EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigt sich offen für eine Debatte über den US-Vorstoß zur Aussetzung von Corona-Impfstoffpatenten. "Die Europäische Union ist bereit, jeden Vorschlag zu diskutieren, der diese Krise wirksam und pragmatisch angeht", sagte von der Leyen. Man müsse sehen, wie der US-Vorschlag diesem Ziel dienen könne. "Kurzfristig rufen wir jedoch alle Länder mit Impfstoffproduktion auf, Exporte zu erlauben und alles zu vermeiden, was Lieferketten stören könnte."
Von der Leyen betonte in ihrer online übertragenen Rede für eine Konferenz in Italien: "Um es klar zu sagen, Europa ist die einzige demokratische Region der Welt, die Exporte im großen Maßstab erlaubt." Bisher seien mehr als 200 Millionen Dosen Corona-Impfstoff in den Rest der Welt geliefert worden. Rund die Hälfte der Impfdosen aus EU-Produktion werden in den Rest der Welt exportiert. Die EU sei die Apotheke der Welt, sagte von der Leyen. Die USA haben ihrerseits ein Exportverbot für Corona-Impfstoffe verhängt.
Der Vorstoß der US-Regierung wird auch Thema beim EU-Gipfel in Porto am Wochenende sein. "Es gibt den Wunsch, darüber zu diskutieren", sagte ein EU-Vertreterg. Demnach steht ein Austausch der 27 Staats- und Regierungschefs dazu am Freitagabend auf dem Plan. Aus einigen EU-Mitgliedstaaten gebe es Signale, "auf der internationalen Szene aktiver zu sein, was den Austausch von Impfstoffen angeht", sagte der EU-Vertreter weiter. Er betonte aber auch, dass es weiterhin große Zweifel daran gebe, dass eine Aufhebung des Patentschutzes das beste Mittel für weltweites Impfen sei. "Man muss mit dem Kommunikationsaspekt einer solchen Ankündigung vorsichtig sein."
Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hatte am Mittwoch Unterstützung für die Aussetzung von Impfstoffpatenten signalisiert, die viele Länder seit Langem fordern. Die USA stünden hinter dem Schutz geistigen Eigentums, die Pandemie sei aber eine globale Krise, die außerordentliche Schritte erfordere, erklärte Tai. Das Ziel sei, "so viele sichere und wirksame Impfungen so schnell wie möglich zu so vielen Menschen wie möglich zu bringen".
"Historische Entscheidung"
Nichtregierungsorganisationen sowie Entwicklungs- und Schwellenländer fordern diesen Schritt bereits seit Monaten, damit die weltweite Impfstoffproduktion angekurbelt werden kann. Industrienationen, in denen die großen Pharmakonzerne ansässig sind, lehnten bislang eine Aussetzung des Patentschutzes aber ab. Der Weltpharmaverband IFPMA nannte die US-Entscheidung am Mittwoch "enttäuschend". Hilfsorganisationen bejubelten sie hingegen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Unterstützung der US-Regierung für die Aussetzung von Patenten für die Corona-Impfstoffe als "historische Entscheidung" begrüßt. Dies sei ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch über Twitter. Die Entscheidung sei ein eindrucksvolles Beispiel der amerikanischen Führungsrolle in Fragen der globalen Gesundheit, schrieb er. Damit könne die globale Ungleichheit bei den Impfstoffen bekämpft werden, um gemeinsam daran zu arbeiten, "diese Pandemie zu beenden".
Die EU-Kommission verwies bisher auf die Komplexität der Produktion von Corona-Impfstoffen. Selbst nach Aufhebung des Patentschutzes würde es noch mindestens ein Jahr dauern, bis andere Firmen tatsächlich produzieren könnten, sagte Industriekommissar Thierry Breton noch am Montag. Zunächst müsse es Priorität haben, "alle bestellten Impfstoffe so schnell wie möglich zu liefern." Die EU ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte für Corona-Impfstoffe weltweit.
Quelle: ntv.de, ter/dpa/AFP
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