Wie warm können unsere Meere noch werden?

  04 Auqust 2023    Gelesen: 1018
  Wie warm können unsere Meere noch werden?

Nie seit Messbeginn waren die Meere so warm wie jetzt. Ob am Mittelmeer, im Atlantik oder im Pazifik: die Ozeane heizen sich auf - es kommt zu Hitzewellen im Meer. Dies wird nicht ohne Folgen bleiben für das maritime Leben. Klimawissenschaftler Thomas Frölicher erklärt im Interview die Vorgänge, welche Konsequenzen das warme Wasser hat und was es mit dem "Blob" auf sich hat.

ntv.de: Wie warm sind die Ozeane momentan?

Thomas Frölicher: Im Moment ist der globale Ozean mit 21 Grad Celsius (gemittelte Oberflächentemperatur, Anm. d. Red.) um 0,2 Grad Celsius wärmer als je zuvor gemessen seit dem Beginn der Satellitenmessungen im Jahre 1981. Besonders auffallend ist die außergewöhnliche Wärme im tropischen Pazifik, im nördlichen Atlantik sowie Pazifik und im Mittelmeer. Im Mittelmeer wurden in der letzten Woche die höchsten Temperaturen seit Beginn der direkten Messungen verzeichnet.

Wie warm können unsere Meere eigentlich werden?

Die maximale Erwärmungsgrenze, die ein Meer erreichen könnte, ist eine faszinierende Frage, die derzeit noch nicht abschließend erforscht ist. Aus der Vergangenheit wissen wir jedoch, dass die Weltmeere während des frühen Eozäns, vor etwa 56 Millionen Jahren, global um 8 bis 10 Grad wärmer waren als heute. Damals war die atmosphärische CO₂-Konzentration jedoch deutlich höher als heute und die Meere waren viel saurer und teilweise extrem sauerstoffarm. Diese Bedingungen haben das marine Leben erheblich beeinträchtigt.

Der "Blob": Welche Folgen hat das für das maritime Leben?

Die Temperatur spielt eine entscheidende Rolle in der Biologie und Ökologie von Meeresorganismen. Daher können extrem hohe Meerestemperaturen erhebliche Auswirkungen auf das maritime Leben haben. Zu diesen Auswirkungen zählen Korallenbleichen, das Absterben von Korallen, der Verlust von Seegras- und Kelpwäldern sowie Verschiebungen im Artenreichtum. Ein bemerkenswertes Beispiel für die Folgen extrem hoher Meerestemperaturen war die große marine Hitzewelle im Nordostpazifik zwischen 2013 und 2015, oft als der "Blob" bezeichnet. Diese Hitzewelle führte zu Sterblichkeit und Reproduktionsversagen bei Seevögeln, Massenstrandungen von Seelöwen und Walen sowie zu einer Verschiebung im Artenreichtum hin zu Warmwasserarten, was sich auf die Fischerei auswirkte. Viele Fischarten waren gezwungen, kühlere Lebensräume aufzusuchen. Einige marine Populationen haben sich bis heute nicht vollständig erholt.

Was bedeuten die Temperaturen für die Nahrungsketten im Meer?

Basierend auf den Erkenntnissen aus vergangenen marinen Hitzewellen gehen wir davon aus, dass auch die jetzige globale marine Hitzewelle erhebliche negative Auswirkungen auf marine Organismen und Ökosysteme haben wird. Die ganzen Auswirkungen von marinen Hitzewellen sind oft nicht allein auf erhöhte Wassertemperaturen zurückzuführen, sondern resultieren aus einer Kombination verschiedener Stressfaktoren. Dazu gehören beispielsweise die Ozeanversauerung, verursacht durch die Aufnahme von CO₂ durch den Ozean und der Sauerstoffverlust, wärmeres Wasser verliert an Sauerstoff.

Auch Versauerungsextreme und Sauerstoffextreme nehmen mit der globalen Klimaerwärmung stark zu, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese extremen Bedingungen räumlich und zeitlich zusammenfallen. In solchen Fällen spricht man von kombinierten Extremereignissen, die oft einen stärkeren negativen Einfluss auf die Flora und Fauna haben als ein einzelnes Extremereignis. In diesem Jahr erwarten wir ebenfalls das Auftreten solcher kombinierter Extremereignisse.

Wodurch heizt sich das Meer denn momentan so auf?

Der Hauptgrund für die starke Erwärmung der Weltmeere ist die menschengemachte Klimaerhitzung, die zu immer höheren Ozeantemperaturen führt. In den letzten 170 Jahren ist die Meeresoberflächentemperatur um 0,9 Grad Celsius gestiegen. Zudem trägt das sich entwickelnde El-Niño-Phänomen zur beschleunigten Erwärmung der Weltmeere bei. In den letzten drei Jahren führte die vorherrschende La-Niña-Phase zu einer temporären Abschwächung der globalen Erwärmung. Dies ist nun nicht mehr der Fall.

Es ist erwiesen, dass jede zusätzliche Tonne ausgestoßenes CO₂ zu einer zusätzlichen Erwärmung der Weltmeere führen wird. Solange wir nicht in der Lage sind, den CO₂-Ausstoß zu minimieren, wird die Erwärmung der Meeresoberfläche fortschreiten. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit von marinen Hitzewellen in Zukunft erheblich steigt. Diese Hitzewellen werden nicht nur häufiger auftreten, sondern auch intensiver und länger andauern. Unsere Forschung, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Nature" im Jahre 2018, verdeutlicht, dass unter einem Szenario mit einer Erwärmung um 2 Grad Celsius die Häufigkeit von marinen Hitzewellen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um das 23-Fache zunehmen wird.

Und mit was für Stürmen müssen wir dann rechnen?

Wir gehen davon aus, dass zukünftig aufgrund steigender Meeresoberflächentemperaturen eine Intensivierung tropischer Wirbelstürmen zu erwarten ist. Die erhöhte Wärme des Ozeans führt auch zu einer verstärkten Verdunstung von Wasser. Wenn dieser Wasserdampf ausgeregnet wird, kann dies zu Starkniederschlagsereignissen führen. Bereits jetzt sehen wir Anzeichen dafür, dass diese in Europa vermehrt auftreten.

Mit Thomas Frölicher sprach Oliver Scheel

Quelle: ntv.de


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