“In Deutschland gibt es Papierkörbe“

  09 Oktober 2015    Gelesen: 699
“In Deutschland gibt es Papierkörbe“
Muss man Flüchtlingen beibringen, wie man Toiletten und Mülleimer benutzt? In Hardheim gibt es einen entsprechenden Leitfaden. Doch der Bürgermeister gesteht: Eigentlich wollte er gar nicht die Flüchtlinge erreichen – sondern die Bürger seiner Stadt.
n-tv.de: Ihre Stadt hat eine Art Knigge für Flüchtlinge auf Ihrer Internetseite veröffentlicht. Heute erhielten Sie unzählige Medienanfragen, die Internetseite war zwischenzeitlich nicht mehr zu erreichen. Hätten Sie diese Reaktionen erwartet?

Volker Rohm: Ganz sicher nicht, das überrascht mich sehr und ich bin nicht begeistert davon. Ich störe mich auch an dem Begriff Knigge, es handelt sich um einen Leitfaden mit Verhaltensempfehlungen für die Flüchtlinge in unserer Gemeinde. Ich habe mich von einem Artikel aus der "Frankfurter Allgemeinen" inspirieren lassen. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen in der Gemeinschaftsunterkunft unseres Landkreises habe ich dies auf die örtlichen Bedürfnisse heruntergebrochen.

Was hat den Ausschlag gegeben, das jetzt zu tun?

Unsere Gemeinde ist bei 4700 Einwohnern und 1000 Flüchtlingen an der Grenze der Belastbarkeit. Wenn unsere Werte aufgeweicht werden, muss ich dem als Bürgermeister entgegen wirken. Die mündlichen Absprachen mit den Übersetzern in unserer Erstaufnahme haben nicht mehr ausgereicht. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, einen solchen Katalog zusammenzuschreiben. Die Idee, das auf die Internetseite zu stellen, war absolut unspektakulär, aber im Nachgang vielleicht nicht ganz glücklich.

Wieso?

Weil das jetzt plötzlich von Menschen aus den verschiedensten Richtungen bewertet wird – sowohl aus der ganz rechten Ecke, aber auch von Menschen die sagen: Prima, da wird den Flüchtlingen vermittelt, mit welchen Regeln sie hier willkommen sein können.

Die Internetseite enthält lediglich eine deutsche Fassung des Regelkatalogs. Gibt es für Flüchtlinge auch eine arabische Version?

In unserer Flüchtlingsunterbringung haben wir ein Grundgerüst von Regeln als Aushang in fünf Sprachen. Die von mir erstellte Übersicht auf unserer Internetseite wurde nicht an die Flüchtlinge ausgegeben.

An wen richtete sich dann die deutsche Fassung im Internet, die die Flüchtlinge gar nicht lesen konnten?

Das ist eine gute Frage. Ich habe ja nicht geahnt, dass das solche Kreise zieht, wenn es auf der Internetseite steht. Der Leitfaden war vor allem für unsere Bürger gedacht, dass die sehen: Da hat jemand unsere Sorgen und Erwartungen im Blick.

Zu Ihren Regeln zählen unter anderem der richtige Umgang mit Müll, das Bezahlen von Waren in Geschäften und der ordnungsgemäße Gebrauch von Toiletten. Machen Sie bei diesen Punkten schlechte Erfahrungen mit den Flüchtlingen?

Ja. Auf ihrer Flucht schmeißen Flüchtlinge Dinge, die sie nicht mehr brauchen, einfach weg. Auf Bildern sieht man, wie zugemüllt die Fluchtwege sind. In Deutschland gibt es Papierkörbe, da lässt man seinen Unrat nicht einfach fallen. Bei uns wird so etwas schon kleinen Kindern beigebracht. Wenn ein Flüchtling nach Deutschland kommt, um sich zu integrieren, muss ihm das auch vermittelt werden. Nicht mit Zwang und Bußgeld, aber mit einer Empfehlung.

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