Die Omikron-Variante des Coronavirus (B.1.1.529) breitet sich weltweit weiter aus und dürfte auch in Deutschland bald das Infektionsgeschehen bestimmen. Experten warnen seit Wochen vor einer fünften Welle.
Omikron ist deutlich ansteckender als die Delta-Variante
„Omikron zeichnet sich durch eine stark gesteigerte Übertragbarkeit und ein Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes aus“, heißt es in einer Stellungnahme des Corona-Expertenrats der Bundesregierung vom 19.12.2021. Daher seien auch Geimpfte und Genesene stark in das Infektionsgeschehen involviert. In Deutschland sei damit zu rechnen, dass sich die Infektionen mit der Omikron-Variante etwa alle zwei bis vier Tage verdoppeln werden. Es könne zu einer „explosionsartigen Verbreitung“ kommen.
Omikron verbreite sich drei- bis viermal schneller als die Delta-Variante, während Delta ungefähr drei Monate gebraucht habe, um zur dominanten Variante zu werden, sei bei Omikron lediglich mit einem Monat zu rechnen. Experten warnen, dass Omikron sich derart schnell ausbreiten könnte, dass in Grafiken keine Welle, sondern eine Wand zu sehen sein werde.
Zur schnelleren Ausbreitung des Virus trägt auch bei, dass sich das Omikron-Virus nach einigen Studien vermutlich vor allem im oberen Atemwegstrakt vermehrt statt in der tiefen Lunge. Das könne zu einer schnelleren Übertragung führen, sagte der Biophysiker Richard Neher am 3.1.2022 im Deutschlandfunk.
Daten deuten auf leichtere Krankheitsverläufe hin
Es gebe mehr und mehr Daten, die darauf hindeuten, dass „die Krankheitsschwere vielleicht abgemildert ist oder sehr wahrscheinlich sogar abgemildert ist“, sagte der Virologe Christian Drosten am 30.12.2021 im Deutschlandfunk. Mehrere Experimente mit Tieren hätten beispielsweise gezeigt, dass die Lunge nicht so stark befallen werde wie die oberen Atemwege.
Das spiegele sich auch in den Krankenhauseinweisungen wider: „Pro nachgewiesenem Fall gehen weniger Leute ins Krankenhaus“, sagte Drosten. Für Ungeimpfte senke sich das Risiko einer Krankenhauseinweisung im Vergleich zu Delta um etwa ein Viertel. Durch eine Impfung oder noch besser eine Booster-Impfung lasse sich dieses Risiko noch erheblich senken.
Patienten, die mit Omikron ins Krankenhaus müssten, könnten zudem eher auf den normalen Stationen bleiben und müssten zu einem geringeren Anteil auf die Intensivstationen, sagte Drosten. Sie müssten auch nicht so schnell mit Sauerstoff versorgt werden.
Frühe Hoffnungen scheinen sich nun zu bestätigen
Damit scheinen sich die Hoffnungen aus den Daten aus Südafrika zu bestätigen. Dort wurde die Omikron-Mutation erstmals festgestellt und schnell kursierten auch Berichte über eine geringe Krankheitsschwere. Experten waren aber skeptisch. So wies unter anderem auch Christian Drosten darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung deutlich älter und kaum vergleichbar sei. Der Expertenrat der Bundesregierung kam in einer Stellungname vom 19.12.2021 noch zu dem Schluss, dass für Menschen ohne Immunschutz nicht mit milderen Krankheitsverläufen im Vergleich zu Delta zu rechnen sei. Auch erste Daten aus England hatten eher ein pessimistisches Bild gezeigt, wie die Virologin Ulrike Protzer am 21.12.2021 im Deutschlandfunk erklärt hatte.
Daten zeigen keine erhöhte Gefahr für Kinder durch Omikron
Die Befürchtung, dass Omikron bei Kindern die Gefahr erhöhe, bestätigt sich bisher nicht. Weder für sehr junge noch für ältere Kinder sei mit schwereren Verläufen zu rechnen, sagte der Virologe Wolfgang Preiser, der an der Stellenbosch University in Kapstadt in Südafrika arbeitet, am 3.1.2022 im Deutschlandfunk.
Warum bereitet Omikron Experten Sorge?
Einerseits verbreitet sich Omikron schneller als Delta, andererseits deutet inzwischen vieles auf leichtere Verläufe hin. Letzteres enstpannt die Situation etwas – sollte aber nicht überinterpretiert werden. Die Krankenhäuser könnten durch die Omikron-Welle unter extrem hohe Belastung geraten, betonte der Virologe Christian Drosten am 30.12.2021 im Deutschlandfunk.
Aufgrund der sehr schnellen Verbreitung werde es wahrscheinlich trotz der niedrigeren Krankenhausaufnahmerate zu einer sehr hohen Zahl an Patienten kommen. Man müsse sich vor Augen führen, dass selbst eine halbierte Krankenhausaufnahmerate innerhalb von einer Verdoppelungszeit wieder wettgemacht werde. Drosten betonte dabei auch, dass nicht abschließend klar sei, wie sehr sich die Aufnahmen ins Krankenhaus bei Omikron im Vergleich zu Delta reduzieren werden.
Auch deshalb hatte der Expertenrat der Bundesregierung bereits am 19.12.2021 in seiner Stellungnahme vor einer Gefährdung für die kritische Infrastruktur – nicht nur der Krankenhäuser – gewarnt. Durch eine hohe Anzahl an Ausfällen durch Krankheit oder Quarantäne könnten auch Polizei, Feuerwehr oder andere Grundversorgungen eingeschränkt sein.
Quarantänezeit verkürzen?
Vor diesem Hintergrund wird über eine mögliche Verkürzung der Quarantänezeit diskutiert. Der Biophysiker Richard Neher befürwortete am 3.1.2022 im Deutschlandfunk eine Verkürzung der Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten. Eine Infektion mit der Omikron-Variante sei schneller feststellbar als mit vorherigen Mutationen, sagte Neher. Man könne bei Verdachtsfällen daher früher testen und bei negativen Ergebnissen die Quarantäne beenden. Das gelte aber nicht für nachweislich infizierte Personen.
Wie gut schützt die Impfung vor einer Ansteckung?
Eine zweifache Impfung schützt kaum noch vor der Ansteckung und der Weitergabe des Coronavirus. Darauf deuteten Labordaten der Virologin Sandra Ciesek Anfang Dezember 2021 hin. Sechs Monate nach einer Zweitimpfung mit einem der zugelassenen Impfstoffe waren bei keinem Vakzin mehr ausreichend Antikörper für eine Neutralisation des Virus vorhanden, hieß es. Eine vorläufige Auswertung der südafrikanischen Krankenversicherungsgruppe Discovery vom 14.12.2021 wies auch auf einen merklich verminderten Impfschutz nach doppelter Impfung mit Biontech/Pfizer bei Omikron hin. Grundlage der Analyse waren rund 211.000 positive Testergebnisse aus dem Zeitraum 15. November bis 7. Dezember, von denen etwa 78.000 auf Omikron zurückgeführt wurden.
Daten aus England zeigten Anfang 2022 eindeutig: Impfungen schützen vor schweren Verläufen. Schon die erste Dosis halbiert das Risiko nach einer Infektion ins Krankenhaus zu müssen. Eine vollständige Impfung schützt zu rund 70 Prozent und der Booster steigert das auf 85 Prozent. Und der Booster-Impfung gelingt es auch, eine Infektion zwar nicht sicher zu verhindern, aber doch unwahrscheinlicher zu machen. Beide Effekte zusammen, Schutz vor Infektion und vor schwerem Verkauf kombinieren sich beim Boostern zu einer Schutzwirkung von 90 Prozent vor einem Klinikaufenthalt. Und der Booster senkt auch das Risiko, das Virus an andere weiterzugeben deutlich, wie eine dänische Haushaltsstudie zeigt. Von daher spricht sowohl individuell als auch gesellschaftlich alles für das Impfen.
Eine Studie der Cape Town University legt nahe, dass durch die T-Zell-Antwort des Körpers gegen Omikron immer noch ein Schutz von rund 70 Prozent der Delta-Schutzwirkung gegeben sein könnte. Die T-Zell-Antwort ist Teil der zellulären Immunantwort des Körpers – so etwas wie der zweite Schutzwall.
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