Wegen seines Umgangs mit einem Holocaust-Vorwurf von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gegen Israel steht Bundeskanzler Scholz heftig in der Kritik. Das Internationale Auschwitz-Komitee äußerte sich empört über den Holocaust-Vorwurf von Abbas sowie über die zögerliche Reaktion von deutscher Seite. Zu Abbas' Äußerungen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz sagte der Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner, der Präsident habe "die politische Bühne Berlins gezielt genutzt, um die deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren. Mit seinem schändlichen und unangemessenen Holocaust-Vergleich hat Abbas erneut versucht, antiisraelische und antisemitische Aggressionen in Deutschland und Europa zu bedienen."
Auch an der Bundesregierung übte Heubner Kritik. "Es ist erstaunlich und befremdlich, dass die deutsche Seite auf Abbas' Provokationen nicht vorbereitet war und seine Äußerungen zum Holocaust in der Pressekonferenz unwidersprochen geblieben sind", teilte Heubner mit.
Die Union kritisierte ebenfalls Scholz wegen seines Umgangs mit dem Holocaust-Vorwurf. "Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt", schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstagabend auf Twitter. Der Kanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten "klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen!", argumentierte er. Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer meinte: "Selbstverständlich hätte Bundeskanzler Olaf Scholz nach der Holocaust-Relativierung dem Palästinenserpräsidenten widersprechen können - und müssen. Nach einer solchen Entgleisung zu schweigen ist unverzeihlich."
Israel: Moralische Schande und ungeheuerliche Lüge
Der israelische Ministerpräsident Jair Lapid reagierte ebenfalls mit deutlichen Worten: "Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, "50 Holocausts" begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge", schrieb er auf Twitter und verwies auf die sechs Millionen Juden, die im Holocaust von den Nazis ermordet wurden. Die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen. Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Abbas erweise "den berechtigten palästinensischen Anliegen" keinen Dienst. "Durch seine Holocaustrelativierung hat Präsident Abbas jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lassen", kritisierte Klein. "Das gilt gerade auch im Hinblick auf die gestellte Frage zum Olympiaattentat, das von PLO-Terroristen verübt wurde."
Der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff erklärte hingegen, eine breitere Öffentlichkeit erfahre endlich, "wie die Palästinenser und Abbas - Israels angebliche "Partner" - drauf sind. Das ist wichtiger als Kritik am @Bundeskanzler, dessen Empörung klar sichtbar war".
Abbas: "50 Massaker, 50 Holocausts"
Abbas hatte Israel bei seinem Besuch in Berlin vielfachen "Holocaust" an den Palästinensern vorgeworfen und damit Empörung ausgelöst. "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen", sagte er am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz im Kanzleramt und fügte hinzu: "50 Massaker, 50 Holocausts."
Der SPD-Politiker verfolgte die Äußerungen mit versteinerter Miene, sichtlich verärgert und machte auch Anstalten, sie zu erwidern. Sein Sprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz aber unmittelbar nach der Antwort Abbas' für beendet erklärt. Die Frage an den Palästinenserpräsidenten war schon vorher als die letzte angekündigt worden. Hebestreit berichtete später, dass Scholz empört über die Äußerung Abbas' gewesen sei. Zur "Bild"-Zeitung sagte der Kanzler am Abend: "Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel."
Scholz hatte Abbas vorher auf offener Bühne kritisiert, weil dieser die israelische Politik als "Apartheidssystem" bezeichnet hatte. "Ich will ausdrücklich hier an dieser Stelle sagen, dass ich mir das Wort Apartheid nicht zu eigen mache und dass ich das nicht für richtig halte für die Beschreibung der Situation", sagte Scholz. Unter Apartheid versteht man die Doktrin der Trennung einzelner ethnischer Bevölkerungsgruppen, vor allem bis 1994 in Südafrika. Abbas hatte dies Israel bereits häufiger vorgeworfen.
Abbas äußerte sich schon früher antisemitisch
Der Palästinenserpräsident hatte bereits 2018 mit Holocaust-Aussagen in einem anderen Zusammenhang für Aufsehen gesorgt. Damals sagte er, der Holocaust sei nicht durch Antisemitismus ausgelöst worden. Stattdessen sei der Auslöser die soziale Stellung der Juden als Verleiher von Krediten mit Zinsen gewesen. Hinterher entschuldigte er sich für die antisemitischen Aussagen. Es sei nicht seine Absicht gewesen, jemanden damit zu kränken.
Als umstritten gilt auch seine Anfang der 1980er Jahre vorgelegte Doktorarbeit. Abbas hatte darin den Holocaust relativiert und der zionistischen Bewegung vorgeworfen, sie habe mit dem Hitler-Regime kollaboriert. 2014 bezeichnete er dann erstmals die Judenvernichtung während des Holocausts als das "schlimmste Verbrechen der Neuzeit".
Quelle: ntv.de, ghö/dpa
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