Lange wurden Schnelltests in Deutschland in der Diskussion über Corona-Maßnahmen nur am Rande erwähnt, doch plötzlich geht alles ganz schnell: Ab dem 1. März sollen nach Willen von Gesundheitsminister Jens Spahn flächendeckend Antigen-Schnelltests für jedermann kostenlos zur Verfügung stehen. Allerdings soll laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung dieser Termin nicht zu halten sein - der Start soll nun um eine Woche auf den 8. März verschoben werden.
Gleichzeitig forciert der Bund die Zulassung von Schnelltests für Laien, noch im Februar könnten laut Ministerium erste Genehmigungen erfolgen. Experten begrüßen diese Entwicklung, denn die Tests können in mehrerlei Hinsicht ein wichtiger Bestandteil einer Pandemiebekämpfung sein, die weniger auf restriktive Maßnahmen setzt und Lockerungen ermöglicht.
Geschwindigkeit schlägt Genauigkeit
Antigen-Schnelltests erkennen deutlich ungenauer eine Covid-19-Infektion als PCR-Tests, was Kritiker immer wieder als Argument gegen ihren Einsatz anführen. Allerdings soll das eine das andere gar nicht ersetzen. Wenn Schnelltests anschlagen, heißt das mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass eine Person so viel Viruslast in sich trägt, dass sie ansteckend ist. Ansonsten kann ein Test trotz einer Infektion negativ ausfallen.
Ein Ergebnis hat man schon nach 15 bis 20 Minuten, man kann sich darauf allerdings höchstens für einen Tag verlassen. Schnelltests sind nur Momentaufnahmen, eine negative getestete Person kann 24 Stunden später infektiös sein. Und ein positives Ergebnis muss immer durch einen PCR-Test evaluiert werden.
Antigen-Schnelltests sind aber nahezu unschlagbar, wenn man in kurzer Zeit wissen muss, ob jemand für die kommenden Stunden ansteckend ist oder nicht. Deshalb wurde das Verfahren am 15. Oktober auch zunächst mit Vorbehalt für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in die nationale Teststrategie aufgenommen. So sollten eigentlich Angestellte von Seniorenheimen zweimal die Woche getestet werden. Dies scheiterte aber zu oft an Personalmangel, da für die Durchführung ein Ärztevorbehalt galt. Erst seit dem 18. November darf auch geschultes Personal die Tests durchführen.
Heimtests nützen allen
Das spielt gerade heute eine sehr wichtige Rolle, denn Schnelltests sind bis auf die AHA+L-Regeln das einzige Mittel, mit denen die Schulöffnungen abgesichert werden. So sollen in vielen Bundesländern Lehrkräfte das Recht auf oder die Pflicht zu regelmäßigen Tests haben.
Das ist aber nur die halbe Miete, denn eigentlich geht es darum, dass möglichst niemand in die Schule oder die Kita geht, der infiziert sein könnte, und das trifft natürlich auch auf die Kinder zu. Stationen am Schultor sind dafür kaum ein geeigneter Weg, ebenso ein Umweg auf dem Schulweg über eine Apotheke oder den Hausarzt. Hier kommen die Laien-Schnelltests ins Spiel, die jeder zu Hause durchführen kann. Vor allem ältere Kinder könnten die Tests mithilfe der Eltern machen.
Für die Initative Rapidtest.de ist dies allerdings nur der Anfang. Sie wünscht sich regelmäßige Schnelltests für alle Menschen in Präsenzberufen, also in Jobs, in denen kein Homeoffice möglich ist. Nachdem der aktuelle Lockdown bereits viele soziale Kontakte einschränkt, liegt die Vermutung nahe, dass zahlreiche Infektionen im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stattfinden.
Besonders wichtig für Präsenzberufe
Das RKI schreibt im Lagebericht vom Sonntag: "Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht." Jeder genannte Bereich ist ein ideales Einsatzgebiet für Schnelltests. Es gibt zwar keine Zahlen oder Modelle, die dies eindeutig belegen. Man kann sich aber leicht vorstellen, welchen Effekt auf das Infektionsgeschehen es hätte, würden sich dort die Menschen regelmäßig testen.
Rapidtest.de denkt aber noch weiter, die Initiative wünscht sich, dass sich ein möglichst breiter Teil der Bevölkerung zweimal pro Woche testet. Die Initiative ist der deutsche Ableger von Rapidtest.org, dessen Vordenker der Harvard-Wissenschaftler Michael Mina ist. Für einen Effekt, ähnlich dem von Impfungen, genüge sogar, wenn die Hälfte der Bevölkerung den Test einmal die Woche an einem bestimmten Tag durchführt, sagte er vor einem Monat in einem Medscape-Interview. Dies könne in der Breite die Reproduktionszahl R so senken, "dass der Ausbruch, anstatt exponentiell anzusteigen, exponentiell abzufallen beginnt."
Ungenutzter Wellenbrecher
Da eine dritte Corona-Welle befürchtet wird, weil die britische Mutante B.1.1.7 einen höheren R-Wert als das bisher verbreitete Virus hat, reicht ein wöchentlicher Test möglicherweise nicht. Bei einer Verdoppelung fiele der Effekt aber entsprechend stärker aus.
"Würden sich 50 Prozent der Bevölkerung zweimal wöchentlich mit Selbsttests testen und dann bei positivem Ergebnis sofort isolieren, könnte der Effekt etwa so stark sein wie der Lockdown von Mitte Dezember 2020 bis Februar 2021", sagte Rapidtest-Mitglied Nik Kolb ntv.de. "Regelmäßige Selbsttests sind also eines der besten zusätzlichen Instrumente um die Pandemie zu kontrollieren und trotzdem wenden wir es nicht an."
Die Befürchtung, dafür gäbe es wie bei den PCR-Tests nicht ausreichend hohe Kapazitäten, teilt Kolb nicht. Mittelfristig rechne er nicht mit Engpässen. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte heute, Deutschland habe sich für dieses Jahr 500 Millionen Stück und zusätzlich auf europäischem Wege 300 Millionen Schnelltests gesichert.
"Mittelfristig keine Engpässe"
Wenn die Lizenzen für Heimtests erteilt werden, dürften die Hersteller recht schnell in der Lage sein, große Mengen zu liefern. Die Hamburger Firma MEDsan gab beispielsweise bei "Stern TV" an, bis zu 1,2 Millionen Tests täglich produzieren zu können. Preis: 5 Euro pro Stück. Laut Nik Kolb haben derzeit bereits über 30 Unternehmen einen Antrag auf Sonderzulassung gestellt.
Die Chancen, dass die Kosten für Heimtests zumindest teilweise übernommen werden, sind recht gut. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt, dies liege in der Zuständigkeit der Länder. Die Nationale Teststrategie des Bundes halte einen niedrigschwelligen Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger - gegebenenfalls gegen eine geringe Eigenbeteiligung von 1 Euro - für sinnvoll.
Quelle: ntv.de
Tags: