Wenn Trolle die US-Debatte kapern

  17 April 2023    Gelesen: 670
  Wenn Trolle die US-Debatte kapern

Nur ein Prozent der Fake News, die Russland in den USA verbreitet, wird entdeckt - so jedenfalls bilanziert der Kreml den Erfolg seiner Kampagnen. Ein weiteres Dokument aus den Discord-Leaks zeigt, wie die Bedeutung des Informationskriegs stetig wächst.

Russische Trollfabriken rühmen sich, dass ihre Fake-News-Kampagnen in den USA weit erfolgreicher seien, als sie im Westen wahrgenommen werden. Mit Hunderttausenden gefälschten Online-Accounts verbreiten russische Operatoren demnach Desinformation über das ukrainische Militär und Nebenwirkungen von Impfungen. Das geht aus den Discord-Leaks hervor, durch die in der vergangenen Woche US-Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit gelangten.

Nur ein Prozent der russischen Fake-Accounts wird entlarvt, so geht es laut Meldung der "Washington Post" aus einem der geheimen Dokumente hervor. "Diese Zahl ist fiktiv", lautet die Einschätzung des Verteidigungsexperten Sönke Marahrens, doch sieht er gerade in den USA ein hohes Potenzial für die Verbreitung von Desinformation, da die Meinungsfreiheit in der amerikanischen Gesellschaft als ein besonders hohes Gut betrachtet wird. Ein staatliches Vorgehen gegen Desinformation würde darum sehr schnell als Beeinflussung der Meinungsfreiheit kritisiert werden.

Manche US-Sender übernehmen die russische Sicht

"Das Ziel russischer Desinformation ist ja nicht, dass irgendein Nutzer mit russisch klingendem Namen die falschen Behauptungen vertritt, sondern dass die Aussagen mit einem amerikanischen Namen verbunden werden", sagt Marahrens, der am Europäischen Exzellenzzentrum für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen in Helsinki forscht. Sie erscheint so als Position eines fiktiven US-Bürgers oder -Bürgerin, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen.

Während in Europa die mediale Sicht auf den russischen Angriffskrieg bislang noch von Informationen aus der Ukraine geprägt sind, ist das in den USA nicht der Fall. Getrieben wird die Desinformation inzwischen auch von vielen Stimmen, die sich aus politischem Kalkül vom klaren Bekenntnis des demokratischen Präsidenten Joe Biden für die Ukraine abgrenzen wollen. Aus deren Reihen wird nun zunehmend die russische Sicht unterstützt.

"Aus diesem Grund senden Radio- und Fernsehkanäle vor allem aus dem Spektrum der alternativen Rechten nachgewiesenermaßen Formate aus russischer Desinformation - weil sie womöglich politisch ins Konzept passen", sagt Marahrens im Gespräch mit ntv.de. "Wie wollen Sie als staatliche Stelle dagegen vorgehen, ohne in den Verdacht zu geraten, dass sie Zensur betreiben?"

Der Zensur-Vorwurf ist schnell gemacht - mehrere republikanische Kongressabgeordnete sowie auch Elon Musk, der seit Herbst 2022 Twitter-Chef ist, werfen der demokratischen US-Regierung vor, zu häufig Accounts in sozialen Medien als russische Fake-Konten zu diffamieren. Auf diese Weise würden unabhängige Ansichten unterdrückt.

Laut "Washington Post" bestätigen unabhängige Untersuchungen wie auch Angestellte der Plattform, dass aggressive Kampagnen seit Musks Twitter-Übernahme zugenommen hätten. Der Multimilliardär hatte kurze Zeit später begonnen, mehrere Moderationsteams einzusparen, die Desinformation und Hassrede im Fokus hatten. Stattdessen wird hauptsächlich Künstliche Intelligenz eingesetzt, um gefährliche und problematische Inhalte zu sperren. In der Folge können sich Drohungen und verbale Gewalt nun länger auf der Seite halten, bevor sie - wenn überhaupt - entfernt werden.

Zweifel säen, Stimmung vergiften

Auch das von Twitter eingeführte Verifizierungssystem, für das bezahlt werden muss, ist keine sichere Schranke gegen Desinformation. Nach Ergebnissen der Forschungsgruppe Reset war es russischen Propaganda-Kanälen mehrfach gelungen, für gefälschte Konten den blauen Haken zu kaufen, der die Seriosität einer Quelle bestätigen soll. Tweets von Accounts, die mit blauem Haken versehen sind, soll auf Twitter eine höhere Reichweite ermöglicht werden.

Dabei geht es den Manipulierern, die hinter den künstlichen Accounts, sogenannten "Trollen" stecken, nicht unbedingt darum, Gegenmeinungen durchzusetzen. Es reicht bereits, eine sachliche Diskussion durch aggressive Reaktionen, Beleidigungen und massenhaftes Posten zu zerstören, Zweifel zu säen, die Stimmung zu vergiften. Eine Posting-Aktivität weit über dem Durchschnitt, ein neuer Account mit wenigen Followern kann Zeichen für einen Troll sein.

Nötig ist laut Marahrens, dass demokratische Gesellschaften sich im Umgang mit Desinformation weiterentwickeln. Schulen müssten schon Kinder im Umgang mit Fake News aufklären und verdeutlichen, dass nicht alles automatisch stimmt, was im Internet behauptet wird, sagt Marahrens. "Die Schulen sind Sicherheits-Provider."

Quelle: ntv.de


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