Marian Kotleba heißt der Chef der Partei, er lässt sich gern "Führer" nennen und zählt zu den radikalsten Neonazis in Europa. Kotleba, 38, mag Uniformen, die an slowakische Nazi-Paramilitärs der Zwischenkriegszeit erinnern. Roma nennt er "Zigeunerparasiten", seinen Antisemitismus verhüllt er als "Antizionismus", "sexuelle Abweichungen" aller Art will er verbieten lassen, und er verlangt einen Austritt der Slowakei aus der EU und dem "Terrorpakt" Nato.
"Jahrelang hatte Kotleba den Spielraum, Macht zu erobern und Geld anzuhäufen", kritisiert die slowakische Bürgerrechtsaktivistin Ingrid Kosová. Sie verfolgte seine Aktivitäten seit Langem und warnte ebenso unermüdlich wie vergeblich. "Jetzt ist es zu spät. Er und seine faschistischen Anhänger wurden ins Parlament gewählt."
Seither hat in der slowakischen Öffentlichkeit das große Suchen nach den Ursachen begonnen. Täglich erscheinen in den Medien des Landes Analysen und Kommentare, die der Frage nachgehen, wie eine Partei von Hitler-Bewunderern, Holocaust-Leugnern und rassistischen Gewalttätern so viele Stimmen bekommen konnte. Der Politologe Grigorij Meseznikov vom Institut für öffentliche Angelegenheiten in Bratislava sagt: "Acht Prozent. Das entspricht in der kleinen Slowakei mit ihrer zersplitterten Parteienlandschaft nicht dem Ergebnis einer kleinen Partei - sondern dem einer mittleren."
Über den Umgang mit Kotleba und seiner Partei wird nun heftig gestritten. Soll man sie ignorieren, boykottieren oder verbieten? Mit angestoßen hat die Debatte der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska, ein parteiloser Ausnahmepolitiker, der seit seiner Wahl im März 2014 zum humanistischen und sozialen Gewissen des Landes wurde. Nach den Wahlen schloss er Kotleba und seine Partei von politischen Konsultationen aus. Vergangene Woche sagte Kiska: "Wir müssen es klar und ohne Scheu aussprechen: Kotleba ist ein Faschist."
Schlichte Lügen
In der Öffentlichkeit bekannt wurde der gelernte Informatiklehrer Kotleba, als er 2003 zum Chef der neofaschistischen Organisation "Slowakische Gemeinschaft" avancierte. Später gründete er eine Partei gleichen Namens, die 2006 verboten wurde. Seine jetzige "Volkspartei - Unsere Slowakei" ist eine Kopie dieser Vorgängerin.
Wegen Aufstachelung zum Rassenhass oder faschistischer Propaganda wurde seit 2005 mehr als ein Dutzend Mal gegen Kotleba ermittelt. Vor Gericht kam er jedes Mal davon, oft mit abstrusen Begründungen: So etwa darf Kotleba das Wort "Zigeunerparasiten" ungestraft verwenden - das Oberste Gericht der Slowakei konnte im Mai 2013 darin nichts romafeindliches erkennen.
Seinen politischen Durchbruch schaffte Kotleba Ende 2013, als er überraschend zum Regionalpräsidenten des Bezirkes Banska Bystrica gewählt wurde. Wie Kotleba diesen Posten seither nutzt, um Neonazi-Propaganda zu verbreiten, gegen Roma zu hetzen oder unliebsame regionale Kulturprojekte durch Entzug der Finanzierung kaputtzumachen, dokumentiert das Projekt "Watch BBSK", das die Aktivistin Ingrid Kosová zusammen mit anderen gründete. Das Projekt entlarvt auch Mythen, die Kotleba um seine Person aufbaut, so etwa, dass er nicht korrumpierbar sei, die Finanzen der Region Banska Bystrica saniert habe oder den regionalen Umweltschutz fördere, als schlichte Lügen.
"Kotleba macht das sehr geschickt"
In der slowakischen Öffentlichkeit fand "Watch BBSK" bislang nur wenig Aufmerksamkeit. Dabei ist es genau dieser falsche Nimbus Kotlebas von Unbestechlichkeit, Volksnähe und Einsatz für Recht und Ordnung, der einen großen Teil seines Erfolges ausmacht. Zwar habe er auch davon profitiert, dass die meisten slowakischen Parteien in den vergangenen Monaten die Angst vor Migration geschürt hätten, sagt der Politologe Marek Rybar. "Aber zugleich profitiert er auch vom Mangel an Debatten über die großen sozialökonomischen Probleme im Land. Zudem sind Kotleba und seine Partei in Dörfern und Gemeinden seit Jahren so aktiv wie sonst keine andere politische Kraft."
Seit der erfolgreichen Parlamentswahl gibt sich Kotleba zudem moderat. Keine Uniformen, kein Nazigruß, keine faschistischen Parolen mehr. Ein Abgeordneter seiner Partei, der wegen rassistisch motivierter, schwerer Körperverletzung vor Gericht steht, verzichtete auf sein Mandat.
Der Politologe Grigorij Meseznikov sieht dahinter den Versuch Kotlebas, sich und seine Partei als "neue, alternative und innovative politische Kraft zu etablieren". Sehr geschickt gehe Kotleba vor. "Ich befürchte, dass sein jetziger Wahlsieg kein einmaliger Ausrutscher war", so Meseznikov. Die ersten Umfragen nach der Wahl bestätigen diese Befürchtung - die Neonazi-Partei liegt bei elf Prozent.
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