Nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala könnte eine ukrainische Gegenoffensive "durchaus eine Wendung" im Krieg bringen. Wenn es den Ukrainern gelinge, die südliche russische Front von der östlichen zu trennen, könnte sie das in die Lage versetzen, "den Druck auf die Krim so zu erhöhen, dass Russland dabei ist, die Halbinsel zu verlieren", sagte der Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das könnte möglicherweise im Kreml für Bewegung sorgen, dass jemand anderes als Putin an den Verhandlungstisch kommt."
Masala hält daher eine Gegenoffensive für die aus ukrainischer Sicht sinnvollste Option. Nach der Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin vom Dienstag, in der er dem Westen die Schuld für den Krieg zuschrieb, sei laut Masala schwer abzusehen, wo er "noch eine Hintertür offengelassen hat, um ohne Vorbedingungen Verhandlungen aufzunehmen".
Freuding sieht Ukraine in schwieriger Phase
Nach Einschätzung des deutschen Brigadegenerals Christian Freuding steckt der Verteidigungskampf der Ukrainer aktuell in einer schwierigen Phase. Der Leiter des Sonderstabes Ukraine im deutschen Verteidigungsministerium verwies im Gespräch mit der dpa auf eine erkennbare Lernfähigkeit der russischen Militärführung. "Wir wissen auch, dass die Ukrainer nicht mehr in der Lage sind, ihre Verbände nur mit Freiwilligen aufzufrischen, sondern dass sie jetzt ganz gezielt Reservisten in unterschiedlichen Graduierungen einziehen."
Die geplante Verstärkung mit westlichen Kampfpanzern und Schützenpanzern werde die Ukrainer in die Lage versetzen, örtlich begrenzt Überlegenheit zu schaffen, sagte Freuding. "Sie werden dann sowohl in der Verteidigung als auch im Angriff Erfolge erzielen können." In der Breite sei ein Vorstoß dagegen schwierig.
Wie Masala hebt auch Freuding die Bedeutung der Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim hervor. "Wenn man von den Ebenen der Operationsführung - taktisch, operativ, strategisch - ausgeht, dann würde ich die Landbrücke zur Krim als operatives Ziel bezeichnen. Es ist sicherlich eines, das im Mittelpunkt der Überlegungen der Ukrainer steht, weil sie damit ihr politisch-strategisches Ziel, nämlich das Wiedergewinnen der territorialen Integrität, unterstreichen können", sagte Freuding.
"Gleichzeitig würden sie mit dem Zerschneiden der Landbrücke auch erreichen, dass die russischen Truppen vermutlich auch den ganzen Teil der Landbrücke westlich von Saporischschja zur Krim hinführend nicht lange würden halten können."
Quelle: ntv.de, jpe/dpa
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