?
Als die australische Fluggesellschaft Qantas Ende November angekündigt hatte, dass sie künftig nur noch geimpfte Passagiere transportieren werde, hat das auch bei uns im Management eine große Diskussion ausgelöst. Was heißt das für einen Hotelbetrieb? Müssen wir künftig auch Impfnachweise verlangen? Sollen wir unseren Kunden vor großen Messen und Kongressen sagen, dass wir nur geimpfte Menschen in unsere Häuser reinlassen? Wie soll das gehen? Für mich persönlich ist das mehr eine ethische Frage, die es zu beantworten gilt, da wir keine Zweiklassen-Gesellschaft schaffen sollten.
Und wie sind Ihre Antworten darauf?
Darauf haben wir noch keine Antworten. Die Diskussion geht auch weit über unsere unternehmerische Verantwortung hinaus. Denn letztlich muss geklärt werden, inwieweit das ethisch und rechtlich zu vertreten ist und welche Konsequenzen daraus entstehen. Darüber sollte dringend ein verbindlicher politischer Konsens gefunden werden. Gleichzeitig wird auch jeder einzelne für sich klären müssen, ob er im persönlichen Umgang mit anderen Menschen einen Unterschied zwischen Geimpften und Nichtgeimpften macht.
Verfolgt Ihr neuer asiatischer Eigentümer diese Diskussionen?
Wir reden regelmäßig per Videokonferenz miteinander. Er interessiert sich für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa und im speziellen in Deutschland. Wir müssen dem Eigentümer schon erläutern, dass wir noch mitten in der zweiten Welle stecken, dass vielleicht noch eine dritte kommt und sich die Unsicherheiten und Restriktionen noch länger hinziehen. In China wurde die Pandemie sehr rigoros bekämpft. Die Hotels dort sind seit einigen Monaten wieder geöffnet und Huazhu ist mit seinen Häusern im Ein- bis Drei-Sterne-Bereich bereits wieder auf einem Buchungsniveau von gut 90 Prozent des Vorkrisen-Niveaus. Dies entwickelt sich auch in China durch den Inlandstourismus. Bei 1,4 Milliarden Menschen ist dies natürlich eine Menge an Buchungen und Übernachtungen. Huazhu hat ein Portfolio von 6800 Hotels, die von 150 Millionen Gästen frequentiert werden. Wenn davon irgendwann einmal zehn Prozent zu uns nach Europa kommen würden, wäre ich sehr glücklich.
Ist das der Plan, dass die Steigenberger- und Intercity-Hotels in Europa mehr Kunden aus Asien anlocken?
Zunächst hilft der Huazhu-Konzern uns dabei, mit unseren prestigeträchtigen Marken in Asien stark zu wachsen, sogar mit Luxuskonzepten, die sich in Europa nicht durchsetzen würden. Derzeit werden acht neue Hotelkomplexe gebaut – jeweils drei Steigenberger in China und Indien sowie zwei Intercity Hotels in China.
Neben dem Markteintritt in diesen Wachstumsmärkten, planen Sie aber auch kräftiges Wachstum im europäischen Heimatmarkt. Oder wird es wegen der Krise Abstrich geben?
Nein, jede Krise bietet ihre Chancen. Das organische Wachstum wird weniger, aber in den kommenden Monaten werden zahlreiche Übernahmekandidaten mit mehreren hundert Häusern auf den Markt kommen, durch die wir noch schneller wachsen können. Bis 2025 wollen wir an den Top-drei-Hotelgesellschaften in Europa andocken mit rund 700 Häusern. Derzeit spielen wir eher im hinteren Mittelfeld.
Unter dem Dach der Deutschen Hospitality versammeln Sie mit Steigenberger Hotels & Resorts, Intercity Hotel, MAXX by Steigenberger, Jaz in the City und Zleep Hotels bereits fünf Marken. Wollen Sie das Sammelsurium durch Zukäufe noch erweitern?
Unser Fokus bei Zukäufen wird im Ein- bis Drei-Sterne-Bereich liegen, wo wir mit Intercity Hotel und Zleep Hotels bereits sehr gut positioniert sind. Diese Bereiche haben sich auch in der Krise bewährt. Um kein Sammelsurium zu verwalten, werden wir die Struktur unserer Organisation ändern. Statt nach Marken werden wir das Unternehmen künftig nach Segmenten von Economy bis Luxus führen. Dann ist es auch einfacher, einen Zukauf schnell und effizient zu integrieren.
Das heißt für den Luxusbereich rund um die Marke Steigenberger ist kein weiteres Wachstum außerhalb Asiens geplant?
Wir sind auch da offen für weiteres Wachstum. Wir werden diesen Bereich gliedern in den Luxusbereich mit dem Großteil unserer bestehenden 60 Steigenberger Hotels und einem Segment für sehr außergewöhnliche und prestigeträchtige Häuser wie den Frankfurter Hof, das Parkhotel Düsseldorf oder unsere Grandhotels Petersberg, Davos und Leipzig. Hier arbeiten wir derzeit an der Markenpositionierung.
Viele Ihrer Häuser sind auf Geschäftsreisende ausgerichtet. Dieser Markt wird auch nach der Krise voraussichtlich nicht so schnell und nicht so stark zurückkehren. Was machen Sie da?
Wir leben bislang zu 60 Prozent von Geschäftsreisenden. Viele große Firmenkunden rechnen aber damit, dass ihre Mitarbeiter künftig um 30 bis 50 Prozent weniger reisen werden. Es wird also eine deutliche Verschiebung geben, darauf müssen wir uns einstellen. Wir denken über neue Angebote nach und auch darüber, Flächen, die bislang für Konferenzen und Veranstaltungen gebucht wurden, anders zu nutzen. Am Airport Hotel in Frankfurt haben wir beispielsweise ein professionelles Filmstudio eingerichtet, das Firmen für multimediale Übertragungen nutzen können. Als weiteren Trend sehen wir Langzeitbuchungen, bei denen sich etwa Firmenmitarbeiter, die im Consultingbereich tätig sind, für mehrere Wochen oder Monate einbuchen. Dieser Gast braucht eher eine Art Appartement mit Arbeitsbereich, Küche und Service. Es sind bereits einige sehr interessante Modelle auf dem Markt, die in der Krise für viele Kunden attraktiver geworden sind. Diesen Markt schauen wir uns sehr genau an.
Zum Abschluss müssen Sie mir noch verraten, ob Sie das Buch Ihres neuen Eigentümers Ji Qi, das hinter Ihrem Schreibtisch auf der Kommode liegt, schon gelesen haben?
Natürlich habe ich die englische Version gelesen. Und wir lassen es gerade sogar ins Deutsche übersetzen, damit wir das Buch an alle Mitarbeiter verteilen können. Ich kann diese Buch sehr empfehlen.
Mit Marcus Bernhardt sprach Jenny von Zepelin. Das Interview erschien zuerst bei "Capital".
Quelle: ntv.de
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