Der Bürgerkrieg in Kolumbien ist also auch ein Drogenproblem. Wie sieht die internationale Strategie aus, bei Produzenten und Konsumenten? Das war die große Frage, zu der in dieser Woche eine dreitägige UN-Sondersitzung stattfand. Der repressive Ansatz der vergangenen Jahrzehnte hat sich als teuer und wenig effizient erwiesen: Die Verbote für Drogen treiben die Preise und damit die Gewinne auf dem illegalen Markt in die Höhe. Wird ein krimineller Kopf geschnappt, rückt meist sofort ein Nachfolger an seine Stelle.
Lateinamerika ist besonders betroffen und wollte Veränderungen. Mexiko, Kolumbien und Guatemala hatten die Sondersitzung beantragt. "Die Überprüfung des bisherigen Ansatzes kann nicht weiter aufgeschoben werden", hatten sie erklärt. Nun ist die Sitzung vorüber, aber für die drei Länder ist das Ergebnis der Beratungen enttäuschend: Die bisherige Vorgehensweise wurde größtenteils bestätigt, eine internationale Einigung über die Entkriminalisierung des Drogenkonsums gab es nicht. Auch wenn in der westlichen Welt ein Trend zur Legalisierung erkennbar ist, gibt es in Asien und weiten Teilen Afrikas dafür keine Zustimmung.
420 Tonnen produziertes Kokain
Kolumbien war im vergangenen Jahr der größte Kokainproduzent der Welt. Die im Land hergestellte Menge wird auf 420 Tonnen geschätzt, 68 Prozent mehr als 2014. Auf den weiteren Rängen folgen Peru und Bolivien. Ein Grund für den steilen Anstieg sind auch ausgesetzte Vernichtungsmaßnahmen von Kokafeldern, weil das eingesetzte Glyphosat als womöglich krebserregend gilt. Aber bereits vorher war der Rückgang nicht dauerhaft. Wenn massiver Pestizideinsatz und Waffengewalt als Strategie nicht funktionieren, was dann?
Immer mehr setzt sich die Überzeugung durch, dass es nicht nur um die Droge an sich geht, um Waffengewalt und Bestrafung, sondern um die Schwachstellen, die Menschen und Gemeinden veranlassen, Koka anzubauen. Die UNODC hat vor allem die fehlende Präsenz des Staates und schlechte Infrastruktur ausgemacht. "Die Straßen sind der Schlüssel", sagt Mathiasen.
Bauern in ländlichen Gegenden, in denen die Guerilla oder ein kriminelle Organisation ("Banda Criminal", kurz Bacrim) die Kontrolle über den Alltag haben, werden inzwischen eher als Opfer wahrgenommen, denen geholfen werden muss. Das Koka sichert das Überleben der dortigen Gemeinden, der Staat hat kaum oder keinen Zugang. Etwa 65.000 kolumbianische Familien sind vom Koka wirtschaftlich abhängig. Die UNODC fördert deshalb alternativen Anbau. Der Wechsel von Kokasträuchern zu anderen Pflanzen dauert mitunter mehrere Jahre. Sinn macht dies nur, wo auch die Infrastruktur ausreicht: Sind keine Verkehrswege vorhanden oder sind sie zu schlecht, ist es für die Bauern schwer bis unmöglich, ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Also bleiben sie beim Kokaanbau. Die Blätter werden in Küchen vor Ort verarbeitet und in handlichen Mengen transportiert.
Den "Krieg gegen die Drogen", den US-Präsident Richard Nixon 1971 erklärte - diese Mischung aus Gewalt gegen die Produzenten und strenge Bestrafung der Konsumenten - sehen viele lateinamerikanische Länder als gescheitert an. Vor allem die USA haben Milliarden Dollar in den militärischen Kampf investiert - mit kaum messbarem Erfolg. 95 Prozent der Droge in den USA kommt aus Kolumbien.
"Die Vereinten Nationen haben nie einen solchen Krieg erklärt", grenzt sich Mathiasen ab. Falls es diesen Krieg jedoch gibt, muss er nach Überzeugung der UNODC mit den Opfern gemeinsam gegen die Täter geführt werden, aber ohne Waffen. Dabei arbeitet die kolumbianische Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos mit der UN-Organisation zusammen. Die Friedensverhandlungen mit der Farc- und ELN-Guerilla sind Bausteine, um zu vielen Familien in abgelegenen ländlichen Gebieten einen Zugang zu finden.
"Wir brauchen ein neues Paradigma"
Die UNODC hat neben ihrer kolumbianischen Zentrale in Bogotá weitere dreizehn Regionalbüros, meist in der Nähe von Koka-Anbaugebieten. Seit Jahrzehnten konzentrieren sich die inzwischen etwa 150 Mitarbeiter vor Ort darauf, die Anbauflächen an ihren Rändern zu reduzieren, indem sie Verträge mit Bauern abschließen. Doch neben der Guerilla sind auch die großen Verbrechersyndikate in Kolumbien wie in anderen Teilen Lateinamerikas ein Faktor. "Wir brauchen ein neues Paradigma, das den Fluss von Ressourcen ins organisierte Verbrechen stoppt", hatten Mexiko, Guatemala und Kolumbien vor dem Gipfel erklärt.
Die kriminellen Organisationen haben ihr Geschäftsportfolio längst diversifiziert, sind auch in illegalen Bergbau, Menschen- und Waffenhandel bis hin zu Produktpiraterie verwickelt. Für sie ist der Drogenhandel wegen der großen Gewinnspanne aber noch immer ein wichtiger Pfeiler. In Kolumbien ist der Clan Úsuga die größte Banda Criminal, und an dessen Spitze steht Otoniel, der mächtigste Drogenboss seit Pablo Escobar. Seit etwas mehr als einem Jahr führt Kolumbien gegen den Clan ihre Einsatzkräfte in der Operation Agamenón zu Felde. Hunderte Mitglieder soll Otoniel seither bereits verloren haben. Vor Beginn von Agamenón sollen im Clan 50 Kommandeure, 2900 Mitglieder und 12.000 Verbündete aktiv gewesen sein.
Die Vergangenheit hat nach Ansicht einiger lateinamerikanischen Staaten gezeigt, dass reine Waffengewalt nicht ausreicht, um die Kokainproduktion entscheidend einzudämmen. Um den kriminellen Organisationen zumindest einen Teil ihrer Finanzierung zu entziehen, sind die Familien als Drogenproduzenten der Schlüssel. Mit ihnen verdienen diejenigen Geld, die den Schmuggel des Kokains auf die internationalen Märkte organisieren. Die von der organisierten Kriminalität besonders betroffenen Länder dringten deshalb auf eine neue weltweite Strategie – wurden aber enttäuscht.
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