Nach antisemitischen Vorfällen in Gelsenkirchen hat die Polizei einen Tatverdächtigen identifiziert. Es handelt sich um einen 26 Jahre alten Deutsch-Libanesen aus Gelsenkirchen, wie die Polizei mitteilte. Der Staatsschutz richtete eine Ermittlungskommission ein, um zügig weitere Details aufzuklären. Die Polizei hatte am Mittwochabend einen antisemitischen Demonstrationszug nahe einer Synagoge gestoppt.
NRW-Innenminister Herbert Reul hatte nach den Vorfällen eine konsequente Verfolgung der Täter angekündigt. "Ich finde es unerträglich, wenn auf deutschem Boden antisemitische Parolen skandiert werden", sagte der CDU-Politiker. "Unsere Polizei verfolgt die Täter mit aller Konsequenz, damit sie bestraft werden können."
Er sei froh, dass die ersten Polizisten bei der unangemeldeten Spontanversammlung in Gelsenkirchen so schnell vor Ort gewesen seien, um die Synagoge zu schützen. "Jüdisches Leben gehört selbstverständlich zu Deutschland und muss hier ohne Angst vor Bedrohung und Gewalt möglich sein", sagte Reul weiter. Daher bewache der polizeiliche Objektschutz besonders gefährdete jüdische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen derzeit rund um die Uhr.
Die ungefähr 180 Demonstranten, die sich vom Gelsenkirchener Bahnhofsvorplatz in Richtung der nur einige Hundert Meter entfernten Synagoge bewegten, seien von zahlreichen Beamten aufgehalten worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. In einem per Twitter verbreiteten Video des Zentralrats der Juden sind Sprechchöre mit antisemitischen Inhalten zu hören. Zu sehen sind Menschen unter anderem mit palästinensischer, türkischer und tunesischer Flagge.
Polizeieinsatz wird intern geprüft
Die Polizei bestätigte die Echtheit des Videos. Es sei vermutlich aus der Synagoge heraus aufgenommen worden, sagte ein Sprecher. Auf dem Video ist zu sehen, dass Beamte trotz der Parolen nicht eingriffen. Das oberste Ziel sei der Schutz der Synagoge gewesen, erklärte der Polizeisprecher. Es seien zunächst nicht genug Beamte vor Ort gewesen, um gleichzeitig Tatverdächtige aus der Menge zu ziehen. Als weitere Beamte eingetroffen seien, habe sich der Demozug bereits wieder aufgelöst.
Die Polizei setzte den Angaben zufolge am Mittwochabend auch Schlagstöcke ein, verletzt worden sei jedoch niemand. Es wurden Strafanzeigen unter anderem wegen Volksverhetzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angefertigt. Nach Angaben des Sprechers wird der Einsatz zudem intern geprüft. In einer ersten Mitteilung hatte die Polizei zunächst von einer "anti-israelischen Demo" berichtet.
Neben Gelsenkirchen hatte die Polizei auch in Hannover am Mittwochabend eine antisemitische Demonstration gestoppt und das Verbrennen der israelischen Flagge verhindert. Die Proteste richteten sich gegen die jüngste Gewalteskalation in Nahost. Eine vor dem Solinger Rathaus gehisste israelische Flagge wurde unterdessen in der Nacht von Unbekannten angezündet, teilte die Stadt mit. Oberbürgermeister Tim Kurzbach sprach von einer "schändlichen Tat". "Wer glaubt, mit dem Verbrennen einer Fahne unsere Solidarität erschüttern zu können, täuscht sich. Dem Hass gegen jüdische Menschen, der gegenwärtig immer deutlicher zu beobachten ist, treten wir entschieden entgegen."
Am heutigen Donnerstag blieben antiisraelische Proteste unter anderem in Bremen und Hamm friedlich, wie die örtlichen Polizeidienststellen am Abend mitteilten. In Bremen nahmen demnach bis zu 1500 Menschen an einer von der palästinensischen Gemeinde angemeldeten Kundgebung teil, in Hamm waren es bis zu 300 Menschen.
"Judenhass werden wir in unserem Land nicht dulden"
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich in den vergangenen Tagen wieder zugespitzt. Militante Palästinenser feuerten nach Angaben der israelischen Armee seit Montag Hunderte Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel ab. Israels Luftwaffe habe ihrerseits Hunderte Ziele in dem abgeschotteten Küstengebiet attackiert. Seit der Eskalation der Gewalt starben zahlreiche Menschen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte antisemitische Krawalle und Fahnenverbrennungen vor Synagogen. "Unser Grundgesetz garantiert das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit", schrieb Steinmeier in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. "Wer aber auf unseren Straßen Fahnen mit dem Davidstern verbrennt und antisemitische Parolen brüllt, der missbraucht nicht nur die Demonstrationsfreiheit, sondern der begeht Straftaten, die verfolgt werden müssen!"
Nichts rechtfertige die Bedrohung von Jüdinnen und Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in deutschen Städten, betonte Steinmeier. "Judenhass - ganz gleich von wem - wollen und werden wir in unserem Land nicht dulden."
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP
Tags: