Die Stichwahl um die Amtsräume in der imperialen Wiener Hofburg machen nun Norbert Hofer, der Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei, und Alexander Van der Bellen, der als langjähriger Parteichef das Aushängeschild der Grünen ist, untereinander aus. Was die Meinungsforscher allerdings nicht vorhergesagt hatten: Mit über einem Drittel der Stimmen triumphierte der rechte Wahlsieger überdeutlich.
Die Vertreter der Regierungsparteien, Rudolf Hundstorfer von der SPÖ und Andreas Khol von der ÖVP, sind beides honorige, erfahrene und durchaus verdiente Politiker. Dass sie nun so drastisch gescheitert sind, liegt an der insgesamt schlechten Stimmung in der Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit steigt, im Umgang mit den Flüchtlingen ist kein klarer Kurs auszumachen, die Wirtschaftsdaten verdüstern sich.
Wütende Abrechnung mit dem Machtkartell
Was eine reine Persönlichkeitswahl sein sollte, entwickelte sich so zu einer wütenden Abrechnung mit den beiden politischen Lagern, die das Geschehen in Österreich stets dominiert hatten. Sozialdemokraten und die konservative Volkspartei haben, obwohl ihre Unterstützung seit Jahren immer mehr erodierte, die gesamte Macht und alle Posten, die im Einflussbereich des Staates stehen, fein säuberlich untereinander aufgeteilt. Ein Staatsoberhaupt, das nicht aus den Reihen dieses Machtkartells stammt, war bis vor Kurzem in Wien unvorstellbar.
Mit Recht meinte der freiheitliche Parteichef Heinz-Christian Strache in einer ersten Stellungnahme, es habe ein Epochenbruch stattgefunden. Er sieht schon eine rechtspopulistische Ära in seinem Land heraufdämmern, denn sein Kandidat geht jetzt als klarer Favorit in das Rennen. Mit einem entschlossenen Anti-Islam-Wahlkampf hat er wohl am besten die Stimmung im Land getroffen. Hofer tritt im Ton verbindlich auf, er klingt ein wenig wie ein Dorfkaplan. Dessen ungeachtet verbreitet er stramme nationale Inhalte.
Von Merkel zu Orbán umgeschwenkt
Auf die Flüchtlingskrise hatte Österreich zunächst mit weltoffener Hilfsbereitschaft reagiert. Doch die ist inzwischen einer Abschottungspolitik gewichen, die nach langen Debatten auch von der Regierung vorangetrieben wird. Österreich hat von Merkel zu Orbán umgeschwenkt und bestätigt damit die alten Forderungen der rechten FPÖ. Deren Präsidentenanwärter stilisiert sich nun erfolgreich als "Schutzherr der Interessen aller Österreicher", worunter er vor allem geschlossene Grenzen, verstärkte Militärpatrouillen und geringere Sozialleistungen für Asylwerber versteht. Im Wahlkampf drohte er, die Regierung entlassen zu wollen, sollte sie sich letztlich nicht seinem harten Kurs anschließen.
In den nächsten vier Wochen bis zur Stichwahl steht Österreich ein erbitterter Lagerwahlkampf bevor: Van der Bellen, der grüne Kontrahent des Freiheitlichen, ist ein nachdenklicher Wirtschaftsprofessor, ein brummeliger, aber gemütlicher Opa, der aus dem Ruhestand zurückgeholt worden war. Seine Sympathiewerte sind hoch. Im Wahlkampf hatte er versprochen, dass er einen rechtspopulistischen Kanzler verhindern werde. Als Präsident werde er einem FPÖ-Regierungschef die Ernennung verweigern, versicherte er. Das war sein Alleinstellungsmerkmal.
Ein Selbstzerfleischungsprozess wird erwartet
Seit dem Einsetzen der Flüchtlingskrise dominieren die Freiheitlichen in allen Umfragen klar, der Wahlkampf für die Stichwahl wird ihnen nun zusätzlichen Schwung verleihen. Es wird eine spannende Auseinandersetzung von zwei an sich unvereinbaren und unversöhnlichen Gruppen: auf der einen Seite das grüne weltoffene Lager, auf der anderen Seite die Rechtspopulisten.
Das wird die Öffentlichkeit in den Bann ziehen – aber parallel wird bei Sozialdemokraten und Volkspartei wohl bald ein Selbstzerfleischungsprozess einsetzen. Zu groß ist die Blamage, zu umstritten sind beide Parteichefs. Zwar sind die nächsten Parlamentswahlen erst im Herbst 2018 geplant, doch nach diesem Desaster für das Regierungslager ist die politische Situation äußerst zerbrechlich geworden.
Wie in Zeitlupe ließ sich bereits in den vergangenen Jahren beobachten, wie das herrschende österreichische Machtmonopol wie eine belagerte Festung immer stärker unterminiert wurde. Doch jetzt kann schon ein kleiner Funke jederzeit eine verhängnisvolle Dynamik auslösen, an deren Ende die Auflösung der österreichischen Nachkriegsordnung steht.
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