"Schon ein Trip könnte Depressionen heilen"

  23 Februar 2021    Gelesen: 466
"Schon ein Trip könnte Depressionen heilen"

Bei der Behandlung von Depressionen sind halluzinogene Pilze große Hoffnungsträger. Auch die Tech-Elite aus dem Silicon Valley hat "Magic Mushrooms" längst für sich entdeckt. Im Interview erzählt Investor Christian Angermayer von eigenen Trips und warum der neue Shroom-Boom auch seine Tücken hat.

ntv.de: Sie haben bereits vor Jahren Ihre erste eigene "Triperfahrung" gemacht. Wie lässt sich das beschreiben?

Christian Angermayer: Meinen ersten Trip mit psychedelischen Pilzen hatte ich 2014 auf einer karibischen Insel. Solch eine transzendente Erfahrung lässt sich nur extrem schwer ohne religiöse Terminologien beschreiben. Durch psychedelische Substanzen wird der Bereich im Gehirn, indem das Ego sitzt, heruntergefahren. Und in dem Moment, indem das passiert, kommt deine Seele, deine innere Stimme zum Vorschein. Das ist wie 10.000 Stunden Psychotherapie, nur innerhalb von rund vier Stunden. Seitdem wir auf der Welt sind, wird uns vorgeschrieben, wie wir sein müssen und wie wir uns anpassen sollen. Dadurch wird unser eigentliches Wesen oft unterdrückt. Durch einen Trip mit psychedelischen Pilzen erkennst du dich selber und was dich wirklich ausmacht. Das ist für viele Menschen unglaublich heilsam.

Was haben Sie davon für Ihr Leben mitgenommen?

Viele Erkenntnisse scheinen auf den ersten Blick sehr banal. Das sind sie oftmals sogar auch. Auf einem meiner ersten Trips ist mir zum Beispiel klar geworden, wie wichtig mir meine Eltern sind und dass ich in Zukunft mehr Zeit mit ihnen verbringen möchte. Ein Kritiker könnte sagen, dass man eine solche Erkenntnis auch in fast jedem Selbsthilfebuch finden kann. Allerdings erlebt man eine solche Erkenntnis auf einem Trip in einer derartigen Intensität, dass man danach auch wirklich etwas verändert.

Woher kommt Ihr Interesse an psychedelischen Pilzen?

Es gibt viele Menschen, die psychedelische Pilze nehmen, weil es ihnen nicht gut geht. Bei mir war das komplett anders. Ich würde mich als extrem zufrieden und glücklich beschreiben. Ich hatte zuvor noch nie Interesse an Drogen, also wirklich null. Ich habe noch nie an einer Zigarette gezogen oder gar Kokain genommen, und vor allem habe ich noch nie Alkohol getrunken. Nichts davon. Als Investor liegt mein Fokus auf Biotechnologie-Unternehmen. Ein Jahr vor meinem ersten Trip hat mir ein Forscher von psychedelischen Drogen erzählt. Ich hab mich dann immer mehr mit dem Thema beschäftigt, weil die wissenschaftlichen Studien, die zum einen deren positiven Aspekte, aber vor allem auch deren kaum bis gar nicht vorhandenen negativen Effekte erforschen, sehr beeindruckend waren. Und ich glaube, die richtigen Sachen passieren zur richtigen Zeit, wenn man mit einem offenen Herz und einem offenen Geist durchs Leben geht. Als ich dann in der Karibik die Möglichkeit hatte, "Magic Mushrooms" auszuprobieren, war ich neugierig. Ich hatte wirklich keine Erwartung. Am Ende war es das Wichtigste und Bewegendste, was ich jemals erlebt habe.

Das Unternehmen Compass Pathways will mentale Krankheiten durch Psilocybin therapieren, dem Inhaltsstoff von sogenannten "Magic Mushrooms". War Ihr Trip der Grund, warum Sie investiert haben?

Mir hat mein Trip unglaublich viel gegeben. Als Unternehmer habe ich mir dann überlegt: Wenn ich schon so sehr davon profitiert habe, wie sehr kann das dann erst Menschen helfen, die unter mentalen Krankheiten wie etwa Depressionen und Angstzuständen leiden? Für mich war klar: Psychedelische Pilze müssen für medizinische Zwecke wieder legal werden. Also ich dann George Goldsmith und Ekaterina Malievskaia getroffen habe, die ähnliche Überlegungen hatten, haben wir zusammen Compass Pathways gegründet.

Wie weit ist der Weg bis dahin noch?

Compass Pathways wird dieses Jahr die zweite Phase des Zulassungsprozesses beenden. Das heißt in einigen Jahren, und damit für Biotechs ziemlich schnell, könnte es wieder Psilocybin-Therapien unter der Aufsicht eines Arztes geben.

Wie teuer ist die Herstellung von Psilocybin?

Technisch gesehen ist das Verfahren kompliziert. Deswegen war Compass Pathways auch in der Lage, dafür ein Patent zu bekommen. Wir geben ein paar Hundert Millionen Dollar aus, um Psilocybin zuzulassen. Deswegen brauchen wir auch einen Patentschutz, damit am Ende nicht jeder den Stoff produzieren kann. Kompliziert heißt aber nicht, dass es schlussendlich in der Massenproduktion teuer sein wird.

Wie wird so eine Pilz-Therapie ablaufen?

Die genauen Richtlinien wird Compass Pathways gemeinsam mit der FDA in der Phase 3 festlegen. Und ein wichtiger Teil davon wird - wie bei jeder Krankheit - die Einschätzung des behandelnden Arztes sein. Was wir in den Studien jetzt gerade aber schon sehen, ist, dass wahrscheinlich ein Trip schon genügen kann, um Depressionen zu heilen.

Sollten psychedelische Pilze frei verfügbar sein?

Nein. Wir wollen, dass Patienten psychedelische Pilze im Rahmen einer Therapie zusammen mit ihrem Arzt oder Therapeuten legal einnehmen können. Die Einnahme von "Magic Mushrooms" ist kein Partytrip. Niemand will so eine Erfahrung am Wochenende machen. Niemand will in der Disko stehen und den Selbsterkenntnistrip seines Lebens haben. Wenn man sich seinen Ängsten und Verletzungen stellt, muss das nicht immer schön sein. Aber eben heilsam. Und man braucht zwingend jemanden, der einen auf dieser Reise begleitet.

Welche Gefahren gibt es?

Depressionen sind eine ernste Krankheit. Ein Grund für Depressionen können beispielsweise unbehandelte Traumata sein. Bei einem Trip werden die an die Oberfläche gespült. Das kann sehr anstrengend sein. Dafür braucht man einen geschulten Therapeuten, der einen begleitet. Sonst könnte das auch mal nach hinten losgehen. Selbst für mental gesunde Menschen kann ein Trip mit "Magic Mushrooms" eine Herausforderung sein. Ich nehme inzwischen einmal im Jahr psychedelische Pilze - aber immer unter Aufsicht und in Ländern, in denen diese heute schon legal sind. Gerade weil psychedelische Pilze so wirkungsmächtig sind, müssen sie immer unter Aufsicht eingenommen werden.

Wie hoch schätzen Sie das Marktpotenzial von psychedelischer Medizin ein?

Im zweistelligen Milliardenbereich. Weltweit leiden Hunderte Millionen Menschen unter Depressionen, Angstzuständen oder Traumata. Und leider wird die Zahl der Patienten mit mentalen Krankheiten aktuell aufgrund von Covid-19 nochmals deutlich größer. Mentale Gesundheit ist der größte Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Psychotherapien sind teuer und dauern oft sehr lang. Und alleine sind sie wenig wirksam. Eine Psychotherapie in Verbindung mit psychedelischen Pilzen kann aber Heilung bringen.

Compass Pathways ist inzwischen an der Börse. Das Unternehmen macht aber noch keinen Gewinn.

Das ist normal für Biotech-Unternehmen. In der Zulassungsphase machen solche Firmen keine Umsätze, sondern nur Kosten. Das Produkt wird ja noch erforscht. In dem Moment, indem das Produkt zugelassen wird, ändert sich das schlagartig. Wir wissen: Wenn Compass Pathways ein Medikament für Depressionen auf dem Markt hat, folgt sofort ein Umsatz von Hunderten Millionen, wenn nicht Milliarden Dollar pro Jahr.

Dafür müssen psychedelische Pilze aber erstmal als Arzneimittel zugelassen werden.

Das wird passieren. Davon bin ich überzeugt. Ansonsten würde ich das Vorhaben als Investor nicht finanzieren. Compass Pathways hat von der FDA vor zwei Jahren den Status "break through therapy designation" bekommen. Das ist eine sehr seltene Einschätzung, die dann vorgenommen wird, wenn ein Medikament in der Entwicklung sehr aussichtsreich ist und eine Marktlücke füllt. Das ist also zumindest ein gutes Indiz, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Anleger stehen schon in den Startlöchern. Kommt nach dem Hanf-Hype jetzt der Shroom-Boom?

Ja. Aber glücklich bin ich darüber nicht. Cannabis und Hanf waren, abgesehen von medizinischem Cannabis, immer ein Konsumenten-Thema. Vor allem in Amerika. Jeder konnte in das Geschäft einsteigen. Compass Pathways hat das Patent für die Herstellung von synthetischem Psilocybin. Gleichzeitig geht es der FDA alleine um das Medizinprodukt. Wir reden hier über Arzneimittelherstellung nach Pharmastandards. Es macht auf den ersten Blick den Eindruck, hat am Ende mit dem Hanf-Hype aber wenig zu tun.

Was müssen Anleger beachten?

Weil es bei Psilocybin und anderen psychedelischen Substanzen um die Zulassung als Arzneimittel und damit automatisch um entsprechende Patente geht, wird es pro Substanz nur einen Gewinner geben. Ich würde Anlegern empfehlen, sich gut einzulesen und nicht blind in Firmen zu investieren, auf denen "Magic Mushrooms" draufsteht. Es gibt nämlich wirklich viele Trittbrettfahrer, die den Boom ausnutzen wollen, und die meines Erachtens keinen Wert haben, weil sie keine Patente haben und damit nie ein kommerzielles Produkt auf den Markt bringen können.

Mit Christian Angermayer sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de


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