Was die Briten besser machen

  21 März 2021    Gelesen: 689
  Was die Briten besser machen

Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt: Großbritannien verkündet stolz, inzwischen 50 Prozent aller Erwachsenen mit einer ersten Impfung gegen das Coronavirus versorgt zu haben. Gründe für den "fantastischen Erfolg" gibt es mehrere.

In Großbritannien ist schon die Hälfte aller Erwachsenen gegen das Coronavirus geimpft. Fast 27 Millionen Menschen haben eine erste Impfdosis bekommen, gut zwei Millionen auch schon die zweite Spritze. Die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson bejubelte am Wochenende einen "fantastischen Erfolg".

Während man in der EU verzweifelt auf Nachschub wartet, haben die Briten nur vereinzelt mit Lieferengpässen zu kämpfen - auch, weil sie selbst kaum Impfstoff exportieren. Doch das ist nicht der einzige Grund. Ein Überblick, warum es dort besser läuft.

Hausärzte und Apotheken: Alle, die impfen können, tun das auch - so simpel lässt sich die britische Herangehensweise zusammenfassen. So dürfen neben den Impfzentren auch schon seit Monaten Hausärzte impfen. Sogar zahlreiche Apotheken haben eine Zulassung. "Die Mehrheit der Impfungen wird von Hausärzten vergeben", erzählt der Mediziner Azeem Majeed vom Imperial College London. Bei ihren Impfzentren sind die Briten erfinderisch: Sie funktionieren auch leere Stadien, Rennbahnen, Einkaufszentren und sogar Kirchen wie die berühmte Westminster Abbey um.

Benachrichtigungen über Hausärzte: Üblicherweise sind die Briten im staatlichen Gesundheitsdienst NHS mit einer Nummer registriert - und damit bei einem Hausarzt in ihrer Nähe. Neben dem offiziellen Brief vom NHS kontaktieren die Hausarztpraxen ihre Patienten auch direkt per SMS oder Telefon, wenn sie beim Impfen an der Reihe sind. Wer keine Benachrichtigung erhält, aber nach offizieller Impfreihenfolge trotzdem dran ist, bekommt auch ohne Einladung einen Termin.

Terminvergabe: Über ein landesweit einheitliches Buchungssystem lassen sich online Impftermine in den Zentren buchen. Dabei stehen meist mehrere Orte zur Auswahl, außerdem lassen sich genaue Uhrzeiten buchen. Wer lieber vom Hausarzt geimpft werden möchte, muss sich manchmal etwas länger gedulden, kann dort aber auch - meist telefonisch - einen Termin ausmachen. Wer benachrichtigt wurde, aber keinen Termin bucht, gerät nicht aus dem Blick. Der sogenannte Immunisierungs-Management-Service hakt per Anruf nach. Außerdem bekommt man eine SMS mit einer Terminerinnerung aufs Handy geschickt.

Keine Lagerung: Die Briten legen - anders als oft in Deutschland - die zweite Impfdosis nicht zurück. Was im Kühlschrank ist, wird auch geimpft. Man vertraut darauf, dass noch genug Impfstoff verfügbar ist, wenn die zweiten Termine anstehen. Bislang hat sich das ausgezahlt - allerdings ist das Land auch weniger von Lieferengpässen betroffen als die EU. Erst vor wenigen Tagen gab es die erste Meldung, dass einige Millionen Dosen aus indischer Produktion später kommen.

Abstand zwischen den Terminen: Großbritannien setzt auf größere Abstände zwischen erster und zweiter Dosis. Beim Astrazeneca-Impfstoff handhaben das andere Länder mittlerweile genauso, nachdem weitere Daten zur Wirksamkeit veröffentlicht wurden. Die Briten strecken jedoch auch bei Biontech/Pfizer das Intervall - und versorgen damit einen größeren Teil ihres Landes mit einer Teil-Immunität durch die erste Dosis.

Übrige Dosen: "Wir verschwenden keinen Impfstoff", sagt der Mediziner Majeed. Arztpraxen führen Listen mit Patienten, die schnell zur Praxis kommen können, falls am Abend Impfdosen übrig bleiben. So gibt es immer wieder auch Menschen, die geimpft werden, obwohl sie eigentlich noch gar nicht an der Reihe sind - aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Deutschland will seine Reihenfolge künftig auch etwas pragmatischer handhaben als bisher.

Mehr Mut zum Risiko: Während etliche EU-Staaten wegen sehr seltener Fälle an seltenen Nebenwirkungen wie Blutgerinnseln zeitweise aussetzen, impften die Briten weiter. Die britische Zulassungsbehörde rief Menschen mit länger anhaltenden Nebenwirkungen zwar auf, sich Rat beim Arzt zu suchen. Allerdings betont die Regierung durchgehend, die Vorteile der Impfung seien bei weitem größer als die Risken. Der medizinische Regierungsberater Jonathan Van-Tam sagt: "Impfstoff rettet keine Leben, wenn er im Kühlschrank liegt."

Quelle: ntv.de, Larissa Schwedes, dpa


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