Corona zwingt Friseure in die Schulden

  05 Februar 2021    Gelesen: 651
Corona zwingt Friseure in die Schulden

Freie Frisierplätze, Acrylwände, Handschuhe und Desinfektionsmittel: Trotz umfangreicher Vorsichtsmaßnahmen dürfen Friseure ihre Läden nicht öffnen, und viele Inhaber gehen bei den Überbrückungshilfen leer aus. In der Not schneiden einige jetzt illegal die Haare ihrer Kunden, andere finden das unsolidarisch.

Die Friseursalons in Deutschland sind seit Mitte Dezember wieder dicht. Während viele Besitzer Existenzsorgen plagen, kämpfen ihre Kunden mit dunklen Ansätzen oder herausgewachsenen Schnitten. Bei einigen ist die Unzufriedenheit mit ihrer äußeren Erscheinung groß: Auch in dem Salon von Kirstin Ellen Vietze in Berlin-Mitte rufen seit der Schließung immer wieder Menschen an, die sich trotz Lockdown die Haare schneiden oder färben lassen wollen.

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Dass sie ihren Kunden bereits ab Mitte Februar wieder Termine anbieten kann, daran glaubt Vietze nicht. "Ihnen deswegen privat die Haare schwarz zu schneiden, kommt für mich aber auch nicht infrage", sagt Vietze ntv.de. Das wäre ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz, denn körpernahe Dienstleistungen - worunter auch das Frisieren fällt - sind untersagt. Bis zu mehreren Tausend Euro Strafe drohen denen, die erwischt werden.

Bereits im vergangenen Jahr hat Vietze alle Forderungen der Berufsgenossenschaft umgesetzt: Durch den Mindestabstand konnte an sechs Frisierplätzen nicht gearbeitet werden, und Anschaffungen wie Masken und Händedesinfektionsmittel haben die Friseurin 20.000 Euro gekostet. "Unter diesen Umständen schaffen wir es nicht, kostendeckend zu arbeiten, dafür sind unsere Gewinnspannen zu klein", sagt Vietze.

Umsatzeinbrüche von rund 30 Prozent

Auf die Unterstützung des Staates kann die Friseurin nicht setzen. Denn die Branche kommt bei den verschiedenen Hilfspaketen für die Wirtschaft besonders schlecht weg. Soforthilfen nach Ausbruch der Pandemie im vergangenen Frühjahr mussten in der Regel wieder zurückgezahlt werden, zudem haben die meisten Salons keinen Anspruch auf die relativ üppige Dezemberhilfe, die sich am Vorjahresumsatz orientiert.

"Uns steht das Wasser bis zum Hals - wir brauchen endlich schnelle und umfassende Hilfe vom Staat", sagt Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. Bei vielen Friseuren seien die Konten leer. Die Miete und andere Fixkosten müssten weiterbezahlt werden, obwohl es keine Einnahmen gebe. "Wir leisten einen immensen Beitrag zur Pandemiebekämpfung, sind aber trotzdem von der Politik vergessen worden", moniert Esser mit Blick auf die von den Friseuren umgesetzten Schutzmaßnahmen.

Der zweite Lockdown bedroht dem Branchenvertreter zufolge etliche Existenzen der in Deutschland rund 80.000 Betriebe. Beim Friseurhandwerk gehe es um Kleinbetriebe, so Esser. Sie seien allein schon deshalb auf Hilfe angewiesen, um die Laden-Miete zu zahlen. Für das gesamte Jahr rechnet der Verband mit Umsatzeinbrüchen von rund 30 Prozent.

Viele Friseure hoffen jetzt auf die "Überbrückungshilfe III", die allerdings anhand der Fixkosten berechnet wird und dadurch relativ gering ausfallen dürfte. Eine erste Teilzahlung erfolgt im Februar, der Rest im März. Viel zu spät für Vietze, die die Gehälter ihrer 22 Angestellten nun vorschießen muss.

"Wenn ich sehe, was einige in der Schattenwirtschaft für Schindluder treiben, ärgere ich mich besonders darüber, dass wir durch das Raster fallen." Schließlich sei es viel gefährlicher, sich die Haare zu Hause als im Salon schneiden zu lassen, sagt Vietze. Denn dort würden Hygienemaßnahmen sicherlich weniger konsequent umgesetzt.

Hinweise darauf, dass in Deutschland trotz Verbot weiter frisiert werde, gibt es laut Verband etliche. Dafür müsse man sich nur auf der Straße umschauen. Der Branchenverband gibt Vietze recht: Angesichts der Corona-Pandemie sei das doppelt problematisch, denn Abstandsregeln und Hygienevorschriften würden dabei nicht eingehalten. Sichere Friseurdienstleistungen seien nur in den Profi-Salons möglich.

Auch ohne Kunden genug zu tun

Sollten Friseure entgegen den Erwartungen doch noch Mitte des Monats öffnen dürfen, erwartet Vietze zwar in den ersten Tagen einen Kundenansturm. "Ich befürchte aber, dass wir einerseits zu wenig Umsatz machen werden, um die laufenden Kosten des Monats zu decken und andererseits zu viel Umsatz machen, um Anspruch auf Corona-Hilfen zu haben."

Im ersten Lockdown konnte Vietze ihr Geschäft noch durch ein Darlehen ihres Mannes am Laufen halten. Als klar wurde, es geht in die Verlängerung, war sie kurz davor aufzugeben. Inzwischen versucht die Friseurin, aus der Ferne für ihre Kunden da zu sein. Wer bei einer Video-Konferenz gut aussehen muss, dem schickt sie das Haarfärbemittel für den Ansatz einfach nach Hause.

Paket packen, Rechnungen bezahlen, Absprachen mit dem Steuerberater: Auch ohne Kunden im Geschäft gebe es viel zu tun, erzählt Vietze. Als Nächstes plant die Friseurin, einen Schnellkredit aufzunehmen. "Zwei weitere Monate halten wir das nicht durch. Schließlich will auch der Kredit finanziert werden."

Quelle: ntv.de


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