Forscher: Mutanten läuten dritte Welle ein

  18 Februar 2021    Gelesen: 603
  Forscher: Mutanten läuten dritte Welle ein

Deutschland hat die Infektionszahlen zurzeit scheinbar gut im Griff. Inzidenz von 35 und damit einhergehende Lockerungen rücken für viele Regionen in greifbare Nähe. Doch jede Form der Öffnung berge große Risiken, mahnt nun ein Forscher mit Blick auf die schnelle Ausbreitung der Coronavirus-Mutanten.

Die ansteckenderen Varianten des Coronavirus breiten sich in Deutschland immer weiter aus. Bei jeder fünften Infektion stellt sich schon jetzt die britische Variante B.1.1.7 als Erreger heraus - weit mehr als noch vor zwei Wochen, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) aktuell mit. Angesichts der wachsenden Zahlen warnt der System-Immunologe Michael Meyer-Hermann davor, dass die Varianten die von der Politik angepeilte Inzidenz von 35 Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche torpedieren könnten.

Sollte sich das Vorkommen der Mutante B.1.1.7 ungünstiger entwickeln als erwartet, könne es sein, dass die 35 mit dem aktuellen Lockdown gar nicht zu erreichen sei, sagte Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig dem "Tagesspiegel". Jede Form von Öffnungen zum jetzigen Zeitpunkt berge ein hohes Risiko, die gesetzten Ziele nicht erreichen zu können.

Denn Deutschland hat laut dem Wissenschaftler ein doppeltes Problem: "Wir sind aktuell mit mindestens zwei Pandemien konfrontiert", erklärte Meyer-Hermann. "Die alte haben wir mit den aktuellen Maßnahmen unter Kontrolle und bringen die Inzidenzen mit einer Reproduktionszahl von 0,85 runter." Gleichzeitig fände aber gerade eine Ausbreitung der neuen Variante statt, deren Reproduktionszahl über eins liege, gab der Forscher zu bedenken. Die Mutante B.1.1.7 hat konservativen Schätzungen zufolge eine um 35 Prozent höhere Übertragungswahrscheinlichkeit. "Sie befindet sich in Deutschland bereits in einer Phase des exponentiellen Wachstums, und die aktuellen Maßnahmen reichen nicht, um diese Entwicklung auszubremsen", so Meyer-Hermann. "Je mehr man jetzt aufgrund der fallenden Inzidenzen lockert, desto früher wird die dritte Welle mit B.1.1.7 sich entwickeln. "

Forscher plädiert für Inzidenz-Ziel von 10

B.1.1.7 expandiere mit niedrigen absoluten Fallzahlen exponentiell mit einer Reproduktionszahl über eins. "Grob geschätzt 1,2", erklärte der Forscher. "Das sieht man nur nicht, weil immer noch die meisten Fälle mit der alten Variante auftreten." Über kurz oder lang werde B.1.1.7 dominieren, ist er sich sicher. "Die Verlangsamung zeigt an, dass die neue Variante gerade übernimmt und die dritte Welle einleitet."

In Großbritannien dominiert die Variante B.1.1.7 inzwischen das Infektionsgeschehen: In fast 90 Prozent aller untersuchten Proben wurde zuletzt die Mutation nachgewiesen, in London sind es sogar 97 Prozent. Auch in Dänemark findet sich die Variante B.1.1.7 bereits in mehr als jeder vierten Probe.

Eine ähnliche Expansion in Deutschland lasse sich durch Beibehaltung der aktuellen Maßnahmen so lange verzögern, dass die Fallzahlen hinreichend sinken würden, sagte Meyer-Hermann dem "Tagesspiegel". Daher plädierte er für ein Inzidenz-Ziel um die 10. Mit der dann besseren Nachverfolgung lasse sich die dritte Welle noch abfangen, so der Forscher. Eine Diskussion über Öffnungen sei daher im Moment fatal.

Quelle: ntv.de, hny


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