Long Covid behält man vermutlich ein Leben lang

  23 Januar 2023    Gelesen: 484
  Long Covid behält man vermutlich ein Leben lang

Eine Corona-Infektion kommt vielen inzwischen als keine große Sache mehr vor. Doch auf Covid-19 folgt in etwa zehn Prozent aller Fälle Long Covid. Eine neue Studie fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen - und kommt zu besorgniserregenden Schlussfolgerungen.

Weltweit leiden vermutlich ungefähr 65 Millionen Menschen unter den Spätfolgen einer Corona-Erkrankung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Überblicksstudie, die vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift "Nature Reviews Microbiology" erschienen ist. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Patient-Led Research Collaborative und vom Scripps Research Translational Institute in La Jolla, im US-Bundesstaat Kalifornien, vermuten, dass etwa zehn Prozent der bislang etwa 651 Millionen weltweit infizierten Menschen davon betroffen sind. Vermutlich aber liege die Zahl aufgrund vieler undokumentierter Fälle noch höher.

Damit wäre Long Covid oder Post Covid sehr viel schwerwiegender als bisher angenommen. Allein in Deutschland wird inzwischen von mindestens einer Million Menschen ausgegangen, die unter Langzeitfolgen der Infektion leiden. Für ihre Studie hatten die Forschenden die aktuelle Studienlage zum Thema ausgewertet. Dabei bezogen sie auch Ergebnisse aus der jahrzehntelangen Forschung zu Krankheiten wie der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME) und dem Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) mit ein.

Long Covid war eine eher umgangssprachliche Bezeichnung für Beschwerden, die jenseits der akuten Krankheitsphase einer Sars-CoV-2-Infektion von vier Wochen fortbestehen oder neu auftreten. Post Covid definiert die Weltgesundheitsorganisation WHO als das Fortbestehen oder die Entwicklung von Symptomen drei Monate nach einer Corona-Infektion. Dabei müssen die Symptome mindestens zwei Monate andauern und durch keine andere Diagnose erklärbar sein. Oft werden die beiden Begriffe meist gleichermaßen für die längerfristigen Folgen einer Corona-Infektion und Covid-19-Erkrankung verwendet. Mittlerweile seien mehr als 200, oft unterschiedlich schwer auftretende Symptome identifiziert worden, so die "Nature"-Studie. Viele Betroffene berichten von Müdigkeit und Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Konzentrations- sowie Gedächtnisproblemen oder Muskelschwäche.

Lebenslange Beeinträchtigung

Inzwischen seien Hunderte von biomedizinischen Befunden dokumentiert. Daraus zeige sich, dass bei vielen Patienten Dutzende von Symptomen in mehreren Organsystemen auftreten. Zudem verändern sich die Symptome ständig, klingen zeitweise ab und kehren dann wieder. "Die Symptome können jahrelang anhalten, und insbesondere in Fällen von neu auftretendem ME/CFS und Dysautonomie ist davon auszugehen, dass sie lebenslang anhalten", heißt es. Als besonders besorgniserregend sehen die Forschenden an, dass es bislang keine Behandlungen gibt, deren Wirksamkeit belegt ist.

Die Folgeerkrankungen betreffen dieser Auswertung zufolge 10 bis 30 Prozent der nicht hospitalisierten Fälle, 50 bis 70 Prozent der Menschen, die im Krankenhaus behandelt wurden und auch 10 und 12 Prozent der geimpften Patientinnen und Patienten. Gerade zum letzten Punkt ist die Forschungslage aber noch nicht eindeutig. Eine Untersuchung sieht keinen erheblichen Unterschied von Long-Covid-Symptomen bei Geimpften und Ungeimpften. Andere Studien gehen davon aus, dass die Impfung das Risiko für Long Covid auf 15 bis 41 Prozent verringert.

Alle Altersgruppen können betroffen sein und jeder Schweregrad der Covid-19-Erkrankung kann später zu der Folgeerkrankung führen, so das US-Forschungsteam. Der höchste Prozentsatz der Diagnosen liege im Alter zwischen 36 und 50 Jahre, die meisten Fälle seien bei nicht hospitalisierten Patienten mit einem leichten Krankheitsverlauf dokumentiert. Das führen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf zurück, dass diese Population die Mehrheit aller Covid-19-Fälle darstellt.

Dringende Suche nach Behandlungsmöglichkeiten

Zu den potenziellen Risikofaktoren gehören weibliches Geschlecht, außerdem Typ-2-Diabetes, eine Reaktivierung einer früheren Epstein-Barr-Infektion und das Vorhandensein spezifischer Autoantikörper. Bei einem Drittel der Menschen mit Long Covid konnten jedoch keine Vorerkrankungen identifiziert werden. Als sozioökonomischen Risikofaktoren identifizierte das Team ein geringeres Einkommen und die "Unfähigkeit, sich in den ersten Wochen nach der Entwicklung von Covid-19 angemessen auszuruhen".

Vermutlich sind am Ende mehrere, sich überschneidende Ursachen für das komplexe Symptombild und die oft erheblichen Einschränkungen verantwortlich. Long Covid sei eine multisystemische Erkrankung mit Auswirkungen auf mehrere Organsysteme sowie Gefäß- und Gerinnungsanomalien. Die Krankheit betreffe bereits heute Millionen von Menschen und deren Zahl wachse weiter.

Vor allem die jahrzehntelange Forschung zum Chronischen Fatigue-Syndrom lege die Einschätzung nahe, dass einem erheblichen Anteil von Personen mit Long Covid lebenslange Behinderungen drohen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Die derzeitigen "Diagnose- und Behandlungsoptionen" nennen die Studienautorinnen und -autoren "unzureichend". Es seien dringend zahlreiche klinische Studien erforderlich, um Behandlungen zu testen, die sich mit möglichen biologischen Mechanismen befassen, die der Erkrankung zugrunde liegen. Dazu zählt das Expertenteam auch übermäßige Blutgerinnung und Autoimmunität.

Quelle: ntv.de


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