Brasilien: Schwere Niederlage für Dilma Rousseff

  19 April 2016    Gelesen: 806
Brasilien: Schwere Niederlage für Dilma Rousseff
Das Parlament hat mit deutlicher Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin votiert. Nun muss noch der Senat über die Zukunft der Staatschefin abstimmen.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hat die Abstimmung über ihre Amtsenthebung in Parlament überraschend deutlich verloren. Nachdem die Regierung im Vorfeld noch an einen Stopp des Verfahrens geglaubt hatte, wurde bei der neunstündigen Debatte und Abstimmung nicht nur die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erzielt. Am Ende votierten 367 Abgeordnete für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff, 137 dagegen.

Jetzt muss als nächster Schritt der Senat bis Ende des Monats mit einfacher Mehrheit über die formelle Eröffnung eines Verfahrens gegen Rousseff entscheiden. Danach wäre sie zunächst für 180 Tage suspendiert. Während dieser Zeit würden die Vorwürfe gegen die Staatschefin intensiv juristisch geprüft.

Rousseff steht seit Langem unter Druck und wird unter anderem für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung des Landes verantwortlich gemacht. Ihr wird zur Last gelegt, Haushaltszahlen geschönt und außerdem ihren Wahlkampf illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanziert zu haben. Sie selbst spricht von einem "Putsch" gegen sie.

In der Zeit der Suspendierung würde ihr Widersacher, Vizepräsident Michel Temer, die Politikerin der linken Arbeiterpartei PT ersetzen. Spätestens im Oktober könnte der Senat mit Zweidrittelmehrheit Rousseff endgültig des Amtes entheben, und Temer würde bis 2018 Präsident bleiben. Seine Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) hat mit der Regierung gebrochen, er ist aber weiter Vizepräsident.

Rousseff kämpfte bis kurz vor der Abstimmung gegen eine Niederlage. In einer Videobotschaft warnte sie die Bevölkerung vor einem "Staatsstreich": Im Falle ihres Sturzes würden soziale Programme gekürzt. Auch Rousseffs Widersacher Temer meldete sich zu Wort: Auf Twitter schrieb er, sie lüge.

Die äußerst unruhige Abstimmung im Parlament hatte am Sonntagabend mehrere Stunden gedauert. Nahezu jeder Abgeordnete begründete sein Votum mit einer Erklärung. Jede Stimme gegen Rousseff wurde von den Kritikern der Präsidentin mit frenetischem Jubel gefeiert. Als am späten Abend der 342. Abgeordnete für das Amtsenthebungsverfahren stimmte und damit die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit perfekt machte, kochten die Emotionen über.

Vor und während der Abstimmung waren in der Hauptstadt Brasília Gegner und Anhänger der Präsidentin auf die Straße gegangen, ein fast ein Kilometer langer Metallzaun trennte die politischen Kontrahenten. Auch in São Paulo und in Rio de Janeiro wurde für und gegen Rousseff demonstriert.

Bisher gab es solch ein Verfahren erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert - und trat am Ende schließlich selbst zurück.

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