Wie ernst sind Plug-in-Hybride eigentlich zu nehmen in ihrem ökologischen Anspruch? Nun, das ist tatsächlich kompliziert. Bei Mercedes kommt die Frage spätestens in dem Moment auf, wenn die "400" auf dem Kofferraumdeckel prangt. Denn diese Zahl steht bei der Marke seit Jahrzehnten für souveräne Antriebswerte und viele Zylinder. Gut, die Zylinderzahl hat sich über die Zeit halbiert. Während der klassische Vierhunderter bis in die Nullerjahre acht Töpfe spazieren fuhr, waren es in den Zehnern nur noch sechs. Bei den jüngsten Ausführungen bleiben lediglich vier übrig. Und der Hubraum ist von einst über vier auf zwei Liter zusammengeschrumpft.
An Power fehlt es selbst der heutigen Ausführung des Vierhunderters jedoch nicht - der Verbrenner beispielsweise dieses GLC bringt 252 PS in Leistungsehe ein, und dann kommt ja noch die 136 PS starke Elektromaschine hinzu - macht zusammen stramme 381 PS.
Diese Tatsache zwingt den Fahrer eines GLC 400e eine Gewissensentscheidung ab. Kann man sich zurückhalten angesichts der geballten Doppelmotor-Power? Keine Sorge, man kann. Erstens lässt das wilde Verlangen nach Maximalbeschleunigung sowieso nach einer gewissen Zeit nach. Und zweitens klingt der Vierzylinder zwar ruhig und hinreichend vibrationsfrei, aber eben nicht so leidenschaftlich wie ein Sechs- oder gar Achtender. Demnach animiert er nicht wirklich dazu, ihm ständig die volle Leistung abzuverlangen. Ist das nicht ein cleverer Schachzug von Mercedes, auf diese Weise die entsprechende Lenkungswirkung zu erzeugen, möglichst viel elektrisch zu fahren?
Der GLC kommt auch rein elektrisch richtig weit
Und das kann der GLC richtig weit dank 31-kWh-Akku. Nämlich bis zu 130 Kilometer. Und kraft 440 Newtonmeter bugsiert die E-Maschine den 2,4-Tonner denkbar agil durch die City. Selbst Autobahn- wie Überlandstrecken meistert der Schwabe auch lautlos problemlos. Er beschleunigt flugs bis 140 km/h, was für den Alltagsgebrauch reicht.
Nun ist die fleißige Anwendung eines PHEV stets an bestimmte Lebenssituationen gebunden. Wer in der Stadt im Mehrfamilienhaus lebt und nicht über eine heimische Ladeoption verfügt, dem kommt beim aktuellen GLC zwar die Möglichkeit zugute, per CCS-Stecker Gleichstrom "zapfen" zu können. Das ist sicherlich eine Möglichkeit, innerhalb kürzerer Zeit elektrische Energie in den Benz zu bekommen. Allerdings ist der Begriff "kurze Zeit" relativ. Denn es dauert durchaus mindestens 20 Minuten, bis der Ladestand wieder etwa 80 Prozent erreicht - und da ist der Umweg noch nicht einmal eingerechnet.
Verlockend ist natürlich, in diesem Fall einfach auf das externe Laden zu verzichten. Es braucht schon eine gute Portion Idealismus, ständig Pausen von bis zu 50 Minuten (mit Anfahrt) einzulegen, wenn man mit einem solchen Ladestopp nicht etwas verbinden kann, das man ohnehin auf dem Plan hat. Keineswegs herhalten als Argument kann, in der Zeit mit dem attraktiven Infotainment (schön großer und reaktionsfreudiger Touchscreen) herumzuspielen, um das Beherrschen der Bedienung zu trainieren. Die erfolgt nämlich ziemlich intuitiv.
Der geräumige GLC ist übrigens ein ganz schönes High-Tech-Gefährt mit Hinterachslenkung sowie geschmeidiger Luftfederung. Damit wird der 4,72 Meter lange Allrounder vor allem im engen urbanen Raum zum gefühlten Kleinwagen und auf kurvigem Geläuf betont agil. Einer, der allerdings geschmeidig über Bodenwellen schwebt und seine Langstreckenfähigkeiten dank des Fahrwerks kultiviert, insbesondere im beladenen Zustand - aber nicht nur.
Bequemes Mobiliar in geräumiger Umgebung macht das Reisen zudem entspannt. Darüber hinaus kann man seine Knie hinten kommod unterbringen und genießt ziemlich viel Kopffreiheit.
Guter Sprinter
Zum Schluss muss der brav aussehende Mittelklasse-Schwabe mit ansehnlich bemessenem Heckabteil von 1530 Litern Gepäck-Äquivalent aber bitte noch einen Abschluss-Sprint hinlegen. Laut Werk schafft er es binnen 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h - ein Wert, den er dank serienmäßigem Allradantrieb sogar auf feuchtem Untergrund ganz locker in den Asphalt brennt und so manchen Sportwagenfahrer neidisch dreinblicken lässt.
Danach muss er seine Qualitäten auf eine ganz andere Art beweisen. Ich probiere nämlich einmal, wie er sich mit zwei Tonnen Ballast am Haken schlägt - so viel darf der Plug-in-Hybrid nämlich ziehen. Und die sind schnell erreicht, zum Beispiel mit einem getrailerten Fahrzeug auf dem Anhänger. Schnell noch an der CCS-Säule vorbei, um den Akku nachzuladen. Schließlich soll elektrisches Trailern besonders souverän funktionieren, was ich testen möchte.
Und in der Tat bringt das kleine lautlose Kraftpaket - Sie erinnern sich? 440 Newtonmeter Drehmoment stemmt allein die E-Maschine! - das jetzt rund viereinhalb Tonnen wiegende Gespann unglaublich spielerisch in Bewegung. Und der Stromer leistet bloß 136 PS, das muss man sich immer vor Augen führen. An Autobahnsteigungen braucht es dann aber doch den Verbrenner, der sich prompt meldet und unter hoher Belastung nicht weniger integral wirkt. Was nichts anderes bedeutet: E-Maschine und Zweiliter-Vierzylinder arbeiten in harmonischer Verbindung miteinander und der eilig reagierende neungängige Automat ist ja auch noch in dieser Einheit enthalten.
Ähnlich gelassen bringt man das Schwergewicht auch wieder zum Stillstand mit der Hilfe gut dosierbarer Bremsen. Das Umschalten zwischen Rekuperation und Reibbremse erledigt der doppelmotorige GLC für den Fahrer nahezu unmerklich.
Übrigens verfügt der wiederaufladbare Hybrid serienmäßig über Niveauregulierung, die sich im Zugbetrieb bezahlt macht. Bezahlt muss ein GLC 400e 4Matic natürlich überhaupt erst einmal. Sein Grundpreis beträgt nämlich 77.100 Euro und ist somit keineswegs trivial. Da tröstet auch eine noch so gute Ausstattung nicht, das Budget muss ja immerhin vorhanden sein. Wer sich allerdings freut, ist die Gruppe jener Dienstwagenfahrer, bei denen die Firma etwaige Anschaffungskosten übernimmt. In diesem Fall reduzieren sich die privaten Kosten - denn die Dienstwagensteuer zur pauschalen Abgeltung privater Fahrten basiert beim PHEV auf Grundlage lediglich des halbierten Bruttolistenpreises (ein Prozent ist monatlich abzuführen). Und dann rückt das 237 km/h schnelle Allzweckfahrzeug für den einen oder anderen Interessenten vielleicht doch in greifbare Nähe.
Datenblatt
Mercedes GLC 400e 4Matic
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)
4,72 / 1,92 / 1,65 m
Radstand
2,89 m
Leergewicht (ohne Fahrer)
2355 kg
Ladevolumen
470 bis 1530 Liter
Motorart
2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit Direkteinspritzung und Turboaufladung
Getriebe
9-Gang-Automatikgetriebe mit Drehmomentwandler
Leistung Verbrenner
252 PS (185 kW)
Leistung Elektromotor
136 PS (100 kW)
Leistung System
381 PS (280 kW)
max. Drehmoment (Verbrenner)
400 Nm
max. Drehmoment (Elektromaschine)
440 Nm
max. Drehmoment (System)
650 Nm
Kraftstoffart
Super Plus
Antrieb
Allradantrieb
Beschleunigung 0-100 km/h
5,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit
237 km/h
Elektrische Reichweite
119 bis 130 Kilometer
Tankvolumen / Akkukapazität
49 Liter / 31,2 kWh
Ladezeit 10 bis 80 Prozent (DC)
20 Minuten
Ladezeit 0 bis 100 Prozent (AC)
2,5 Stunden
Benzinverbrauch (kombiniert)
0,5 bis 0,6 Liter (WLTP)
Stromverbrauch (kombiniert)
20,4 bis 22,5 kWh (WLTP)
CO₂-Emission kombiniert
12 bis 15 g/km (WLTP)
Grundpreis
Ab 77.100 Euro
Fazit: Der GLC 400e 4Matic erfüllt tatsächlich manche Merkmale der so häufig zitierten Eier legenden Wollmilchsau. Zumindest mit der richtigen Ausstattung an Bord wird der Allrounder zum agil-komfortablen Lastesel mit einigermaßen luxuriösem Interieur und wirklich jeder Menge Platz. Was verwehrt bleibt? So richtig souveräner Benzinantrieb mit dem Verwöhn-Sound von mehr als vier Zylindern. Das bekommt man mit den heutzutage strengen CO2-Regularien der EU einfach nicht mehr zu diesem Kurs in der Mittelklasse. Und klar, der Plug-in-Hybrid eignet sich nicht für jedes Anwendungsgebiet. Aber aus diesem Grund hat Mercedes dem reichweitenstarken Selbstzünder ja auch noch lange nicht abgeschworen. Auch im GLC ist er noch zu haben. Sie haben also weiterhin die irgendwie bestechende Qual der Wahl.
Quelle: ntv.de
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