Neue Forschungen haben das erste 3D-Modell des wahrscheinlich größten Hais in der Erdgeschichte ermöglicht: eines Megalodon Otodus megalodon. Das berichtet ein Forscherteam unter der Leitung des Paläobiologen Jack Cooper von der Swansea University in Großbritannien in der Fachzeitschrift "Science Advances". Die Basis für die Arbeit waren außergewöhnlich gut erhaltene Fossilien eines Megalodon, die aus dem Königlichen Belgischen Institut für Naturwissenschaften stammen. In die Berechnungen flossen außerdem Megalodon-Zähne und Scans von heute existierenden Weißen Haien ein.
Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei es schwierig gewesen, sich ein klares Bild des Megalodons zu machen, wird Studienautorin Catalina Pimiento im britischen "Guardian" zitiert. Der Paläobiologin zufolge bestanden die Skelette der legendären Raubtiere überwiegend aus weichem Knorpel, der nicht gut versteinert. Lediglich die dichteren Teile des Knorpelskeletts - insbesondere seine Wirbel - können unter den richtigen Bedingungen erhalten bleiben. Also verwendeten die Wissenschaftler die wenigen verfügbaren Fossilien, darunter die seltene Sammlung von Teilen einer Megalodon-Wirbelsäule in Brüssel.
Messungen und Scans jedes einzelnen Wirbels bildeten die Grundlage für eine Rekonstruktion der gesamten Megalodon-Wirbelsäule. Das Gebiss wurde aus einem Scan von Megalodon-Zähnen in den USA ergänzt. Anschließend wurde ein 3D-Scan eines Weißen Hais aus Südafrika verwendet, um den Körper um die rekonstruierte Wirbelsäule und den Kiefer herum auszufüllen.
Gewaltiger Räuber
Demnach war der Megalodon, dessen Wirbelsäule die Forschungsgrundlage bildete, von der Nase bis zum Schwanz rund 16 Meter lang. Das ist etwa zwei- bis dreimal so groß wie der heutige Weiße Hai. Allein 4,7 Meter entfallen auf den Kopf und 4 Meter auf den Schwanz. Die Rückenflosse war demnach etwa 1,6 Meter hoch. Vermutlich konnten Tiere sogar bis zu 20 Meter lang werden.
Basierend auf ihrer digitalen Kreation berechneten die Forschenden, dass der Megalodon etwa 70 Tonnen gewogen hätte. Das wäre etwa so viel wie zehn Elefanten. "Das Gewicht ist eines der wichtigsten Merkmale eines Tieres", sagt der Evolutionsbiomechaniker John Hutchinson vom Royal Veterinary College in Großbritannien. "Für ausgestorbene Tiere können wir die Körpermasse mit modernen digitalen 3D-Modellierungsmethoden abschätzen und dann die Beziehung zwischen Masse und anderen biologischen Eigenschaften wie Geschwindigkeit und Energieverbrauch herstellen."
Vermutlich entwickelte sich Otodus megalodon vor etwa 23 Millionen Jahren und starb vor etwa 3,6 Millionen Jahren aus bisher unbekannten Gründen aus. Überreste wurden auf allen Kontinenten gefunden, mit Ausnahme der Antarktis. Das deutet darauf hin, dass Megalodon den Ozean weltweit beherrschten. Das Modell lässt auch Vermutungen über die Lebensweise des Riesen zu. Dem Modell zufolge hätte sich das Maul des belgischen Megalodons 1,8 Meter weit öffnen können, es hatte ein Magenvolumen von rund 9,6 Kubikmetern. Aus diesen Messwerten schloss das Team, dass das Tier ein Beutetier mit einer Länge von etwa acht Metern - der Größe eines erwachsenen Orcas - in nur fünf Bissen vollständig fressen konnte.
Die Kalorienmenge einer solchen Mahlzeit würde ausreichen, um Megalodon zwei Monate lang zu ernähren, während er durch die Ozeane der Erde schwamm. Dies ist ähnlich wie bei Weißen Haien, die ein oder zwei Monate ohne Nahrung auskommen können, wenn sie eine ausreichend große Mahlzeit bekommen. Das Team fand heraus, dass die Reisegeschwindigkeit von Megalodon mehr als fünf Kilometer pro Stunde betrug. Weiße Haie schaffen etwa drei Kilometer pro Stunde.
Das Verschwinden von Megalodon aus den Ozeanen der Erde könnte die Unterwasserökologie entscheidend verändert haben, schlussfolgert das Team. "Zusammengenommen deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass O. megalodon eine wichtige ökologische Rolle als transozeanischer Super-Räuber gespielt hat", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sein Aussterben beeinflusste wahrscheinlich den globalen Nährstofftransport.
Quelle: ntv.de
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