Wenn man vom Porsche 911 spricht, dann ist gemeinhin die Rede von einem Sportwagen. Aber verglichen mit einem 911 GT3 ist der Bolide ohne den Rennstreckenzusatz eher ein Kätzchen auf der Straße als ein brüllender Tiger auf dem Rundkurs. Und so verwundert es ganz und gar nicht, dass das Team um Andreas Preuninger, dem Chef der GT-Modelle, für sich in Anspruch nimmt, "den neuen GT3 näher denn je an den Motorsport" gebracht zu haben. Den ersten Beweis erbrachten die Zuffenhauser auf der Nordschleife des Nürburgrings, als Entwicklungsfahrer Lars Kern die 20,8 Kilometer lange Strecke in sagenhaften 6:59.927 Minuten umrundete. Dass das keine Eintagsfliege war, bewies Rennfahrer Jörg Bergmeister, auch bekannt als "Mister 911", der mehrfach in Folge mit vergleichbaren Rundenzeiten auf der Nordschleife aufwarten kann. Einen besseren Beweis für die konstante Performance eines Hochleistungs-Sportwagens kann es eigentlich nicht geben.
Was die beiden können, kann der Autor noch lange nicht, aber bei den erfahrenen Zeiten selbst einen solchen 911 GT3 bewegen zu können, ist schon reizvoll. Und wo ginge das besser als auf einer Rennstrecke? Nicht auf dem Nürburgring, aber auf dem Rundkurs am Bilster Berg empfing Porsche seine Gäste für einen Ausritt auf der 4,2 Kilometer langen Strecke mit 19 Kurven und 26 Prozent Gefälle. Schon von Weitem ist der Protagonist der Geschichte mit seinem Hochdrehzahl-GT-Boxermotor zu hören. Ein Sound, der keine künstlichen Verstärker in Form von Aktuatoren braucht. Hier gibt es die natürlichste Form der Rennsportkulisse, die sich akustisch über das ganze Areal des Bilster Bergs erstreckt.
Die gemeinsame Sprache finden
Der 4,0 Liter große Treibsatz leistet 510 PS und das maximale Drehmoment des frei ansaugenden Sechszylinders liegt bei 470 Newtonmetern. Ja, es mag Fahrzeuge geben, die mit mehr protzen, sowohl bei den Pferdestärken als auch beim Drehmoment. Aber kaum einer von denen scheint seine Kraft so spontan, so ungestüm und dennoch kontrollierbar abzugeben wie der 911 GT3. Bereits beim ersten Tritt auf den Pin wird klar, dass hier eine Kommunikation zwischen Fahrer und Auto stattfinden muss, dass man eine gemeinsame Sprache finden sollte, um es am Ende nicht zu Missverständnissen kommen zu lassen: Der GT3 katapultiert seine 1418 Kilogramm in 3,4 Sekunden von 0 auf Tempo 100, ohne dass der Fahrer nur einmal Atem holen kann. Nach 10,8 Sekunden sieht er den digitalen Tacho auf die 200 springen und muss fürchterlich hart in die Eisen steigen, um nicht bereits am Kurveneingang im Nirgendwo zu landen.
Hilfreich sind hierbei auch die von 380 auf 408 Millimeter Durchmesser gewachsenen Leichtbau-Bremsscheiben, die sich unglaublich gut dosieren lassen und auf Wunsch erbarmungslos zubeißen. Um den GT3 auch bei höchsten Geschwindigkeiten am Boden und in der Kehre zu halten, haben die Ingenieure den Heckdiffusor so verändert, dass er im Vergleich zum Vorgänger viermal so viel Abtrieb erzeugt. Im Zusammenspiel mit dem Frontdiffusor, der breiten Spoilerlippe und dem vollverkleideten Fahrzeug-Unterboden kann sich der Sportler förmlich an den Asphalt saugen.
Alles ganz leicht?
Dabei scheint alles ganz leicht. Das schmale Lenkrad liegt perfekt in den Händen, das Sport-PDK-Getriebe schaltet blitzschnell ohne den Hauch von Zugkraftverlust über sieben Stufen oder der Fahrer übernimmt diesen Part selbst mit den perfekt liegenden Schaltwippen am Lenkrad. Aber das ist eher eine Sache für "Mister 911", der Autor lässt die Automatik machen, konzentriert sich auf Brems- und Einlenkpunkte, um am Ende aus der "Mausefalle" den Berg zu erstürmen. Mehr als hilfreich beim schnellen Kurvenlauf ist die Doppelquerlenker-Vorderachse. Auch das eine Entwicklung aus dem Rennsport, die bereits dem 911 RSR in Le Mans zum Sieg verhalf. Ihr größter Vorteil ist, dass sie dank einer höheren Sturzsteifigkeit die Dämpfer von störenden Querkräften befreit. Damit zeigt sich der GT3 extrem agil beim Einlenken und selbst der Grenzbereich scheint in weite Ferne zu rücken.
Jedenfalls, solange die Strecke trocken ist und die straßenzugelassenen Rundstreckenreifen genug Temperatur aufbauen können. Aber wehe, wenn der Himmel Schneetränen vergießt wie am Bilster Berg. Jetzt wird der GT3 zum Biest. Erstmals wird deutlich, welche unbändige Kraft hier auf die Hinterachse trifft. Der Bolide fängt an mit dem Heck zu wedeln wie ein wilder Hund mit dem Schwanz. Die Sprache ändert sich. Waren es am Anfang fast schon brachiale, eindeutige Befehle, die über Gaspedal, Bremse und Lenkung gegeben wurden, muss jetzt ein anderer Ton angeschlagen werden. Es gilt, leichtfüßig zu arbeiten und das Lenkrad fast schon verspielt zu bewegen, sanft in die Gegenrichtung des Ausbruchs zu arbeiten, um dann vorsichtig mit dem Heck nachzuschieben. Ist man sich hier einig geworden, geht es auch bei widrigen Witterungsverhältnissen mehr als flott voran. Nein, übertreiben sollte man es nicht, aber der GT3 bleibt eben auch jetzt fahrbar.
Schalten über den Blitz
Nehmen wir mal etwas Geschwindigkeit aus der Fahrt und werfen eine Blick auf den Track-Screen. Der ist nämlich neu. Per Knopfdruck reduziert er die Digitalanzeigen links und rechts des typisch analogen, bis 10.000 Touren reichenden Drehzahlmessers, auf die Informationen wie Reifen- und Öldruck, Öltemperatur, Füllstand des Tanks und natürlich Kühlwassertemperatur. Eben auf alles, was beim Rundeneinsatz wichtig ist. Ach so, für die Freunde der Handschaltung: Der GT3 wird natürlich auch wieder mit manuellem Sechsganggetriebe angeboten, hier informiert ein optischer Schaltassistent mit farbigen Balken links und rechts des Drehzahlmessers sowie einem aus dem Motorsport abgeleiteten Schaltblitz über den optimalen Schaltpunkt.
Auf den öffentlichen Straßen braucht es das natürlich nicht. Hier kann man also getrost einen Gang zurückschalten und sich zum Beispiel beim Handschalter über die extrem kurzen Wege freuen, die sich so präzise durch die Schaltgassen führen lassen. Erstaunlich auch die gelungene Fahrwerksabstimmung. Das, was auf dem Rundkurs absoluten Halt bot, wirkt auf der Landstraße immer noch sportlich, aber so gar nicht unangenehm hart. Ja, auch hier bleibt es bei der Kommunikation. Aber während andere Sportwagen an dieser Stelle eher Wortfetzen abgeben, die über das Rückenmark des Piloten bis unter die Schädeldecke transportiert werden, bleiben es beim GT3 auch hier ganze Sätze, gut verständlich vorgetragen und angenehm zu kommentieren.
Nun macht das einen Porsche 911 GT, dessen Höchstgeschwindigkeit übrigens mit 320 km/h angegeben ist, ebenso wenig zu einem Alltagsfahrzeug wie der Preis von 167.518 Euro. Es macht ihn aber in Summe zu einem der Besten, wenn nicht sogar zum besten Straßensportwagen der Welt und einmal mehr zu einem Traumauto für die, die sich noch nicht rein elektrisch die Nordschleife oder andere Kurse umrunden sehen.
Quelle: ntv.de
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