Er heißt Tony, spricht ein hartes Englisch mit osteuropäischem Klang und will nicht viel über sich verraten. Vielleicht wagt er sich wegen seiner Aufenthaltsgenehmigung, die immer wieder überprüft wird, nicht aufs Foto. Tony, Mitte 50 und gleich mit drei rund um den Fahrersitz montierten Smartphones ausgestattet, fährt seit vier Jahren Taxi. Am Rückspiegel baumelt eine kleine Madonna, aus der Türablage ragt eine große Flasche mit Eistee. Tony steuert einen kleinen Van mit dem Nissan-Logo im dezenten Kühlergrill. Wir kennen das Modell, denn der Japaner wird in Europa als NV200 verkauft, gilt als Rivale des VW Caddy und ist nicht sonderlich erfolgreich. Ausgerechnet dieser NV200 hat vor drei Jahren eine Ausschreibung gewonnen und ist nun das offizielle und exklusive "Yellow Cab" in New York. Der damalige Bürgermeister Michael Bloomberg verteidigte den Sieg von Nissan über seine Mitbewerber darunter auch Ford: "Der Nissan ist das sicherste, komfortabelste und praktischste Taxi, das die Stadt je hatte".
New Yorker auf den Barrikaden
Die New Yorker gingen erstmal auf die Barrikaden - auch im Namen der Millionenschar von Touristen: Schließlich handelt es sich um ein japanisches Auto, das in Mexiko gebaut wird, keinen Hybridantrieb unterm Karosseriekleid hat und technisch gesehen ein Auslaufmodell ist. Es gäbe zwar auch eine rein elektrische Version des NV200, doch die Ladezeiten sind zu lang und die Reichweite zu kurz, um fürs Taxibusiness zu taugen. Dennoch ging der milliardenschwere Nissan-Deal über die Bühne, in Japan knallten die Sektkorken. Zehn Jahre lang ist der NV200 nun das offizielle Taxi in New York, 26.000 Stück sollen geliefert werden, zum Preis von je rund 23.000 Dollar.
Tony hatte seinen Job im gewaltigen 5,38 Meter langen Ford "Crown Victoria" begonnen, die 90er-Jahre hindurch das Taxi-Modell schlechthin in den Häuserschluchten von Manhattan. "Ein braves Auto", sagt Tony, "aber durstig und nicht sehr praktisch. Hochgewachsene Fahrgäste schrammten mit den Knien an der Rückseite der Vordersitze und der Kofferraum war etwas flach fürs große Reisegepäck. Ich saß aber richtig bequem hinterm Lenkrad". Vor allem aber war das Dickschiff durstig, ein Achtzylinder ist fürs ständige Stopp-and-Go nicht wirklich geeignet. Tony rechnet vor: "Mit dem Nissan spare ich pro Tag rund 20 Dollar". Und welche Nachteile hat das neue Pflicht-Mobil? Tony sprudelt: "Wenn es im Winter glatt auf den Straßen wird, sind die kleinen Räder überfordert. Ohne Winterreifen geht da nichts".
Inneren Werte machen den Unterschied
Unter der Haube gibt sich der NV200 bescheiden. Ein Vierzylinder-Benziner mit zwei Litern Hubraum, 131 PS und einem überschaubarem Drehmoment von 88 Newtonmetern. Da der 4,80 Meter lange und immerhin 1,95 Meter hohe NV200 ausschließlich im Cityverkehr unterwegs ist, reicht das allemal. Die inneren Werte aber machen den Unterschied zum guten alten Ford. Die seitliche Schiebetür zum Beispiel, der üppige Knieraum auf den drei Plätzen im Fond, die beiden USB-Stecker zum Aufladen der Touri-Handys und manch praktisches Detail mehr. "Vor allem das gläserne Panorama-Dach gefällt meinen Passagieren", berichtet Tony. "Wer unsere Stadt entdeckt, schaut schließlich ganz oft nach oben".
Es geht die siebte Avenue entlang, Richtung Downtown Manhattan. An fast jeder Kreuzung stockt es, Tony sitzt gelassen hinter seinem kleinen Lenkrad und führt Dauergespräche in seiner Muttersprache. Um uns herum rollen und schieben sich zahllose andere gelbe Autos. Noch sind etliche Toyota "Camry" und Toyota "Prius" oder Ford "Kuga SUV" unterwegs. Da die alle einen Hybridantrieb haben, dürfen sie noch eine Weile auf Fahrgast-Fang gehen. Der dicke Crown Victoria ist aus dem Straßenbild fast völlig verschwunden. Nur die Polizei vertraut nach wie vor auf ihn.
In der Canal Street, von der aus die Ostertouristen "Little Italy" und "Chinatown" erkunden, endet die Fahrt im Nissan. Die knapp vier Meilen im Nissan-Taxi haben gut 30 Minuten gedauert, der Blick durchs Dach auf die steinernen Monumente aus der Gründerzeit hat keine Langeweile aufkommen lassen. Und die obligatorischen Handy-Fotos und Selfies müssen sich halt an das neue New Yorker Wahrzeichen gewöhnen: Japanische Taxen aus Mexiko vor dem Empire State Building oder am Times Square. Hauptsache gelb.
Quelle: n-tv.de , ali/sp-x
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