Für Gas-Kunden könnte es bald noch sehr viel teurer werden. Da Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen hat, drohen Unternehmen und Verbrauchern nun erhebliche Konsequenzen. Die Lage sei derzeit "angespannt", so Habeck. Die Versorgungssicherheit sei aber gewährleistet.
Die Bundesregierung hat die zweite Eskalationsstufe im Notfallplan gezündet, nachdem Russland die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland stark gekürzt hat. Bald dürfte noch weniger Gas fließen, denn der vom Kreml kontrollierte Gazprom-Konzern hat für Mitte Juli Wartungsarbeiten an der Pipeline angekündigt.
Für Deutschland sind diese Drosselungen ein Problem. Die Bundesrepublik bezieht noch 35 Prozent des Gases aus Russland. Es ist nicht möglich, diese Menge sofort durch Importe aus anderen Ländern zu ersetzen. Außerdem macht es Russland durch die Kürzungen schwerer, dass die deutschen Gasspeicher bis zum Wintereinbruch vollständig gefüllt sein werden. Derzeit sind sie zu rund 60 Prozent gefüllt.
Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind die Gaspreise bereits kräftig nach oben geschossen. Am niederländischen Handelsplatz TTF kostet im Juli zu lieferndes Erdgas pro Megawattstunde bereits knapp 134 Euro. In der Vergangenheit waren langfristige Verträge mit Preisen zwischen 20 und 30 Euro abgeschlossen worden.
"Wir haben ein Problem"
Dieser Anstieg ist für Energieversorger eine Herausforderung. Denn einige - darunter etwa Stadtwerke - müssen zum aktuellen Preis einkaufen, um ihre Kunden beliefern zu können. Doch die Einnahmen aus den geltenden Verträgen können zu gering sein, um die Kosten aus den höheren Einkaufspreisen zu decken. Damit sie wegen der steil gestiegenen Kosten nicht in Schieflage geraten oder sogar in die Insolvenz müssen, dürfen sie die Mehrkosten an die Kunden weitergeben.
Möglich macht das der neue Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes. Mit der Ausrufung der Alarmstufe ist eine der beiden Voraussetzungen erfüllt. Die zweite allerdings noch nicht: Die Bundesnetzagentur muss eine "erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland" festgestellt haben. Erst dann dürfen die Unternehmen die Preise erhöhen.
Derzeit sieht es so aus, dass die Regulierungsbehörde trotz der Drosselungen vorerst nicht so weit geht. Doch sie befürchtet eine unzureichende Gasversorgung im Winter. "Stand heute haben wir ein Problem", sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller am Dienstag.
Und dieses Problem kann dazu führen, dass die Netzagentur bald grünes Licht für höhere Preise gibt. "Preisanpassungsklausel bei den Verträgen der Endkunden soll vorerst noch nicht aktiviert werden", twitterte der Ökonom Jens Südekum. "Dürfte aber nicht lange dauern. Dann brennt die Hütte."
Auch Preisgarantie schützt nicht vor Mehrkosten
Das Gesetz lässt den Versorgern großen Spielraum. Sie dürfen die Preise auf ein "angemessenes Niveau" anheben. Dieses Niveau sei nach oben nicht gedeckelt, sagt der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Thomas Engelke. "Die privaten Haushalte wären dann auch vor extrem hohen Gaspreisen nicht geschützt." Er betont, dass von der Regelung auch Kunden betroffen wären, die eine sogenannte Preisgarantie haben. Damit es schnell geht, sollen die neuen Preise schon eine Woche nach der Ankündigung gelten.
Mit welchen Mehrkosten zu rechnen ist, kann niemand genau sagen. "Die Preise sind jetzt schon hoch und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen", sagte Habeck. Das werde sich auf die Industrieproduktion auswirken und für viele Verbraucher eine große Last werden. Schon jetzt muss laut Engelke ein Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Erdgas wegen der Preiserhöhungen der vergangenen Monate mit jährlichen Zusatzkosten in Höhe von 1000 bis 2000 Euro rechnen.
"Meine gestrige Schätzung - 'mindestens eine Verdopplung' der Gaspreise - war wohl zu optimistisch", so Südekum mit Blick auf die Großhandelspreise. Einige Branchenexperten würden von einem Faktor zwischen sechs und zehn ausgehen.
Der Notfallplan hat drei Stufen: Die jetzt ausgerufene Alarmstufe ist die zweite. Demnach liegt eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen. Die dritte wäre die Notfallstufe. Wird diese ausgerufen, entscheidet die Netzagentur, wer noch Gas bekommt. Bestimmte Verbrauchergruppen sind geschützt und sollen möglichst lange mit Gas versorgt werden - darunter etwa private Haushalte und Krankenhäuser.
Quelle: ntv.de, mit dpa
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