Die vom Robert-Koch-Institut (RKI) berechnete Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen ist am Dienstag entgegen dem zuvor verzeichneten Trend gesunken. Demnach wurden in den vergangenen sieben Tagen 74,8 neue Fälle pro 100.000 Einwohner an die Bundesbehörde übermittelt. Am Vortag hatte der Wert bei 75,8 gelegen. Es ist der erste Rückgang des politisch umstrittenen Pandemieparameters seit Anfang Juli.
Unklar ist, ob sich hier eine tatsächliche Trendwende im Infektionsgeschehen abzeichnet oder es sich vielmehr um eine vorübergehende Erscheinung handelt, die durch die statistische Erfassung bedingt ist. Die Sieben-Tage-Inzidenz wird generell eher als zu niedrig eingeschätzt, da viele bestätigte Fälle durch Verzögerungen in der Meldekette nicht in der Berechnung erfasst werden. Wochenenden, Feiertage und technische Probleme in den Ämtern können den Wert zusätzlich verzerren.
All dies ist schon länger bekannt. Aktuell kommt aber noch ein Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung hinzu: Mehrere Bundesländer, darunter Berlin und Nordrhein-Westfalen, haben die Kontaktnachverfolgung in den Gesundheitsämtern stark zurückgefahren. Dadurch entfallen viele Test- und Quarantäneanordnungen für Kontaktpersonen außerhalb des nächsten Umfelds von Infizierten. Das erschwert unter anderem die Entdeckung von sogenannten Superspreading-Events und führt vermutlich zu einer Untererfassung des tatsächlichen Infektionsgeschehens.
Auch die gestiegene Impfquote trägt möglicherweise dazu bei, dass Corona-Infektionen seltener erkannt werden, da die Betroffenen nach der vollständigen Impfung vor symptomatisch verlaufenden und schweren Erkrankungen weitgehend geschützt sind. Geimpfte müssen sich zudem nach den aktuell geltenden Regeln seltener einem Schnelltest unterziehen.
Inwiefern dem anscheinenden Absinken der Sieben-Tage-Inzidenz vertraut werden kann, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen, wenn sich die neue Test- und Tracing-Strategie verstetigt und sich die Meldedaten entsprechend "einpendeln". Einen Hinweis, inwiefern die tagesaktuellen Werte das tatsächliche Infektionsgeschehen widerspiegeln, können beispielsweise die Zahlen zum Testaufkommen in Deutschland liefern. Insbesondere die sogenannte Positivquote, also der Anteil der positiven Ergebnisse an der Gesamtzahl der durchgeführten PCR-Tests, gilt als wichtiger Indikator. Je höher dieser Anteil ausfällt, desto größer dürfte die Dunkelziffer bei den Corona-Infektionen sein.
Der Laborverband ALM wird dazu voraussichtlich heute Mittag aktuelle Daten veröffentlichen. Laut dem jüngsten Wochenbericht des RKI vom 26. August war die Positivquote seit Anfang August sprunghaft angestiegen von 3,83 auf 7,88 Prozent.
Quelle: ntv.de
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