Heftiger Unmut in der Union über neue Coronabeschlüsse

  24 März 2021    Gelesen: 475
Heftiger Unmut in der Union über neue Coronabeschlüsse

Die Ergebnisse des Coronagipfels verursachen hinter den Kulissen von CDU und CSU große Unruhe. Die Fraktionssitzung geriet turbulent. Für Ärger sorgt auch die Kanzlerin persönlich.

Die Coronapolitik sorgt in CDU und CSU für massive Spannungen. In der Unionsfraktion gab es am Dienstagnachmittag nach SPIEGEL-Informationen teils heftige Kritik an den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus der Nacht. Teilnehmer sprachen von einer »explosiven Stimmung« in der Partei, die derzeit gleich an mehreren Fronten unter Druck steht. Zahlreiche Abgeordnete von CDU und CSU gingen besonders mit der Entscheidung, einen strikten Lockdown über Ostern zu verhängen, hart ins Gericht.

Dem Vernehmen nach meldeten sich gut ein Dutzend Abgeordnete zu Wort, überwiegend mit sehr kritischen Beiträgen. So forderte der CDU-Abgeordnete Kai Whittaker, die Unions-Ministerpräsidenten müssten in der nächsten Fraktionssitzung erscheinen und sich erklären. Er könne das Wirrwarr den Bürgern im Wahlkreis nicht mehr erklären, wird er zitiert.

Auch die Probleme beim Impfen und Einsatz von Schnelltests wurden von mehreren Unions-Abgeordneten scharf kritisiert, berichten Teilnehmer. Die Kritik kam demnach auch von Mitgliedern der Fraktionsführung, darunter der stellvertretenden Fraktionschefin Gitta Connemann. Ein »Orkan gesellschaftlicher Kritik« ziehe über die Parlamentarier hinweg, twitterte die Abgeordnete Elisabeth Motschmann. »Ich kann die Beschlüsse selbst nicht mehr schönreden. Nach 12 Monaten Pandemie sind diese ein Armutszeugnis.«

Für erheblichen Ärger sorgte unter Abgeordneten von CDU und CSU zudem, dass die Kanzlerin sich zur Fraktionssitzung, die erstmals seit Wochen wieder teilweise in Präsenz stattfand, lediglich zuschaltete und noch vor der Debatte über die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz wieder verschwand. Ausgereechnet in der vielleicht heikelsten Situation der gesamten Legislaturperiode habe sich Merkel »verdrückt«, hieß es intern. Laut der Nachrichtenagentur AFP wies die Kanzlerin auf die Ausbreitung der hochinfektiösen Virusmutante hin – und auf die »extreme« Auslastung der Krankenhausbetten in anderen Ländern. »Das will ich uns ersparen«, wurde Merkel zitiert.

Zu Beginn der Sitzung hatten Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die MPK-Beschlüsse verteidigt. Dobrindt forderte dem Vernehmen nach allerdings, bei der Perspektive nachzuarbeiten und künftig hoffnungsvolle Botschaften stärker zu akzentuieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn habe sich in einem emotionalen Beitrag in die Debatte eingeschaltet, hieß es. Spahn schilderte demnach angesichts von Zahlen die Dramatik der Lage, betonte aber zudem, beim Impfen auf dem richtigen Weg zu sein. Auch der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet, der in der Sitzung zugeschaltet war, verteidigte die Einigungen der Ministerpräsidentenkonferenz. Zudem griff er SPD und Grüne an und kitisierte deren aus seiner Sicht mangelnde Loyalität zu den Beschlüssen.

Bei einer Videokonferenz des CDU-Kreisverbands Dresden schaltete sich Laschet laut der Nachrichtenagentur dpa ebenfalls in die Diskussion ein. Es gehe darum, das Land gut durch die Pandemie zu führen und aus der Pandemie keine Parteipolitik zu machen, sagte Laschet. Niemand interessiere die Frage, ob die Beschlüsse der Union nutzten. Es gehe nur darum, ob Intensivstationen überlastet sind oder nicht: »Das ist die Kernfrage.«

Die Stimmung in der Union verschlechtert sich auch vor dem Hintergrund eines dramatischen Umschwungs in den Meinungsumfragen. Zuletzt waren CDU und CSU in einigen Umfragen unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Die offene Frage der Kanzlerkandidatur sowie das bislang fehlende Wahlprogramm werden intern zunehmend als ein Problem gesehen. Zudem belastet die Maskenaffäre die Partei.

spiegel


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