Am frühen Abend tritt der US-Präsident mit der Kanzlerin vor die Presse. "Lieber Barack, ich begrüße dich ganz herzlich in dieser Stadt", sagt Angela Merkel und lacht verkniffen. Obama erwidert die etwas steife Einleitung Merkels mit einer Charmeoffensive. "Es ist immer schön, meine Freundin Angela wieder zu treffen. Ich habe sie sehr schätzen gelernt. Sie ist eine zuverlässige Partnerin", lobhudelt er. Der US-Präsident dankt "Angela" für die Führungsrolle in Europa, für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise. Sie habe selbst mal hinter einer Mauer gewohnt und verstehe diejenigen, denen die Freiheit verweigert werde.
Obama geht noch weiter. "Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte", sagt er über sein Verhältnis zu Merkel. "Sie ist immer vertrauenswürdig und hat einen guten Sinn für Humor, den sie auf Pressekonferenzen nicht immer so zeigt. Sie ist immer sehr seriös, wenn ihr alle dabei seid", scherzt der 54-Jährige. Mehr Lobeshymne geht nicht. Ob es amerikanische Oberflächlichkeit ist oder wirklich von Herzen kommt: schwer zu sagen. Bei seinem letzten Besuch gibt sich Obama jedenfalls überraschend überschwänglich. Dass der US-Präsident auch anders kann, hatte er erst vor ein paar Tagen gezeigt, als er die Briten ungewöhnlich deutlich aufforderte, in der EU zu bleiben.
"Zukunft ist wichtiger als Vergangenheit"
Dabei haben auch die deutsch-amerikanischen Beziehungen wechselhafte Jahre hinter sich. Merkel und Obama mussten sich aneinander gewöhnen. Der Start war holprig. Die Kanzlerin verwehrte ihm, während seines Wahlkampfes 2008 eine Rede am Brandenburger Tor zu halten. Als Obama nach seiner Wahl 2009 nach Deutschland kommt, besuchte er Baden-Baden, Dresden und Weimar, aber nicht Berlin. In Erinnerung bleibt die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über den Militäreinsatz in Libyen 2011, was bei den Amerikanern für Verstimmung sorgte. In Deutschland schwanden die letzten Hoffnungen in Obama mit der NSA-Abhöraffäre 2013. Nachdem bekannt wurde, dass sogar Merkels Handy abgehört wurde, sagte die Kanzlerin: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."
Aber von alldem ist an diesem Tag wenig zu spüren. "Die Zukunft mit dem Präsidenten ist wichtiger als die Vergangenheit", sagt Merkel. Zu groß sind die neuen weltpolitischen Herausforderungen, in denen beide Länder aufeinander angewiesen sind. Sei es der Krieg in Syrien, der Kampf gegen den Terrorismus, die Atomverhandlungen mit dem Iran und der Konflikt mit Russland. Inhaltliche Unterschiede sind kaum auszumachen. Es ist auffällig, wie oft die beiden Staatschefs von "wir" sprechen. Das Wort Freundschaft fällt bei der Begegnung immer wieder.
"Sie tut, was sie verspricht"
Ganz ohne Anliegen ist Obama aber nicht nach Hannover gekommen. Der US-Präsident fordert eine stärkere Beteiligung Deutschlands innerhalb der Nato. Auch das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP ist ihm wichtig. "Wir müssen noch mehr Geschäfte miteinander machen", fordert Obama bei der Eröffnung der Messe Hannover. "TTIP wird unsere Beziehungen verstärken." Mehr Handel, mehr Wachstum, weniger Arbeitslosigkeit – damit wirbt er für das Abkommen. Dass TTIP kommt, daran lässt Obama keine Zweifel. Bis Ende des Jahres könne es zwar noch nicht ratifiziert, aber zumindest ausverhandelt sein.
Wie es genau ausgeht mit TTIP – Obama wird es nur noch als Privatmann erleben. Im November wählen die Amerikaner, Anfang des Jahres zieht sein Nachfolger ins Weiße Haus ein. Fast zwei Drittel der Deutschen bedauern es einer Umfrage zufolge, dass Obama nicht mehr zur Wahl antreten darf. Der nächste US-Präsident, der nach Deutschland kommt, könnte Donald Trump heißen. Was das bedeutet, mag zurzeit kaum ein deutscher Außenpolitiker prophezeien. So gut wie das deutsch-amerikanische Verhältnis gerade sein mag, so ungewiss ist seine Zukunft.
Ob er Merkel beneide, dass ihre Kanzlerschaft nicht auf zwei Amtszeiten begrenzt ist, fragt ein Journalist in der Pressekonferenz. "Ich liebe diesen Job, es ist ein unglaubliches Privileg", antwortet Obama. Dennoch sei es sinnvoll, dass die Gründerväter der USA gewisse Regeln geschaffen hätten. Ein Wechsel und "frischere Beine" seien gesund. Will er damit etwa sagen, dass die Kanzlerin schon zu lange im Amt ist? Natürlich nicht. Dem rhetorisch beschlagenen Obama gelingt auch dieser Spagat. Ein Blick zu Merkel, ein treues Lächeln. Er gehe zwar, sei jedoch froh, dass "Angela" noch da ist, huldigt Obama. "Die Welt profitiert von ihrer ständigen Präsenz. Sie tut, was sie verspricht. Ich werde sie als Privatmensch weiter bewundern. In Europa steht sie auf der richtigen Seite der Geschichte." Merkel genießt diese Sätze sichtlich, so viel Lob erhielt sie in den vergangenen Monaten nicht oft. Die Kanzlerin wird sich umstellen müssen, bei Obamas Nachfolger könnte der Ton rauer werden.
Quelle: n-tv.de
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