Land Rover Defender - das Allzweck-Trumm

  12 April 2021    Gelesen: 731
  Land Rover Defender - das Allzweck-Trumm

Mit einem New Defender 110 polarisiert man inzwischen im Straßenbild. Kommt sich doch jeder andere Verkehrsteilnehmer klein neben einem solchen Trumm vor. Dabei ist der Brite leichtfüßiger, agiler und mit dem richtige Motor sogar effizienter, als es ihm viele zutrauen.

Gerade hat Land Rover die Power-Motorisierung für den New Defender ausgerollt. Einen neuen 5,0-Liter-V8-Kompressormotor mit 525 PS, einem maximalen Drehmoment von 625 Newtonmetern, das selbstredend an alle Räder gereicht wird und dieses Mordsgerät in nur 5,2 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und am Ende 240 km/h schnell werden lässt. Beeindruckend! Aber auch sinnvoll? Natürlich nicht! Wer die fleischgewordene Ikone in ihrer Neuauflage durch die bei einer Breite von gut zwei Metern ordentlich schmal werdenden deutschen Straßen manövrieren will, der sollte unbedingt einen Blick auf die weiteren Motorisierungen werfen. Da wäre für Freunde der E-Mobilität zum Beispiel ein Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 404 PS und einer rein elektrischen Reichweite von 53 Kilometern laut Datenblatt.

Aber wer bei dieser geländetauglichen Schrankwand wirklich effizient unterwegs sein will, der wird an den neuen 3.0-Liter-Reihensechszylinder-Dieselmotoren nicht vorbeikommen. Drei Leistungsstufen bieten die Briten an: 200, 249 und wuchtige 300 PS. Wobei die Letztgenannte wohl am besten geeignet ist, die 2,4 Tonnen mit Leichtigkeit in Schwung zu bringen und deshalb auch von ntv.de zum Test gebeten wurde. Und mit dieser Motorisierung hat es der Defender 110, also in der Ausführung als Fünftürer, dann wirklich faustdick unter der Haube. Das maximale Drehmoment von 650 Newtonmetern garantiert zweifelsfrei ein Fortkommen auf allen Wegen. Ohnehin ein Merkmal, das die Neuauflage ganz dicht an seinen in die Jahre gekommenen Bruder heranbringt, der ja auch bekannt dafür ist, ohne Zögern über Stock und Stein zu gehen.

Um ein Vielfaches bequemer

Der New Defender kann das auch, nur leichter, eleganter und um ein Vielfaches bequemer. Wer die optionale Luftfederung gebucht hat, der schwingt förmlich über Wurzelwerk, knietiefe Schlaglöcher oder grobes Geröll ohne jede Anstrengung oder körperliche Verwerfung im Auto. Gleiches gilt natürlich für die Unannehmlichkeiten der Straße, auf der der Defender wohl deutlich häufiger unterwegs sein dürfte. Und auch hier macht der Reihensechszylinder-Diesel eine ganz famose Figur. Einmal ordentlich aufs Pedal getreten schiebt er den mächtigen Briten ordentlich an. Ziemlich exakt sieben Sekunden dauert es, bis 100 km/h erreicht sind. Wer hart am Gas bleibt, wird mit 22-Zoll-Leichtmetallfelgen und Allwetterreifen 209 km/h schnell, andernfalls ist immer noch Tempo 191 drin.

Allerdings schiebt der Defender mit einem cW-Wert von 0,41 dann schon eine ordentliche Bugwelle vor sich her und die Arbeit des Triebwerks im Zusammenspiel mit der sehr kultiviert schaltenden 8-Stufen-Automatik ist vergleichbar mit dem Antritt eines Nashornbullen: Er läuft langsam an, aber wenn er an Tempo gewonnen hat, ist er nicht mehr zu halten. Selbst die Geräuschkulisse in Form von Windgeräuschen hält sich trotz der hohen Stirn des Wagens in Grenzen und das leise Schnaufen des Sechsenders hat schon fast etwas Beruhigendes. Natürlich reden wir bei derartigen Tempoläufen nicht mehr von Effizienz. Hier fordert das freundliche Ungetüm mit knapp über 11 Litern seinen Tribut. Doch das muss nicht sein. Wer sich mit einem flotten Lauf bei 140 km/h in der Spitze zufriedengibt, wird mit erfreulichen 7,5 Litern aus dem Rennen gehen und bei einem 89 Liter fassenden Tank ordentlich Strecke machen können, ohne auch nur einen Stopp einlegen zu müssen.

Absolut langstreckentauglich

Das Einzige, was einen hier an die Tankstelle zwingen kann, ist die Lust auf einen Kaffee oder der Drang, selbigen wegzutragen. Wer keine dieser Bedürfnisse hat, kann hier locker 1000 Kilometer ohne Stopp fahren. Ganz so weit geht es im Gelände vielleicht nicht, aber auf jeden Fall weiter als mit einem Elektro-Offroader. Zumal sich bei dem die Frage stellt, wo der Strom im Nirgendwo herkommt, wenn denn der Akku alle ist. Nun, vielleicht kann man ja später in dem bis zu 2059 Liter fassenden Kofferraum ein Notstromaggregat mitführen, das dann mit Diesel betrieben wird. Egal, nutzen wir den Treibstoff, solange es noch geht, für den Vortrieb des New Defender und sehen zu, wie sich die Passagiere - im Testwagen bis zu sechs - am Platzangebot erfreuen. Denn den gibt es natürlich reichlich in diesem Tanker auf vier Rädern.

Und man sitzt nicht wie im alten Defender mehr schlecht als recht, sondern richtig bequem. Nun gut, den Hilfssitz zwischen Fahrer und Beifahrer klammern wir hier aus. Der ist wohl eher Stilelement und umgelegt dient er als Mittelarmlehne und Reisepolster. Ansonsten sind die Sitze absolut langstreckentauglich, bieten aber nicht arg viel Seitenhalt. Was nicht weiter schlimm ist, denn wilde Kurvenfahrten möchte man mit dem 1,97 Meter hoch bauenden Defender ohnehin nicht vollführen. Das zieht den sonst fein abgestimmten und präzise auf Lenkbefehle reagierenden Wagen schon sehr zur kurvenäußeren Seite. Die Lenkung bringt das Trumm aber auch mit erstaunlicher Leichtigkeit in mutmaßlich viel zu enge Parkhäuser. Zumal Front- und Heckkamera dafür sorgen, dass keine Felge an den hohen Einfahrtsbordsteinen zu Schaden geschweige denn Kratzer in den Lack kommen. Ein Lob gibt es auch für die Standfestigkeit der Bremsen, die bei Bedarf ohne Gnade zubeißen oder sich andernfalls sehr fein dosieren lassen.

Verschleißbeständig, aber nicht grobschlächtig

Das gefällt am Ende ebenso wie die im Innenraum verwendeten Materialien. Ohne grobschlächtig zu wirken, vermitteln sie den Eindruck, wirklich verschleißbeständig zu sein. So gesehen könnte der New Defender, wenn es dann noch irgendwo Diesel gibt, auch in 50 Jahren rollen. Ob das Multimediasystem so lange durchhält, mag hier nicht gemutmaßt werden, für heute ist es auf dem Stand der Zeit. Das Zentraldisplay in der Mittelkonsole hat einen 10-Zoll-Touchscreen, der nicht zu groß und nicht zu klein erscheint und aufgrund einer sogenannten "Always-on"-Funktion recht reaktionsschnell auf Berührungen reagiert. Ein einziges Mal schien sich das System verschluckt zu haben und zuckte wild herum. Dieses Phänomen trat aber nach dem nächsten Start nie wieder auf. Zudem ist die Menüstruktur zu loben. Nicht nur, dass sie recht intuitiv erscheint, sie sorgt zudem für wenig Ablenkung.

Wer will, kann die Navigationsdaten direkt ins Blickfeld, auf das interaktive 12,3-Zoll-Instrumentendisplay übertragen. Hier können direkt hinter dem Lenkrad auf Wunsch hochauflösende 3D-Karten eingeblendet werden. Der Touchscreen steht dann für andere Aufgaben zur Verfügung oder zeigt die Navigationsdaten von Google Maps oder Apple Karten. Denn, und auch das ist eine positive Eigenart des Defender: Kaum ein anderes Auto hat so viele Ladeanschlüsse in Form von USB-, Mini-USB- oder 12-V-Steckdosen wie der Brite. Wer sein Smartphone über die erstgenannten Anschlüsse koppelt, kann natürlich die Inhalte auf das Zentraldisplay spiegeln. Damit das Kabel nicht stört, hat Land Rover auch eine Vielzahl von Ablagen im Defender geschaffen. Vor allem in der vorderen Armatur kann reichlich Kleinkram untergebracht werden. Im Himmel gib es ein Brillenfach und in die Türinnenverkleidungen passen auch größere Flaschen.

Nicht ganz billiges Universalfahrzeug

So gesehen ist der Defender auch in seiner Neuauflage ein Universalfahrzeug, das für den, der es will, auf allen Wegen zu Hause ist und bei Bedarf sogar noch 3,5 Tonnen an den Haken nehmen kann. Ob seiner Größe ist er mit Sicherheit kein Stadtauto, obschon er sich auch hier fein durch die engsten Straßen manövrieren lässt. Wenngleich die anderen Verkehrsteilnehmer die auf sie zurollende Größe immer mit Argwohn betrachten und sich der eine oder andere einer patzigen Bemerkung nicht enthalten kann. Doch sei es, wie es ist, bevor man so einen Defender sein Eigen nennt, muss man ihn bezahlen. Der getestete Defender 110 mit dem 300 PS starken Diesel startet bei 66.000 Euro. Nun ist die Optionsliste aber wie so oft lang und der Preis nur eine grobe Einstiegsmarke.

Wer zum Beispiel die höchste Ausstattungsvariante HSE wählt, liegt bereits bei 83.700 Euro. Schon wer das volldigitale Display für den Fahrer haben will, muss den Defender S für 70.800 Euro wählen und die Luftfederung gibt es erst in der HSE-Variante. Ob man die braucht, sollte jeder für sich auf einer Probefahrt herausfinden. Denn der Abstandstempomat und der adaptive Geschwindigkeitsregler sind immer an Bord, wurden im Test reichlich genutzt und machten gerade auf der Langstrecke einen ausgezeichneten Job.

Fazit: Ob ein Land Rover Defender 110 zeitgemäß ist, ob man so ein Auto braucht, mag im Meinungsbild der Menschen unterschiedlich bewertet werden. Fakt ist, dass die Briten eine zeitgemäße Interpretation der Ikone erschaffen haben, die sich nach den momentan noch gültigen Parametern der Mobilität ausgezeichnet auf allen Wegen bewegen lässt. Mit einem der effizienten Diesel sogar locker über 1000 Kilometer am Stück. Und wer weiß, vielleicht wird ja, wenn irgendwann nur noch E-Autos unterwegs sind, der New Defender das Sammlerstück für zukünftige Generationen. Das Zeug zur Langlebigkeit scheint ihm jedenfalls mit auf den Weg gegeben zu sein.

Quelle: ntv.de


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