Maybach GLS - Gitarrenrock statt Auto-Tune

  01 März 2021    Gelesen: 856
  Maybach GLS - Gitarrenrock statt Auto-Tune

Das S steht bei Mercedes für die mobile Luxusklasse. So ist es auch bei den SUV, wo namentlich der GLS das Ende der Fahnenstange bildet. Nur einer rangiert noch darüber: der Mercedes Maybach GLS. Er ist die letzte Stufe auf der Luxustonleiter. ntv.de hat die mal zum Klingen gebracht.

In der Liste "braucht kein Mensch, wäre aber geil, wenn man es hätte", steht der Mercedes Maybach GLS 600 4Matic ganz oben. Dieses Ungetüm, das im Innenraum das Luxusgemach des Sultans aus den "Märchen aus Tausendundeiner Nacht" nachempfindet und außen den Anzugträger mit Gummistiefeln gibt, der sich nicht zu fein ist, auch mal in die Pfütze zu treten. Damit der Schmutz nicht bis ans Chassis kommt, bestehen die Sohlen hier aus 22-Zoll-Rädern in Winter, im Sommer gibts die großen Clogs - natürlich aus feinstem Aluminium - noch eine Nummer größer. Damit die betuchte Kundschaft den Dreck untenrum nicht sofort sieht, kann sie eine Zweifarblackierung wählen, wie sie die Nachfolger von Wilhelm Maybach 1930 für den Zeppelin DS 8 ersannen.

Der hatte weiland allerdings einen 8,0-Liter-Zwölfzylinder unter der Haube, der 200 PS leistete. Darüber kann der Maybach GLS 600 heute nur müde grinsen. Zwar fehlen ihm vier Zylinder zum Dutzend, dafür schöpft er aus seinem 4,0-Liter-V8-Biturbo 612 PS und feuert bei Bedarf, verteilt über eine 9-Gang-Automatik, 850 Newtonmeter auf alle vier Räder ab. Also kein Problem, die knapp drei Tonnen in 4,2 Sekunden auf Tempo 100 zu beschleunigen. Aber, Herrgott, das interessiert in diesem Auto einfach keinen Menschen. Es will ja niemand mit einem mindestens 160.000 Euro teuren SUV ein Drag Race fahren, um auf der Viertelmeile der Erste zu sein. Dabei wäre das ganz charmant: Die Insassen werden nachdrücklich in die Polster geschoben, ohne dass auch nur ein Tropfen des Champagners, der gerade erst aus dem Kühlschrank in der Rückbank geholt wurde, verschüttet wird.

Muße und Ruhe

Anders ist es, wenn die ungefederten Massen im kurvenreichen Schwarzwald an die physikalischen Grenzen geführt werden. Da schwankt und wankt es schon mal so arg, dass dem einen oder anderen die Seekrankheit in die Magengrube fährt. Aber so scheucht man einen Maybach nicht und so wollen die, die auf der feinen Nappabestuhlung in der zweiten Reihe versunken sind, auch nicht gefahren werden. Für sie gilt der Spruch: "Menschen, die die Muße und Ruhe nicht mehr kennen, führen auch im größten Reichtum ein armes Leben." Und für arm will ja wohl keiner gehalten werden, der in einem Maybach unterwegs ist. Um am Ende die absolute Ruhe zu garantieren, ist sogar der Gebläsemotor für die Innenbelüftung gummigelagert, beschichtete Luftkanäle dämpfen die Strömungsgeräusche und die Außenluft wird sorgfältig gefiltert, bevor sie überhaupt den Innenraum erreicht.

Wenn einem jetzt noch der exklusive Maybach-Duft aus weißer Osmanthusblüte, floral und leicht, mit einer zarten Ledernote und würzigem Tee abgerundet in die Nase weht, dann wünscht man sich sehnsüchtig von der Fahrerposition auf einen der zwei hinteren Executive-Sitze mit Wadenstütze und weit nach hinten geneigter Rückenlehne. Dabei würde man zärtlich das für jeden Sitz vorhandene Kuschelkissen liebkosen und sich die butterweichen Kopfstützen vollelektrisch zurechtrücken. Die sollen nämlich auch die Schwingungen vom angelehnten Kopf fernhalten. Fragt sich: welche Schwingungen? Da gibts ja keine, wenn man nicht wie ein Bekloppter um die Kurven heizt oder jedes Schlagloch mit einem anderen Rad mitnimmt.

Wenn der Sandmann geht

Aber, was ist? Der Autor bleibt dank Corona bei diesem Test in der Chauffeurs-, statt der Ruheposition. Na gut, dem geht es da vorne auch nicht schlecht. Wenn er den Fahrmodus auf Maybach gestellt hat, dann werden Nick- und Wankbewegungen gerade für die Gäste im Fond so abgemildert, dass die Bewegungsamplitude kaum noch spürbar ist. Hinzu kommt eine so flache Gaspedalkennlinie, dass die Beschleunigung und die Schaltvorgänge so linear verlaufen, dass sich nicht mal mehr die Perlen im Champagnerglas bewegen wollen. Beim Start-Stopp wird auf die Abschaltung des Motors verzichtet, um auch das letzte Ruckeln zu unterbinden und angefahren wird im zweiten Gang. Da in der zweiten Reihe alle entschlummert sind, muss man am Lenkrad aufpassen, dass es einen nicht auch in Morpheus' Arme zieht.

Das kann einmal mehr passieren, wenn man die Armada an Assistenzsystemen aussendet und ihr den Befehl erteilt, einen Großteil der Fahraufgaben selbst zu übernehmen. Erst wenn der adaptive Abstands-Radar und seine Helfer das Gefühl haben, dass der Mann am Lenkrad so gar nicht mehr an der Fahrzeugführung beteiligt ist, wird ein Signal im Innenraum ertönen. Stellt sich raus, dass der Pilot von all dem Luxus komatisiert ist, wird der Maybach automatisch anhalten, den nachfolgenden Verkehr warnen und ein Notsignal absenden. So weit ist es bei der Testfahrt Gott sei Dank nicht gekommen. Dafür hat auch die Burmester-Soundanlage gesorgt. Die gefühlt aus allen Ecken und selbst aus dem Dach tönenden Instrumente können bei der richtigen Musikauswahl durchaus dafür sorgen, dass der Sandmann das Weite sucht.

Wo bleibt der Gitarrenrock?

Der Autor empfiehlt übrigens Puddle of Mudd, ja, die "Schlammpfütze". Und das nicht nur, weil es sich hierbei um straighte Rockmusik mit verzerrter Stromgitarre handelt, sondern auch, weil der Name der Band daran erinnert, was man mit so einem Maybach SUV noch alles anstellen könnte. Zum Beispiel ins Gelände gehen. Die Luftfederung samt ausgeklügelter Sensorik und Algorithmik macht es möglich. Aber verdammt, mit dem Schiff wird am Ende keiner durch den Schlamm schwimmen.

Vielmehr wird diese Technik wahrscheinlich nur zum Heben und Senken des Wagens beim Ein- und Aussteigen genutzt. Und so bleibt dieses Vermögen ähnlich wie das unter dem Chassis elektrisch ausfahrende mächtige Trittbrett das, was in der heutigen Musik Auto-Tune ist. Statt echte Gitarren zu spielen und mit markanter Stimme Mark und Bein zu erschüttern, wird atonales Gequake in die richtige Spur digitalisiert.

Na ja, wenn der Autor irgendwann im Lotto gewinnt, obwohl er, wie viele die das immer wieder sagen, gar nicht spielt, dann wird er sich einen Mercedes Maybach GLS 600 4Matic kaufen. Und wenn der Chauffeur frei hat, dann wird er mit der Wuchtbrumme durch die Pampa heizen und Drag Race fahren. Warum? Einfach, weil er es kann, der Maybach.

Quelle: ntv.de


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