Beschuss durch Nordkorea - macht Kim jetzt Ernst?

  05 Januar 2024    Gelesen: 538
  Beschuss durch Nordkorea - macht Kim jetzt Ernst?

Drohgebärden und Waffentests durch Nordkorea sind nicht ungewöhnlich. Dass Machthaber Kim Jong Un keine Aussöhnung mit dem Süden mehr anstrebt und es zu Evakuierungen auf zwei südkoreanischen Inseln kommt, ist dennoch eine neue Eskalationsstufe. Auch der Süden hält sich mit markigen Worten nicht zurück.

Dass die Beziehungen zwischen Nordkorea und Südkorea auf einem Tiefpunkt angelangt sind, ist seit Jahren immer wieder zu hören. Stetige Drohungen, Waffentests und Militärmanöver erwecken den Eindruck, dass es tiefer eigentlich kaum mehr geht. Dennoch hat sich die Lage auf der Halbinsel in den vergangenen Tagen nochmals besonders zugespitzt. Nordkoreas Diktator Kim Jong Un ließ die Eskalationsspirale selbst für seine Verhältnisse weit voranschreiten.

Nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums feuerte Nordkorea kürzlich mehr als 200 Granaten in die Nähe der beiden südkoreanischen Inseln Yeonpyeong und Baengnyeongdo. Die Bewohner wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Pjöngjang erklärte, es habe sich um Marineartillerie-Übungen als "natürliche Reaktion" auf vorherige südkoreanische Manöver gehandelt.

Leif-Eric Easley, Professor für internationale Studien an der Ewha-Universität in Seoul, sagte, es sei nicht ungewöhnlich, dass Nordkorea während der Winterübungen in der Gegend Artilleriefeuer abfeuere. "Was dieses Jahr anders ist, ist, dass Kim Jong Un sich öffentlich von der Versöhnung und Vereinigung mit dem Süden distanziert."

Einen noch schwerwiegenderen Beschuss in dem Gebiet hatte es 2010 gegeben. Damals gingen mehrere Dutzend nordkoreanische Granaten direkt auf Yeongpyeong nieder. Zwei südkoreanische Soldaten und zwei Zivilisten starben, Seoul versetzte seine Armee in höchste Alarmbereitschaft, Staatschef Lee Myung Bak beriet sich mit seinem Stab in einem Bunker. Auf der Welt herrschte tagelang Angst vor einem Krieg - den es letztlich nicht gab. Südkoreas Verteidigungsminister reichte nach Kritik, er habe zu spät und lasch auf den Angriff reagiert, seinen Rücktritt ein.

"Es ist kein neuer Krieg ausgebrochen, Leute"

Brisant ist, dass dieses Mal die politischen Gegebenheiten andere sind, worauf Experte Easley hinweist. Kim Jong Un hat wenige Tage vor dem Beschuss öffentlich bekannt gegeben, dass sein Land nicht mehr die Vereinigung mit dem südlichen Nachbarn anstrebe. Die Menschen seien nicht mehr "des gleichen Volkes", sagte der Diktator. Eine Negativ-Überraschung.

Denn trotz aller Spannungen, Provokationen und der Tatsache, dass sich beide Seiten mangels Friedensvertrag aus dem Korea-Krieg völkerrechtlich noch im Kriegszustand befinden: Der Norden strebte ursprünglich immer eine Vereinigung mit dem Süden an und betrachtete beide Seiten als "ein Volk". Manche Familien durften einst sogar im Zuge von Familienzusammenführungen in das abgeschottete Land reisen.

Ob der jetzige Kurswechsel dazu führt, dass sich Nordkorea fortan noch aggressiver gegenüber dem Süden verhält, bleibt abzuwarten. Die Journalistin und Nordkorea-Expertin Jeongmin Kim von "NK News" schrieb nach dem kürzlichen Beschuss bei auf der Plattform X, die Lage sei "ernst". Sie ärgerte sich aber auch über ihrer Meinung nach "unverantwortliche Schlagzeilen" in Südkorea. "Es ist nicht so, dass ein neuer Krieg ausgebrochen ist, Leute".

Scharfe Reaktion aus Südkorea

Das südkoreanische Militär sprach davon, maritime Übungen wiederaufgenommen zu haben und reagierte mit deutlichen Worten. "Es ist ein provokativer Akt, der die Spannungen erhöht", hieß es in einer Mitteilung. "Provokationen werden mit überwältigender Härte und Aggressivität nach dem Prinzip 'sofort, stark und endgültig' geahndet". Verteidigungsminister Shin Won-sik sprach zudem von "Vergeltung", damit der "Feind sich nicht wieder zu provozieren traut".

Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap reagierte das Militär mit Übungen auf Yeonpyeong und Baengnyeongdo und feuerte 400 Schüsse in die maritime Pufferzone ab - doppelt so viele wie der Norden. Bereits am Donnerstag hatte die südkoreanische Armee erklärt, man habe mit den USA nahe der Grenze zu Nordkorea eine gemeinsame Übung abgehalten.

Südkoreanische Regierungsvertreter haben ihre Tonlage gegenüber dem Norden seit der Amtsübernahme von Präsident Yoon Suk Yeol 2022 deutlich verschärft. Im Wahlkampf sagte dieser einst, Südkorea zur Not auch mit einem Präventivschlag vor nordkoreanischen Raketen schützen zu wollen.

Provokationen wegen Wahlen

Was die Angst vor einer Eskalation aktuell weiter schürt: Nordkorea-Diktator Kim Jong Un hatte zuletzt seiner Armee befohlen, Vorbereitungen auf einen Krieg zu treffen. Ein solcher könne jederzeit ausbrechen. Auch zu einer Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern wurde in Vorbereitung einer "militärischen Machtprobe" mit Südkorea und den USA aufgerufen.

Dennoch ist dies eine Rhetorik, die es, anders als die Aussagen zur nicht mehr angestrebten Vereinigung mit Südkorea, in ähnlicher Form auch in der Vergangenheit schon gegeben hat. Ebenso wie die jüngsten Warnungen aus Nordkorea vor einem Atomkrieg. Korea-Experte Easley deutete die Aussagen von Kim mit dem Schwerpunkt auf militärische Kapazitäten auch so, dass dadurch von der schlechten Wirtschaftslage in dem Land abgelenkt werden solle.

Der südkoreanische Spionagedienst teilte vergangenen Monat mit, dass Pjöngjang höchstwahrscheinlich Anfang 2024 vor den südkoreanischen Parlamentswahlen im April und den US-Präsidentschaftswahlen im November militärische Provokationen oder Cyberangriffe durchführen werde. Darauf weist auch eine Analyse der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations mit einer Umfrage unter 550 US-Beamten, Experten und Akademikern hin.

Quelle: ntv.de, mit rts


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